Gelsenkirchen. Ein Heimspiel, das keines ist: Champions-League-Teilnehmer Schachtar Donezk empfängt am Mittwoch Atalanta Bergamo in Gelsenkirchen.

Der Internetauftritt von Schachtar Donezk gleicht dem anderer Profi-Fußballklubs. Im Sozialen Netzwerk X soll das Ergebnis des kommenden Champions-League-Spiels gegen Atalanta Bergamo getippt werden, es gibt Videos von der Ankunft des Teams am Düsseldorfer Flughafen und vom heiteren Spaziergang durch Gelsenkirchen. Die Übersicht des Oktober-Spielplans darf auch nicht fehlen. Doch dazwischen offenbart sich die grausame Realität des Klubs aus der Ukraine. Hier ein Eintrag zu Ehren von Roman Vitraniuk, einem treuen Fan, der am Vortag „heldenhaft bei einem Kampfeinsatz im Osten der Ukraine starb“. Dort ein Hinweis auf den gestrigen 1. Oktober. Er ist seit 2015 ein ukrainischer Feiertag, der „Tag der Verteidiger: Wir ehren die Erinnerung unserer Helden, die ihr Leben für die Unabhängigkeit unseres Staates und die Freiheit seiner Bewohner gegeben haben“, teilt der Klub mit. Fußballnormalität hier, Kriegsalltag dort – Schachtar Donezk ist ein Klub der Gegensätze. 

An diesem Mittwoch bestreiten die Ukrainer gegen die Italiener aus Bergamo ihr erstes Heimspiel der Königsklassen-Saison (18.45 Uhr/DAZN). Wobei: Heimspiel ist ein irreführendes Wort für einen Klub, der keine Heimspiele hat, dessen erst 2009 erbaute Donbass-Arena seit zehn Jahren verwaist ist. Zunächst wegen der Kämpfe zwischen ukrainischen Einheiten und russischen Separatisten, dann seit 2022 wegen des russischen Angriffskriegs. Schachtar ist eine vertriebene Mannschaft. Sie spielte seitdem in Lwiw, Charkiw und Kiew in der Ukraine, für internationale Klubwettbewerbe wurden das polnische Warschau und zuletzt das Volksparkstadion in Hamburg zur Heimat. Nun wird erstmals in Gelsenkirchen in der Arena auf Schalke gespielt, wenn offiziell ein Heimspiel ansteht.

Schachtar Donezk: Jede Partie ist mehr als ein Fußballspiel

Schachtar Donezks Trainer Marino Pusic.
Schachtar Donezks Trainer Marino Pusic. © firo Sportphoto/dppi | Alessio Marini

Kaum eigene Fans, nur wenig Unterstützung: Es fiel den Spielern zunächst schwer, in der Fremde vor spärlich besetzten Rängen aufzulaufen. Das hat sich mit der wachsenden Zahl der Geflüchteten in den jüngsten Monaten geändert. „Die positiven Erfahrungen der letzten Saison zeigen, dass Schachtar eine starke Unterstützung durch die Fans in diesem Land hat, sowohl durch die Einheimischen als auch durch die ukrainischen Flüchtlinge“, sagt Schachtar-Generaldirektor Sergei Palkin.

Donezk wurde im Frühling wieder ukrainischer Meister, zum 15. Mal insgesamt. Die Gedanken bei der Feier gingen in die Heimat. Stadt und Region sind von russischen Truppen besetzt, doch die Identifikation mit Donezk ist weiter stark. „Wir sind immer noch eine Mannschaft aus Donezk, aus dem Donbass. Und wir vertreten diese Region“ sagt Mittelfeldspieler Taras Stepanenko. Der Geist von Stadt und Region und die Verbundenheit zur Heimat seien unzerbrechlich.

Schachtar Donezk: Hoffnung und ein Stück Normalität

So sieht es auch Generaldirektor Palkin: „Für uns ist es sehr wichtig, der ganzen Welt zu zeigen, dass die Ukraine lebt und dass es niemandem gelungen ist, uns zu zerstören.“ Jede Partie auf höchster europäischer Klubebene ist also mehr als ein Spiel – jede Partie ist auch ein Zeichen, ein Wink in die Heimat. Hoffnung und ein Stück Normalität.

Für Schachtar ist es bereits die zweite Champions-League-Saison in Deutschland. Vergangenes Jahr trug der Klub seine Partien in Hamburg aus. Damals ging es gegen Royal Antwerpen, den FC Porto und den FC Barcelona. Donezk schied mit neun Punkten aus, durfte als Gruppendritter aber in der Europa League weitermachen. In den Play-offs war dann aber gegen Olympique Marseille Schluss. Nun soll es im neuformierten Wettbewerb weiter gehen. Das 0:0 beim FC Bologna zum Auftakt machte Mut.

Rund 25.000 Fans auf Schalke erwartet

Für Arena-Besitzer Schalke lohnt sich das Donezk-Gastspiel in der Champions League in erster Linie finanziell. Der nicht auf Rosen gebettete Zweitligist wird für die Bereitstellung seines Stadions entschädigt und rechnet grob mit Einnahmen von zwei Millionen Euro. „Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit und sind stolz, dass wir Schachtar Donezk unterstützen und unser Stadion zur Verfügung stellen können. Insgesamt entsteht hier eine Win-Win-Situation für beide Vereine“, hatte Schalkes Vorstandsvorsitzender Matthias Tillmann bei der Verkündung der Abmachung gesagt. Rund 25.000 Zuschauer werden erwartet, die Abendkassen sind noch geöffnet. Der Unterrang des Stadions dürfte nahezu voll sein.

Am 10. Dezember geht es für Schachtar in Gelsenkirchen gegen Bayern München. Ein Highlight für die Bayern-Fans der Region. Für Donezk ein weiteres Heimspiel, das keines ist.