Lille. Die deutschen Handballer hatten sich viel vorgenommen. Doch Dänemark war einfach zu stark. Es war ein wahrer Klassenunterschied.
Sie wollten Gold und bekamen am Ende „nur“ Silber – nach einer bitteren Niederlage im Olympiafinale. 39:26 hieß es für die deutschen Handball-Männer im Endspiel in Lille gegen Dänemark. Von Beginn an waren die Deutschen, die so sensationell durch das Turnier gerauscht waren, chancenlos. Statt auf Augenhöhe gegen den Favoriten zu spielen wurde in den 60 Spielminuten ein Klassenunterscheid offensichtlich.
Es war die höchste Niederlage in einem Olympia-Finale überhaupt. Deutschland zerstörte sich seine Gold-Träume vor allem mit einer unterirdischen Abwehrleistung. Die Dänen konnten teilweise völlig unbedrängt und ohne Gegenwehr durch die deutsche Defensive spazieren.
Trotz der bitteren Final-Schlappe bescherten Juri Knorr und Co. dem Deutschen Handballbund den größten Erfolg der jüngeren Geschichte seit Olympia-Silber 2004 in Athen, dem WM-Triumph 2007 im eigenen Land sowie dem EM-Coup 2016. Dass Gislason mit dem jüngsten aller Olympia-Teams die Silbermedaille gewinnt, lässt den Verband von einer glorreichen Zukunft träumen - auch wenn das Spiel gegen Dänemark einen anderen Eindruck hinterließ. Vor rund 27.000 Fans im Hexenkessel von Lille war Juri Knorr mit sechs Toren bester deutscher Werfer.
Schlechte Abwehr, schlechter Angriff
Die Skandinavier um Starspieler Gidsel von den Füchsen Berlin untermauerten mit ihrem zweiten Olympia-Gold nach 2016 in Rio ihre Vormachtstellung im Welthandball. Nach den folgenden WM-Triumphen 2019, 2021 und 2023 ist es bereits der fünfte große Turniersieg in den vergangenen acht Jahren.
Für Deutschland hingegen bleibt der Erfolg der DDR-Auswahl 1980 in Moskau der bislang einzige Titel einer Hallenhandball-Mannschaft unter den fünf Ringen. 2004 in Athen musste sich die Auswahl um Stefan Kretzschmar im Finale den Kroaten geschlagen geben. Vor acht Jahren in Rio holten Torwart Andreas Wolff und seine Teamkollegen Bronze.
Spätestens nach dem epischen Viertelfinal-Sieg über Frankreich glaubte das DHB-Team fest an den Gold-Coup. Das Sechs-Sekunden-Wunder von Lille, in dem Torjäger Renars Uscins die deutsche Auswahl mit der Schlusssirene in die Verlängerung gerettet hatte, sollte die gesamte Mannschaft beflügeln. Doch im Endspiel gegen Dänemark versagten die Nerven.
Die Dänen trafen aus fast jeder Position nach Belieben. Die Effizienz in der ersten Halbzeit lag zeitweise bei 90 Prozent. Zudem bereitete ihre offensive Deckung dem DHB-Team große Probleme. Der junge deutsche Kader wirkte nervös und fand überhaupt kein Rezept, um die dänische Abwehr zu durchbrechen. „Wir müssen uns reinarbeiten“, forderte Gislason, als seine Schützlinge nach zahlreichen Abspielfehlern 5:10 zurücklagen.
Die deutschen Fans versuchten, sich auf den Tribünen mit einer La-Ola-Welle zu unterhalten. Denn das Spiel ihrer Männer auf dem Feld bot nicht viel Grund zur Freude. Nach 20 Minuten war das Spiel eigentlich schon entschieden und Dänemark führte nach einer Machtdemonstration erstmals zweistellig.
Wolff mit 3 Paraden nach 35 Minuten
Wer nach der Pause auf eine Leistungssteigerung des deutschen Teams gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die Anspiele an den Kreis und an Kapitän Johannes Golla blieben erfolglos, die Abschlüsse unpräzise und die Torhüterleistung schlecht.
Wolff stand nach 35 Minuten bei drei Paraden. Auch, weil die Abwehr eine Vollkatastrophe war. Noch nie kassierte eine Mannschaft in einem Olympia-Finale so viele Gegentore. So konnte sich Dänemarks Gidsel weitgehend ohne Gegenwehr zum besten Torschützen des Turniers krönen.