Paris. Die Niederlande erweist sich nach dem Olympiasieg gegen Deutschland als schlechter Gewinner. Trainer räumt Fehlverhalten ein.

Es war nicht vorgesehen, aber eben doch äußerst unglücklich. Als Jean-Paul Danneberg in einer der Ecken des Stade Olympique Yves-du-Manoir stand, über das im Penaltyschießen verlorene Olympia-Finale sprach, war auf einem Bildschirm dahinter Duco Telgenkamp zu sehen. Als Matchwinner wurde er von der Reporterin angekündigt, weil der junge Niederländer eben Oranje zum ersten Mal seit 24 Jahren zum Olympiasieger gemacht hatte mit dem entscheidenden Penalty. Dabei hatte Telgenkamp viel mehr für Aufsehen gesorgt, weil er nach dem 4:2 den Tränen nahen Danneberg provozierte, den Finger vor den Mund gelegt hatte als Aufforderung zum Schweigen und dann noch mit der Hand über die Torhütermaske gewischt hat. „Das ist das Respektloseste, was ich je im Sport erlebt habe“, sagte der 21 Jahre alte Danneberg mit erstaunlicher Ruhe.

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    Das Publikum hatte zuvor anders reagiert: Als der letzte Penaltyschütze des neuen Olympiasiegers bei der Siegerehrung seine Goldmedaille um den Hals gehängt bekam, erntete der Stürmer ein gellendes Pfeifkonzert. „Ich weiß gar nicht, wie man ein so schlechter Gewinner sein kann“, sagte Danneberg. „Ich kenne ihn aus der Jugend, wir haben uns im Dorf nett unterhalten. Wir würden jetzt nicht gemeinsam in den Urlaub fahren, aber anscheinend sind ihm da so viele Sicherungen durchgebrannt. Die Fans haben ihn ausgebuht, als er seine Goldmedaille bekommen hat. Eine größere Schande gibt es gar nicht.“

    Niklas Wellen und die Niederländer im Clinch.
    Niklas Wellen und die Niederländer im Clinch. © AFP | ARUN SANKAR

    Telgenkamp reagierte mit seiner dummen Aktion offenbar auf einen Satz des DHB-Torhüters vor dem Endspiel, dass die Niederländer „offenbar Angst vor uns haben“, weil die letzten vier Länderspiele an die Deutschen gegangen waren. „Er war offenbar getriggert von dem Interview“, sagte Orange-Bondscoach Jeroen Delmee später, „Duco ist jung, er muss noch einige Regeln des internationalen Hockeys lernen. Er hätte Jean nicht berühren dürfen.“ Zudem hatte Telgenkamp Niklas Wellen noch die Zunge rausgestreckt, als er vom deutschen Stürmer zur Rede gestellt wurde. „Ich mag die Holländer gerne, das sind total nette Jungs“, sagte Wellen. „Ich gönne ihnen Gold, das haben es sich das verdient. Aber so ein Verhalten ist völlig inakzeptabel und traurig.“

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    Dass die Niederländer sich nach der Medaillenvergabe auch nicht sonderlich daran interessiert gezeigt hatten, die Glückwünsche der Unterlegenen entgegen zu nehmen, empfand dann auch Bundestrainer André Henning „ganz bestimmt nicht als Zufall, aber davon geht die Hockeywelt nicht unter“. Die Rivalität zwischen beiden Mannschaften ist groß, die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes hätte nur zu gerne den fünften Olympia-Triumph nach 1972, 1992, 2008 und 2012 gefeiert. So aber konnte sich die Niederlande für das 1:2 vor zwölf Jahren revanchieren. Trotzdem: „Ich finde es ein bisschen fragwürdig. Wenn man Gold gewinnt, würde ich zu meinen Jungs gehen und feiern“, sagte Tom Grambusch. An einem klärenden Gespräch mit den Niederländern haben die Deutschen offenbar kein Interesse: „Das wird stehenbleiben.“

    Auch anderen Niederländern sei das später peinlich gewesen, berichtete Wellen. Immerhin entschuldigte sich der Übeltäter hinter noch: „Es war nicht nett von mir, das zu tun. Die Aktion tut mir leid, aber es sind halt Emotionen“, sagte Duco Telgenkamp. Auf die Frage, ob er sich bei Danneberg entschuldigen würde, wenn er ihn sehen würde, sagte der 22-Jährige: „Ja, würde ich.“

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    Drama totaal hier, Hockey-Gold totaal dort. Nachdem Telgenkamp beim letzten Penalty angelaufen, nach links abgedreht war und den Ball über Danneberg ins Tor geschnippt hatte, verwandelte sich das Stade Olympique Yves-du-Manoir in ein orangefarbenes Tollhaus. Pirmin Blaak, Schlussmann des Europameisters, hatte die Penaltys der drei Weltmeister Niklas Wellen, Hannes Müller und Thies Prinz pariert, nur von Justus Weigand hatte er sich bezwingen lassen müssen. Zu dem Zeitpunkt waren aber schon Thierry Brinkman und Thijs van Dam erfolgreich gewesen. Telgenkamp sorgte für die Entscheidung und den Eklat. „Der hat den schönsten Moment seines Lebens, gewinnt Gold bei den Olympischen Spielen und rennt zu unserem Torwart, der am Boden liegt und weint“, echauffierte sich Wellen.

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    In dem Endspiel der beiden besten Mannschaften in Paris, in dem aber beiden Teams die Strapazen der vergangenen zwölf Tage anzumerken waren, hatten die Niederländer 43 Sekunden nach Beginn des Schlussviertels die Führung erzielt, als Oranje-Kapitän Thierry Brinkman einen Lupfer von Koen Bijen über Danneberg hinweg ins Tor drückte (46.). Nur vier Minuten später der Ausgleich: Stopper Thies Prinz konnte die Eckenherausgabe nicht unter Kontrolle bringen und drosch den Ball kurzerhand selbst ins links untere Eck – 1:1 (50.). Es folgte ein Auf und Ab, offenes Visier – und die Entscheidung im Shoot-out.

    „Das war auf vielen Ebenen ein unglaublich starkes Spiel von uns. Trotz des 0:1-Rückstands sind wir zum Ausgleich gekommen. Im Penalty-Shootout sind wir eigentlich sehr stark, aber wir haben unsere Qualitäten nicht gebracht. Da war die Niederlande einfach besser“, sagte Bundestrainer André Henning. Er hätte als erster Bundestrainer die Nationalmannschaft zu Weltmeisterschaft und Olympiasieg führen können. „Etwas in mir freut sich schon über Silber – aber für den Rest wird es ein paar Tage dauern.“