Duisburg. Was in Duisburg begann, endet in Duisburg: Nationalmannschafts-Kapitänin Alexandra Popp steht vor ihrem 145. und letzten Länderspiel.

Wenn es etwas zu Feiern gab, musste man Alexandra Popp nicht zweimal bitten: Springend, schunkelnd, liegend oder auf den Schultern einer Mitspielerin sitzend – Alexandra Popp zeigte in den vergangenen Jahren jedmögliche Art der Freude nach einem gewonnenen Fußballspiel. Lautstark sang sie mit, wenn im Stadion und auf dem Weg zu den Kabinen Karnevals-Gassenhauer, Schlager, Techno oder das unvermeidliche „We are the Champions“ erklangen. „Feierbiest“ wurde die 33-Jährige deshalb von ihren Mitspielerinnen genannt. Nun steht die letzte große Party an: Nach 144 Partien für die Nationalmannschaft tritt die Kapitänin zurück. Ihr letztes Länderspiel wird die 33-Jährige am 28. Oktober in Duisburg gegen Australien bestreiten.

Damit schließt sich der Kreis: Am 17. Februar 2010 hatte eine 19-jährige Alexandra Popp erstmals für die A-Nationalmannschaft gespielt. U17-Europameisterin war sie zu diesem Zeitpunkt schon, auch Champions-League-Siegerin mit dem Bundesligaklub FCR 2001 Duisburg. Nun ging es in der Arena des MSV Duisburg gegen Nordkorea. Deutschland gewann das Testspiel 3:0, Popp hatte die Feuertaufe bestanden und war von nun an aus dem Nationalteam nicht mehr wegzudenken. Sie spielte im Angriff, sie half als Verteidigerin aus.

Popp war immer eine Allzweckwaffe im Repertoire der Bundestrainer und -trainerinnen der vergangenen Jahre. Als in den jüngsten Wochen Torhüterin Merle Frohms und Abwehrchefin Marina Hegering aus dem Nationalteam zurückgetreten waren, schien Popp die nächste Kandidatin zu sein. Mit ihrem Kampfgeist war sie noch immer der Anker des Nationalteams, doch Verletzungen zogen sie selbst immer wieder herunter. Zuletzt reagierte sie auf Nachfragen zum eventuellen Karriereende zwar professionell, aber auch spürbar genervt. Nun die Verkündung: „Das Feuer, welches vor 18 Jahren in mir entfacht und von Jahr zu Jahr stärker wurde, ist nun fast ausgebrannt.“

Alexandra Popp spielte mit Herz

Alexandra Popp (Mitte) feiert mit ihren Spielerkolleginnen bei der WM in Australien.
Alexandra Popp (Mitte) feiert mit ihren Spielerkolleginnen bei der WM in Australien. © dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Und was war das für ein Feuer. Ein regelrechter Flächenbrand. Wenn Popp spielte, spielte sie mit Herz. Sie traf mit den Füßen oder erzielte viele ihrer 67 Länderspieltore mit dem Kopf. Sie kämpfte wie eine Besessene, mutierte bei Erfolgen zum Feierbiest oder trabte bei Niederlagen mal stinkwütend, mal zu Tode betrübt in die Kabine. Die Nationalmannschafts-Generation um die in Gevelsberg aufgewachsene Popp mag am Ende nicht so erfolgreich gewesen sein wie die mit Welt- und Europameistertiteln dekorierten Vorgängerinnen um Birgit Prinz und Inka Grings.

Doch in einer international zunehmend stärker werdenden Konkurrenz gelangen immer wieder Erfolge: Popp wurde Olympiasiegerin 2016, Vize-Europameisterin 2022 und holte zuletzt Bronze bei den Sommerspielen in Frankreich. Die Stürmerin nahm an vier Weltmeisterschaften teil, bei der WM 2019 in Frankreich und der WM 2023 in Australien und Neuseeland führte sie die deutschen Frauen als Spielführerin an. 2012 und 2022 war sie Nationalspielerin des Jahres, in den Jahren 2014,2016 und 2023 Deutschlands Fußballerin des Jahres. Doch irgendwann erlischt auch das stärkste Feuer. „Mir war immer wichtig, diese einschneidende Entscheidung selbst zu treffen: Ich alleine aus meinem Inneren. Weder mein Körper, der eine tickende Zeitbombe ist, noch eine andere Person sollten mir zuvorkommen“, sagte Popp. „Bevor das Feuer ganz erloschen ist - denn dann wäre es zu spät. Nun ist der richtige Zeitpunkt gekommen.“

Schon nach der EM 2022 in England und der verpatzten WM 2023 in Australien hatte Popp Rücktrittsgedanken geäußert. Doch sie stand immer wieder bereit, wenn Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg oder Nachfolger Horst Hrubesch sie brauchten. Popp war zu diesem Zeitpunkt nicht länger nur Fachleuten und Fußballfans bekannt – sie war spätestens nach der EM 2022 eine Identifikationsfigur für ihren Sport geworden. Die gebürtige Wittenerin, die in Duisburg und Wolfsburg zur Weltklassespielerin reifte, wurde vom Fachmagazin „Kicker“ als erste Frau überhaupt als „Persönlichkeit des Jahres“ ausgezeichnet. Selbst mag es Popp abseits des Fußballtrubels auch mal ruhig: Die staatlich geprüfte Tierpflegerin entspannt mit ihrem Hund nicht selten beim Zoobesuch.

Bundestrainer plant nun Zukunft ohne Alexandra Popp

Der neue Bundestrainer Christian Wück muss nun für eine Zukunft ohne Popp planen. „Ich hätte sehr gerne mit ihr in der Nationalmannschaft zusammengearbeitet, wusste aber relativ kurz nach den Olympischen Spielen, in welche Richtung ihre Überlegungen gehen. Sie hinterlässt große Fußspuren in der Nationalmannschaft. Jetzt werden andere diese Lücke füllen und Führungsaufgaben übernehmen“, sagte Wück. Nachfolgerin als Spielführerin könnte Giulia Gwinn werden: Die 25-Jährige vom FC Bayern vertrat die verletzte Popp schon unter Hrubesch. Als Führungsspielerin für die nächsten Jahre gelten auch Lena Oberdorf, Stürmerin Lea Schüller (beide FC Bayern) und Innenverteidigerin Kathrin Hendrich (Wolfsburg).

Mehrfach hatte Popp in der Vergangenheit auch angedeutet, dass die vielen Reisen mit Verein und Nationalteam sie belasten. Ob bald auch endgültig Schluss ist? Ihr Vertrag beim VfL Wolfsburg läuft noch bis zum 30. Juni 2025. Im Trikot ihres Klubs rackert und ackert sie weiter wie bisher. Und auch in Duisburg will sie am 28. Oktober noch einmal vor Familie und Freunden das tun, was sie in all den Jahren am besten konnte: das Feierbiest nach einem Fußballfest loslassen. Noch ist das Feuer nicht ganz erloschen.