Essen. Olympia in Paris liefert Argumente für eine deutsche Bewerbung. Aber ein weiterer unausgegorener Anlauf hilft dem Sport nicht.
Olympia verleitet zum Staunen, und das ständig. Staunen über junge Frauen, die Bälle oder Keulen meterweit in die Luft schleudern, dann ein paar Purzelbäume und Saltos fangen und das Sportgerät mühelos auffangen. Hinter dem Rücken, versteht sich. Über Tischtennisspieler, die die Bälle fast schneller über die Platte fliegen lassen, als das normale Auge gucken kann. Bogenschützen, die auf 70 Meter Entfernung verlässlich eine Fläche von der Größe einer CD treffen. Kurz: großer Sport, der ansonsten meist weitgehend unbemerkt von der ganz großen Öffentlichkeit stattfindet.
Olympia in Paris verleitet erst recht zum Staunen: Reiten vor Schloss Versailles, Beachvolleyball unterm Eiffelturm, Skateboard und BMX am Place de la Concorde, Boxen und natürlich auch Tennis im Stade Roland Garros, Fechten und Taekwondo im Grand Palais. Die Macher der Olympischen Spiele 2024 haben spektakuläre Bilder produziert, und das schon vom ersten Moment der Eröffnungsfeier an. Das Konzept, Olympia mitten in die Stadt zu integrieren, ist voll aufgegangen, auch weil die Pariser, die Franzosen diese Spiele mit Begeisterung annehmen, weil sie die außergewöhnlichen Wettkampfstätten mit außergewöhnlicher Atmosphäre füllen.
Schwimmen in der Seine: Spektakel stand über dem Wohl der Athleten
Natürlich ist nicht alles perfekt in Paris: Beim Freiwasserschwimmen übertrieben es die Organisatoren mit ihrem Wunsch nach außergewöhnlichen Wettkampfstätten, mit ihrem Beharren darauf, trotz aller Probleme in der Seine zu schwimmen, stellten sie die Sehnsucht nach spektakulären Bildern über das Wohl und die Gesundheit der Athleten – und das ist eine Grenze, die bei Sportveranstaltungen niemals überschritten werden sollte.
In der Seine zeigte sich, was Paris 2024 bei aller Begeisterung eben auch war: ein weiterer Schritt bei der fortschreitenden Eventisierung der Spiele, bei denen die Sieger auf dem Treppchen Selfies mit Sponsorenhandys zu knipsen hatten, bei denen im TV lieber feiernde Menschen auf Tribünen anstatt vernünftige Zeitlupen des Sportereignisses gezeigt wurden und bei dem ohne Rücksicht auf Verluste unbedingt in der verdreckten Seine geschwommen werden musste.
Olympische Spiele: Starke Konkurrenz für Deutschland
Und doch, bei aller Kritik: Paris hat gezeigt, wie Olympische Spiele sein sollten, hat dem deutschen Sport ein starkes Argument geliefert, erneut Anlauf für eine Bewerbung zu nehmen. Sie wären zweifelsfrei ein Gewinn, für den deutschen Sport wie für die Gesellschaft. Allzu sehr ins Träumen geraten aber sollte man in Deutschland nicht, die Konkurrenz ist stark, finanziell wie ideell.
Es braucht ein kluges Konzept, auf keinen Fall darf nun voller Euphorie viel Geld für die nächste von vornherein chancenlose Bewerbung verbrannt werden. Damit wäre dem deutschen Sport überhaupt nicht geholfen, dann sollte man mit dem Geld lieber drängendere Themen angehen: dafür zu sorgen, dass Schulsport regelmäßig stattfindet, dass es ausreichend Hallenzeiten für Vereine gibt und dass diese Hallen dann nicht so marode sind, dass es hineinregnet oder ständig etwas kaputt ist – das wäre doch ein Anfang.