Stuttgart. VfB Stuttgart musste Leistungsträger abgeben, trotzdem sind die Aussichten gut. Was geht für Augsburg? Ist für Kiel mehr drin als ein Intermezzo?

Bald beginnt die Saison 2024/2025 der Bundesliga - vorher machen wir den Check und tippen auch die Abschlusstabelle. Wie immer ohne Gewähr. Hier finden Sie den zweiten Teil des Checks mit Gladbach, Hoffenheim und St. Pauli.

Man kennt das Phänomen aus vielen Jahren Bundesliga: Ein Klub spielt sich überraschend nach oben, spielt eine viel bessere Saison, als ihm zugetraut wurde – und wird dann zum Opfer des eigenen Erfolgs, weil die sehr viel zahlungskräftigere Konkurrenz nun die besten Spieler lockt. So geschehen in diesem Sommer beim VfB Stuttgart, der sich 2023 erst am letzten Spieltag in die Relegation gerettet und dort den Klassenerhalt gesichert hatte – und der ein Jahr später Vizemeister war. Und der nun drei absolute Leistungsträger verlor, Serhou Guirassy und Waldemar Anton an Borussia Dortmund sowie Hiroki Ito an den FC Bayern München.

Bundesliga Check Tabelle
Bundesliga Check Tabelle © Funke Sport | Funke Sport

Und nun? Nun dämpft man beim VfB die Erwartungen, was man bei den Schwaben allerdings immer tut. Offiziell geben die Stuttgarter keinen Tabellenplatz als Ziel aus. „Es ergibt überhaupt einen Sinn, zu überlegen, was in zwölf Monaten sein könnte“, sagt Trainer Sebastian Hoeneß. Wir sind gut beraten, wenn wir bei den Eckpfeilern bleiben: Wir wollen ein Team mit einer Identität entwickeln. Die Fans sollen immer das Gefühl haben, dass wir alles geben, was nicht bedeutet, dass wir alles gewinnen. Wir wollen wieder für eine Spielidee stehen, für mutigen Fußball mit Ball und für intensiven Fußball gegen den Ball.“

Intern heißt es, dass angesichts der für die meisten Spieler unbekannten Zusatzbelastung mit der Champions League ein einstelliger Tabellenplatz schon gut – und alles darüber hinaus sehr gut wäre. Die äußerst knappe Niederlage im Elfmeterschießen im Supercup gegen Bayer Leverkusen hat aber schon gezeigt, dass eine sehr gute Saison möglich ist. Und das hat sehr viel mit Hoeneß zu tun.

Der Trainer

Der Trainer ist der Star in Stuttgart, gilt intern wie extern als Schlüsselfaktor für den Aufschwung der Schwaben. Sebastian Hoeneß übernahm die Schwaben auf dem letzten Platz, führte sie noch in die Relegation, überstand diese souverän gegen den Hamburger SV – und formte dann eine Mannschaft, die nicht nur erfolgreich, sondern sehr oft auch mitreißend spielte, die gemeinsam mit Leverkusen den ansehnlichsten Fußball bot. Und das mit Spielern, die bis dahin überwiegend zum Bundesliga-Durchschnitt gehört hatten – wenn überhaupt. Hoeneß hat bewiesen, dass er Spieler besser machen kann. Das wird angesichts der vielen Ab- und Zugänge auch in den kommenden Monaten nötig sein.

Der Bessermacher: VfB-Trainer Sebastian Hoeneß (links) mit Deniz Undav.
Der Bessermacher: VfB-Trainer Sebastian Hoeneß (links) mit Deniz Undav. © Jan Fromme /firo Sportphoto | Jan Fromme

Der Kader

Der Aderlass war brutal beim VfB: Guirassy war die Tormaschine vom Dienst, Anton und Ito formierten eine starke Innenverteidigung, Anton und Guirassy waren zudem absolute Führungsspieler. Aber: Nur Antons Abgang traf die Verantwortlichen überraschend, auf die übrigen war man vorbereitet. Wichtig für die Mannschaft und die Stimmung im Umfeld: Nationalspieler Deniz Undav konnte gehalten werden, auch wenn nach zähen Verhandlungen dafür 26,7 Millionen Euro an dessen Stammverein Brighton & Hove Albion flossen. Ein Stuttgarter Transferrekord, der den erst kurz zuvor aufgestellten Rekord von 21 Millionen Euro für Ermedin Demirovic gleich wieder knackte.

Soll vorangehen: Mittelstürmer Ermedin Demirovic kam vom FC Augsburg.
Soll vorangehen: Mittelstürmer Ermedin Demirovic kam vom FC Augsburg. © Jan Fromme /firo Sportphoto | Jan Fromme

Der bisherige Kapitän des FC Augsburg soll Guirassy ersetzen, für die Abwehr kamen Jeff Chabot und Anthony Rauoult. Loic Badé vom FC Sevilla soll Abwehrchef neuer werden, noch wartet Stuttgart aber auf die Zusage. Intern ist man beim VfB zudem der Meinung, den ganz großen Ausverkauf verhindert zu haben: Neben Undav konnten auch die Nationalspieler Chris Führich und Maximilian Mittelstädt sowie Mittelfeld-Lenker Angelo Stiller und Torhüter Alexander Nübel gehalten werden. So blieb den Schwaben ein starkes Gerüst erhalten, das sich auch in der kommenden Spielzeit als tragfähig erweisen soll.

Die Perspektive

Sie haben viel Qualität verloren beim VfB, aber sie haben auch viel Qualität und vor allem viel Potenzial geholt. Die Euphorie ist groß im Schwabenland, vor allem dank des Verbleibs von Publikumsliebling Undav. Die Testspiele und vor allem der Supercup zeigten auch, dass es Hoeneß abermals gelungen ist, eine funktionierende Einheit zu formen, die bissig verteidigt und einiges anzufangen weiß mit dem Ball. Gerade vom Offensivduo Undav/Demirovic versprechen sich die Verantwortlichen einiges.

Die Prognose

Ganz so weit wie im Vorjahr wird es für den VfB Stuttgart nicht wieder gehen, die Schwaben spielten zwar eine überragende Saison, profitierten aber auch von der Schwäche der Konkurrenz. Große Unbekannte ist, wie Trainer und Spieler mit der ihnen noch unbekannten Zusatzbelastung durch die Champions League umgehen. Auch deswegen wird es für ganz oben nicht reichen. Der VfB wird zwar weiter hervorragenden Fußball spielen, aber die namhaften Abgänge plus die vielen englischen Wochen werden am Ende doch ins Kontor schlagen. Mit den großen Vier, nämlich Leverkusen, Bayern, Dortmund und Leipzig, wird Stuttgart nicht ganz mithalten können – sich aber gleich dahinter auf Rang fünf einreihen.

FC Augsburg: Mehr als nur der Klassenerhalt?

Die Augsburg-Spieler bejubeln ein Tor in einem Testspiel.
Die Augsburg-Spieler bejubeln ein Tor in einem Testspiel. © Getty Images | Christian Kaspar-Bartke

Bei der Wahl des Sommer-Trainingslagers ging der FC Augsburg ungewöhnliche Wege. Die Bayern bereiteten sich in Südafrika auf die neue Saison vor - inklusive Safaritour als Teambuilding-Maßnahme. Ob diese Reise dem FCA dabei hilft, den anvisierten Sprung in die obere Tabellenhälfte zu schaffen?

Der Trainer

Jess Thorup steht vor seiner ersten kompletten Saison als Trainer. Der 54 Jahre alte Däne hatte im vergangenen Herbst von Enrico Maaßen übernommen und die Mannschaft schnell konsolidiert. Zwischenzeitlich roch es in der Fuggerstadt sogar nach Europapokal - doch fünf Niederlagen in Serie zum Abschluss ließen die Träume platzen. Dennoch kann Thorup einen besseren Punkteschnitt als viele seiner Vorgänger vorweisen.

Trainer Jess Thorup steht vor seinem ersten kompletten Bundesliga-Jahr mit dem FC Augsburg.
Trainer Jess Thorup steht vor seinem ersten kompletten Bundesliga-Jahr mit dem FC Augsburg. © dpa | Andreas Gora

Der Kader

Mit Ermedin Demirovic verlor der FCA seinen Kapitän und besten Spieler (15 Tore, 10 Vorlagen in der Vorsaison) an den VfB Stuttgart - das tut weh. Doch die Entschädigung in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro lindert den Frust. Und mit Kristijan Jakic, Keven Schlotterbeck oder Marius Wolf wurde die Mannschaft mit gestandenden Bundesliga-Spielern verstärkt. Die Demirovic-Nachfolge tritt hingegen ein in Deutschland Unbekannter an: Samuel Essende, der aus der portugiesischen zweiten Liga kommt.

Die Perspektive

Inzwischen gehören die Augsburger fest zum Inventar der Liga. Der Klassenerhalt war seit dem ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte 2011 stets das Ziel. Eine einstellige Platzierung erreichte der Verein aber nur zweimal - zuletzt vor neun Jahren. Das soll sich in der neuen Saison ändern. „Wir wollen uns kein Limit setzen. Wir wollen so ambitioniert wie möglich sein“, sagte Geschäftsführer Michael Ströll. Man wolle sich nun bewusst aus der Deckung wagen.

Die Prognose

Die Augsburger verfügen über einen erfahrenen Trainer, der seine Klasse vergangene Saison auch in der Bundesliga unter Beweis stellte. Das Potenzial für eine Platzierung in der oberen Tabellenhälfte gibt der Kader her. Aber nur, wenn es dem Team gelingt, die wegbrechenden Torbeteiligungen von Demirovic aufzufangen.

Holstein Kiel: Bloß nicht den Darmstadt-Weg gehen

Gekommen, um zu bleiben – oder doch nur ein kurzes Bundesliga-Intermezzo? Holstein Kiel hat es in der vergangenen Saison mit viel Fantasie in der Kader-Gestaltung und einem „Bessermacher“ auf der Trainerbank geschafft, erstmals in der Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufzusteigen. Aber es droht der Darmstadt-Weg - direkt zurück in Liga zwei.

Der Trainer

In seiner ersten Saison als Profi-Trainer ist der 45-jährige Marcel Rapp direkt aufgestiegen, nachdem er zuvor sieben Jahre im Nachwuchs der TSG Hoffenheim arbeitete. Rapp gilt als Trainer, der aus vielen Individualisten einen verschworenen Haufen formen kann - die Aufstiegsmannschaft der Kieler gilt als Paradebeispiel dafür. Rapp, der ehemalige Spieler des Karlsruher SC, strahlt Ruhe aus, ist nicht sprunghaft in seiner Arbeit und vetraut seinen Spielern und den eigenen Prinzipien.

Der Kader

Timo Becker sammelte bereits Bundesliga-Erfahrung mit Schalke 04.
Timo Becker sammelte bereits Bundesliga-Erfahrung mit Schalke 04. © Jürgen Fromme / firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Das Grundgerüst des Kaders konnte der erste Bundesligist aus Schleswig-Holstein halten. Zwei wichtige Leistungsträger aber haben den Verein verlassen. Senkrechtstarter Tom Rothe kehrte nach seiner Leihe zu Borussia Dortmund zurück und wechselte inzwischen zu Union Berlin. Und Mittelfeldstratege Philipp Sander zog es zu Borussia Mönchengladbach. Rund um Führungsspieler Lewis Holtby hat Kiel aber eine eingespielte Mannschaft beisammen. Timo Becker und Patrick Erras bilden ein starkes Defensivgerüst, in der Offensive hängt viel vom derzeit noch verletzten Steven Skrzybski ab. Die wichtigsten Neuzugänge sind die beiden zentralen Mittelfeldspieler Armin Gigovic und Magnus Knudsen, die beide durch eine Fifa-Sonderregelung von FK Rostov aus Russland kamen. Zudem muss Tymoteusz Puchacz die Rothe-Lücke auf der linken Seite stopfen.

Die Perspektive

Die Kieler werden kämpfen, wie sie es immer tun. Das darf man von ihnen erwarten. Stabilität und Struktur ist vorhanden. Aber die eingespielte Mannschaft wird wohl nicht über die fehlende individuelle Qualität hinwegtäuschen können. Ähnliches musste Darmstadt 98 in der vergangenen Saison recht früh einsehen. Die Testspiele in der Vorbereitung jedenfalls lassen derzeit vermuten, dass der Weg der Kieler ähnlich gezeichnet sein könnte. Aber: die Aufstiegseuphorie in der Stadt ist greifbar. Diese könnte Holstein zumindest durch die ersten Wochen tragen.

Die Prognose

Kiel steigt direkt wieder ab. Mannschaftliche Geschlossenheit wird nicht reichen, um in der Bundesliga zu bestehen. Die individuelle Qualität ist nicht gut genug für einen Platz unter den ersten 15.