Paris. Der Franzose ist eines der Gesichter der Olympischen Spiele in Paris. Die Geschichte hinter ihm ist alles, außer gewöhnlich.
Antoine Dupont erfüllt beste Voraussetzungen, um einfach nur gewöhnlich zu sein. Das fängt schon bei seinem Namen an. In Frankreich kennt jeder einen Antoine und einen Dupont in seiner Klasse oder am Arbeitsplatz, so wie in Deutschland jeder einen Thomas und einen Müller kennt.
„Dazu wirkt er wie der nette Junge von nebenan, wie der perfekte Schwiegersohn. Ein typisch traditioneller Franzose“, sagt Arnaud Lecomte von der „L’Èquipe“. Der erste Eindruck von Antoine Dupont könnte trügerischer kaum sein.
Siebener-Rugby: Antoine Dupont ist der Superstar der Olympischen Spiele in Paris
Tatsächlich ruhen die Hoffnungen einer Sportnation auf dem 27-Jährigen, wenn Frankreich am Mittwoch (16.30 Uhr) im Stade de France als Eiffelturm-hoher Favorit gegen die USA ins olympische Siebener-Rugby-Turnier einsteigt. „Natürlich erwarten die Leute Gold“, sagt Lecomte.
Rugby hat sich schließlich hinter Fußball als zweitbeliebteste Sportart im Land des Gastgebers abgehoben, und Dupont ist der größte Star – nicht in Frankreich, sondern weltweit. Neben Basketball-Sensation Victor Wembanyama und Handball-Ikone Nikola Karabatić ist er das lokale Gesicht der Spiele.
Für Olympia im Heimatland wechselte Dupont vom 15er-Rugby zum Siebener-Rugby
Und Dupont wäre nicht Dupont, wenn das Außergewöhnliche hiermit erzählt wäre. Der aus Lannemezan im Süden Frankreichs stammende 1,74 Meter kleine und 85 Kilogramm schwere Spitzenathlet, ansässig auf der Position mit der drolligen Bezeichnung Gedrängehalb, dominiert von Haus aus im populäreren 15er-Rugby, erst jüngst gewann er mit Stade Toulouse die französische Meisterschaft sowie den Champions Cup, die Champions League des Rugby, wurde jeweils zum wertvollsten Akteur gewählt. Nun ist er nur für die Wettkämpfe in Paris zur olympischen Siebener-Variante gewechselt, die nicht über zweimal 40, sondern nur über zweimal sieben Minuten gespielt wird.
„Das ist ihm spektakulär gut gelungen, weil es eigentlich zwei verschiedene Sportarten sind“, sagt der deutsche Bundestrainer Clemens von Grumbkow, dessen Mannschaft sich trotz Aufwärtstrends gegen die starke europäische Konkurrenz nicht für Olympia qualifizieren konnte. Im 15er-Rugby sei Spezialisierung die halbe Miete.
Bundestrainer Clemens von Grumbkow: „Dupont kann alles“
„Fürs Siebener-Rugby braucht man dagegen Zehnkämpfer-Typen, die schnell und stark sein müssen, die Kondition, technische Fertigkeiten und Spielverständnis besitzen“, sagt von Grumbkow. Der Umstieg glückt den Wenigsten, im Australier Michael Hooper wurde beispielsweise ein ähnlich prominenter 15er-Name aus dem Olympia-Kader gestrichen. „Dupont ist aber komplett, er kann alles“, sagt der Bundestrainer, für den der Franzose der „Spieler des Jahrzehnts“ ist.
Der Wechsel beziehungsweise die Doppelbeschäftigung als 15er- und Siebener-Akteur war Verband und Verein allerdings zunächst ein Dorn im Auge. „Die Leute haben gesagt, er soll sich auf seinen Hauptjob konzentrieren“, sagt Lecomte. Nichts Außergewöhnliches: Der Ire Hugo Keenan, ebenfalls ein 15er-Rugby-Superstar, beispielsweise verweigert Interviews, da ihm die Teilnahme bei Olympia im eigenen Land teilweise übel genommen wurde.
Rugby-Superstar verdient mehr als eine Million Euro
Letztlich spielten bei Dupont alle Seiten mit, einem Superstar sollte kein Wunsch verweigert werden. Diese Stellung hat der Sohn eines Landwirts längst inne. Sein Jahreseinkommen beziffert sich auf rund 600.000 Euro, mit Werbedeals überschreitet er mühelos die Millionenmarke. Erst vergangene Woche verpflichtete ihn der österreichische Kryptohändler Bitpanda als Botschafter.
In seinem Heimatdorf kaufte und renovierte Dupont mit seinem Bruder Clément einen Gebäudekomplex, der einst seinen Großeltern gehört hatte, um diesen für Feierlichkeiten aller Art zu vermieten. Hauptsächlich feiert der beliebte Sportler aber nach wie vor auf dem Spielfeld.
Frankreich ist Topfavorit auf Gold bei Olympia
Auch Siebener-Europameister Frankreich gelangen mit Dupont direkt Erfolge, darunter der Sieg beim Finale der Weltserie. „Eigentlich war das eine Mannschaft, die zwar ins Finale kommt, aber nie gewinnt“, sagt von Grumbkow. Dupont, ein vierfacher französischer Meister, zweifacher Champions-Cup-Triumphator und Welt-Rugbyspieler des Jahres 2021, habe die Siegermentalität ins Team gebracht.
„Die Kritiker sind inzwischen verstummt, weil sie sehen, dass er uns eine Chance auf Gold bietet“, sagt Lecomte. Ins olympische Turnier startet Frankreich als Topfavorit, auch Neuseeland, Argentinien sowie Titelverteidiger Fidschi gelten als heiße Anwärter.
Französisches 15er-Rugby-Team leistet sich schwere Skandale
Der Druck ist allerdings dabei ebenso immens wie die Erwartungshaltung. Insbesondere, weil Dupont als Kapitän parallel auch den Ende Juni auf desaströse Art ramponierten Ruf des 15er-Teams gutzumachen hat. Bei einer Testspielreise nach Argentinien leistete sich das Team, ohne den abwesenden Dupont, einen der Skandale, der für französische Nationalteams jeglicher Sportarten beinahe schon zur Gewohnheit geworden ist.
Diesmal postete ein Spieler nachts betrunken ein Video auf Instagram, in dem er Araber beschimpft und bedroht. Zwei jüngere Akteure landeten gar im Gefängnis, weil gegen sie der Vorwurf der Vergewaltigung einer Frau im Mannschaftshotel erhoben wurde. „Obwohl Dupont nicht in Argentinien war, ist das auch ein Thema für ihn. Die Menschen werden genau beobachten, wie sich das Siebener-Team in Paris anstellen wird“, sagt Lecomte.
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Für vom Grumbkow ist klar, wie: „Frankreich hat den besten Spieler der Welt, mit dem Heimvorteil sind sie Goldfavorit.“ Dieses Ziel bekräftigte Dupont am Montag öffentlich. Mit solch einem Selbstverständnis an die Arbeit zu gehen, ist selbst für ihn inzwischen gewöhnlich.