Paris. Die Deutsche Meisterin scheitert bei Olympia in der Vorrunde. Anschließend übt sie deutliche Kritik am Deutschen Badminton Verband.
Wer bei den Olympischen Spielen zum Badminton will, muss ein Stück weit in den Norden an die Porte de la Chapelle fahren. Immer noch vergleichsweise zentral, aber schon dorthin, wo Paris mit seinen rauen Reizen der Hochhaussiedlungen bezirzt. Die im Januar eröffnete Adidas Arena, von außen erstaunlich hässlich, von innen ein Schmuckkästchen, fügt sich nur optisch nahtlos ein. Strukturell soll sie den Stadtteil aufwerten.
Die Wettbewerbe in der rhythmischen Sportgymnastik werden ebenfalls hier ausgetragen. Freundliche Volunteers üben vor der Halle tanzend ihr Rhythmusgefühl ein. Ein Vater, der seinen schlafenden Sohn im Buggy schiebt, ist trotzdem sauer. Er fühlt sich um sein Eintrittsgeld gebracht.
Badminton: Yvonne Li übt nach Olympia-Aus Kritik am Verband
Eigentlich hätten am Dienstag die Franzosen Lucas Corvee/Ronan Labar im Doppel gegen die Deutschen Mark Lamsfuß/Marvin Seidel gespielt. Doch wegen einer Knieverletzung von Lamsfuß zog sich das Duo bereits am Montag aus dem Turnier zurück. „Warum sind die Deutschen so weich?“, schimpft der Vater.
Gegen den Frust, den Yvonne Li gut zwei Stunden später abzubauen hat, ist seine Tirade allerdings butterweich. Die Hamburgerin ist angefasst, als sie durch die Katakomben der Arena läuft, ihrem Gesicht eine Mischung aus Traurigkeit und Wut abzulesen. Die soeben erlittene 1:2 (14:21, 21:14, 12:21)-Niederlage gegen die Dänin Mia Blichfeldt bedeutet das Aus ihrer olympischen Träume nach der Vorrunde.
Deutscher Badminton-Verband fördert vor allem die Doppel und das Mixed
„Zu passiv, zu ängstlich“ habe sie gespielt. Dank des starken zweiten Satzes sei es zwar „nicht die schlechteste Leistung gewesen“, aber ihre zweiten Olympischen Spiele hatte sich die 26-Jährige anders vorgestellt. Zwar ist Li noch eine Woche in Paris, ob sie sich nun aber andere Sportarten ansehen werde, wusste sie nicht: „Keine Ahnung.“
Die Antwort auf die Frage, wie es für sie nach Olympia weitergeht, könnte auch lauten: keine Ahnung. Denn Li fühlt sich vom Deutschen Badminton-Verband (DBV) nicht ausreichend wertgeschätzt. „Es gibt einen merklichen Disziplin-Unterschied“, sagt sie. Der DBV setzte in der finanziellen wie strukturellen Förderung bislang vor allem auf die Doppel und das Mixed, das bei der WM 2022 Bronze gewann.
„Politik“ laut Deutscher Meisterin Li verantwortlich für enttäuschendes Abschneiden
Für Einzelspieler ist es herausfordernder. Li musste beispielsweise mitunter ohne Trainer zu Wettkämpfen reisen. „Es wird dir schwer gemacht, an dich zu glauben“, sagt die am Bundesstützpunkt in Mülheim an der Ruhr trainierende sechsmalige Deutsche Meisterin. Auf die Frage, woran das liegt, hat Li nur ein Wort parat: „Politik.“ Dann kommen ihr die Tränen.
Angesichts ihres Leistungsniveaus (Top 35 der Welt) und -potenzials (Top 20) ist davon auszugehen, dass die Bundesligaspielerin des SC Union 08 Lüdinghausen nach verarbeiteter Enttäuschung auch den nächsten olympischen Zyklus absolviert. Denn sie darf auf eine intensivere Förderung hoffen.
Neuer Sportdirektor Niclas Hildebrand will alle Disziplinen gleichberechtigt fördern
„Ich behandele alle fünf Disziplinen gleich. Unser Ziel muss es sein, sich in mindestens vier für Olympia zu qualifizieren“, sagt Niclas Hildebrand, der seit drei Monaten Sportdirektor beim DBV ist. Li sei es wert, an sie zu glauben: „Die Sätze, die sie gewonnen hat, bekommt man auf dem Niveau nicht geschenkt“, sagt der 43-Jährige. Er arbeite zudem daran, auch wirtschaftlich mehr Möglichkeiten zu generieren.
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Falls er dafür noch ein wenig Inspiration benötigt: Er müsste nur an der Porte de la Chapelle vorbeischauen, um zu sehen, wie man das so macht mit der Aufwertung.