Paris/Santa Monica. Die Beachvolleyball-Legende im Gespräch über die Entwicklung seiner Sportart, Olympia und Santa Monica.
Sinjin Smith setzt gleich erstmal ein Statement, als er seine 1,91 Meter auf der Außenbestuhlung von „Layla Bagels“ in Santa Monica zusammenfaltet. „King of the Beach“ steht auf seinem schwarzen, mit weißen Hundehaaren versehrten Hoodie. Wahrlich gilt der mittlerweile 67-Jährige nicht nur als König des Beachvolleyballs, sondern auch als Mitbegründer des Sports in seiner heutigen Form.
In den 1980er- und 1990er-Jahren dominierte der US-Amerikaner mit seinen Partnern Karch Kiraly und Randy Stoklos die Tour, die vor allem durch seine Popularität erst richtig groß und letztlich seit 1996 in Atlanta olympisch wurde. Am Tag vor Beginn der Damen- und Herren-Turniere in Paris spart Smith auch nicht mit Statements über die Entwicklung seiner Sportart, die deutschen Spieler und Ratschlägen für die Athleten.
Funke Mediengruppe: Mr. Smith, trifft der Slogan auf Ihrem Pullover immer noch zu?
Sinjin Smith: Gewiss ... aber nicht für mich. (lacht) Ich bin zwar noch täglich im Sand, weil ich im Sommer neun Camps in Santa Monica organisiere, aber einen donnernden Schmetterball dürfen Sie von mir nicht mehr erwarten.
Wer hat Sie beerbt als Könige des Sandes?
Eindeutig die schwedischen Jungs David Åhman und Jonatan Hellvig. Die haben Beachvolleyball auf ein neues Level gehoben.
Sie sprechen von der Entwicklung des Spiels. Wohin bewegt sich der Beachvolleyball?
Die Besten der Welt sind nicht mehr diese physischen Giganten wie früher. Jetzt sind vor allem die Skills entscheidend. Um ganz oben zu spielen, muss man wirklich alles können. Sobald ein Spieler einen Schwachpunkt hat, kann man gewiss sein, dass die Gegner diesen gnadenlos ausspielen. Kein Detail bleibt mehr unentdeckt. Was sich dagegen nicht verändert hat: Als Topspieler muss man vor allem in der Lage sein, ein hohes Maß an Intensität halten zu können.
Auf welche stilistischen Unterschiede können sich die Zuschauer, die Beachvolleyball nur alle vier Jahre bei Olympia sehen, einstellen?
Zu meiner Zeit war die Taktik recht simpel: Die Annahme wurde möglichst zum Netz gespielt, dort wurde hochgestellt und dann geschmettert. Jetzt gibt es viel athletischere Blockspieler, es ist härter geworden, am Netz zu punkten. Daher hat sich der Aktionsraum mehr auf das ganze Feld erweitert, die Spieler spielen mehr außen am Netz, die Ballwechsel sind länger. Ich finde das viel attraktiver.
Sie haben diese Entwicklung durchaus eingeleitet.
So weit würde ich nicht gehen. Aber im Präsidium des Weltverbands habe ich 2001 vorgeschlagen, entweder das Netz zu erhöhen oder das Feld von 18 mal neun Meter auf 16 mal acht Meter zu verkleinern, wofür wir uns letztlich entschieden haben. Vorher gab es zu schnell Punkte, kaum Rallys, jetzt ist viel mehr Unterhaltung drin.
Wird bei Olympia Unterhaltung in Form von Spannung aufkommen oder ist zumindest bei den Männern Gold schon an die Schweden vergeben?
Sie sind die großen Favoriten, aber auch den Norwegern Anders Mol und Christian Sørum ist etwas zuzutrauen. Aber Sie müssen wissen: Olympia ist ein ganz anderer Wettbewerb. Nicht nur der Druck. Da kommen so viele zusätzliche Verantwortungsbereiche zusammen, die auf der normalen Tour nicht bestehen. Damit muss man umgehen können. Bei den Frauen wird es sowieso spannend. Duda/Patricia aus Brasilien, aber auch unsere US-Girls Kelly Chang/Sara Hughes und Kristen Nuss/Taryn Kloth sind spitze.
Die deutschen Duos haben Sie unerwähnt gelassen.
Sorry, hätte ich nicht tun sollen. (lacht) Nils Ehlers und Clemens Wickler waren zuletzt sehr stabil, ihnen traue ich eine Medaille zu. Bei den Frauen wird es schwierig. Aber Laura Ludwig ist so erfahren, ich würde ein Team mit ihr trotz der mäßigen Resultate niemals abschreiben. Vor allem nicht bei Olympia.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des deutschen Beachvolleyballs?
Sportlich gibt es unterschiedliche Ansätze in den Ländern, da will ich nicht zu klug daherreden. In den USA haben wir lange von unserer starken nationalen Tour profitiert. Wir mussten wenig in die Entwicklung investieren, sondern haben Geld in die Tour gesteckt. Die Jugendlichen haben das dann gesehen, waren begeistert und haben selbst alles dafür gegeben, so gut zu werden wie ihre Idole. Die Norweger haben keine Strände, aber grandiose Sportschulen. Aber sie machen noch etwas besser, von dem sich auch, aber nicht nur die Deutschen etwas abschauen können.
Wir sind ganz Ohr.
Sie vermarkten sich richtig gut. Das gefällt vielleicht nicht jedem, dieser Hype. Aber die Leute müssen mal anfangen zu verstehen, dass sie dadurch auch ihren Sport vermarkten, wenn er bekannter wird. Es geht noch nicht mal in erster Linie ums Geld dabei. Als ich früher gespielt habe, waren wir jedes Wochenende im Fernsehen. Die Leute brauchen Namen und Geschichten, die sie kennen, dann erst entsteht dauerhaftes Interesse. In dem Punkt weiß ich, wovon ich spreche.
Die Elite-16-Tour schneidet in puncto Sichtbarkeit und Profitabilität dagegen eher unterdurchschnittlich ab.
Ich würde mir sehr wünschen, dass dieses Geschäftsmodell endlich erfolgreich wird. Aber momentan scheint mir immer noch nicht die Frage geklärt, welche Art des Sponsorings präferiert wird: Mehr auf lokale oder internationale Partner zu setzen? Ob kostenpflichtige Streams die Lösung für mehr Aufmerksamkeit sind, würde ich aber in Zweifel ziehen.
Im US-Beachvolleyball werden seit neuestem College-Stipendien für Frauen vergeben. Erwarten Sie einen Erfolgsboom?
In erster Linie wurden diese Stipendien eingeführt, um die Diskrepanz zwischen der Förderung männlicher und weiblicher Athleten zu verringern. Es gibt unendlich viele Football-Stipendien, was aber eben fast nur Jungs spielen. Man musste also andere Sportarten für die Mädels finden, zum Glück hat es Beachvolleyball getroffen. Die Möglichkeiten, an den Colleges sind gigantisch. Ich bin sehr hoffnungsvoll für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles hier an meinem Heimatstrand in Santa Monica.
Dort trainierten früher oft deutsche Duos, die nun eher auf die Kanaren oder maximal nach Florida fliegen. Unseres Wissens denkt der deutsche Verband über eine Kooperation mit Santa Monica nach. Können Sie das angesichts der langen Reisedistanz nachvollziehen?
Nach Santa Monica zu reisen, kann ich immer nachvollziehen. (lacht) Aber im Ernst: Es gibt nur einen Grund dafür, aber einen verdammt guten. Hier ist das Wettbewerbslevel am höchsten, die besten Duos der Welt kommen regelmäßig her. Das Wichtigste, um in der Weltspitze zu spielen, ist es, dauerhaft auf einem hohen Niveau zu trainieren.
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Was halten Sie eigentlich vom Format „King of the Court“ des Niederländers Wilco Nijland, das 2028 in Los Angeles Demosportart werden könnte?
Als Wilco sein erstes Event in Huntington veranstaltet hat, war ich skeptisch, weil es schon ein anderes Spiel als Beachvolleyball ist. Meine Meinung hat sich sehr schnell geändert. Die Show drumherum ist großartig, was sehr wichtig ist. Für den 0815-Fan ist es toll, anstatt aus zwei nun aus fünf Teams eines auswählen zu können, dem er die Daumen drückt. Das Format hat Zukunft.
Also sehen wir 2028 den King of the Beach beim King of the Court im Sand?
Vergessen Sie‘s.