Berlin. Viele Medaillen deutscher Athleten sind eng verbunden mit einem Berliner Institut, in dem Leistungsoptimierung die große Mission ist.
Der Winter ist längst eingezogen. Obwohl draußen tropisch-schwüle Temperaturen herrschen. Überall liegen Teile von Bobs herum, hinter jeder neuen Tür in den Werkstätten werden welche bearbeitet. Wintersportler macht man im Sommer, heißt es. Ihre Geräte natürlich auch. Deshalb lassen sich Utensilien, die in Paris zum Einsatz kommen, kurz vor den Olympischen Spielen im Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) kaum mehr finden.
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Ein paar Laufräder stehen aber noch da, an einer Werkbank schleift eine Mitarbeiterin an einem Rennradlenker. Auf der anderen Seite des Raumes ist ein Viererkajak aufgebockt, an dem jemand mit einer Maschine letzte Optimierungen an der Oberfläche vornimmt. Mit diesem Boot, das beim FES konstruiert wurde, wollen die deutschen Kanuten in Paris ihren Olympiasieg von Tokio 2021 wiederholen.
Technischer Vorsprung für deutsche Athleten
Das vierstöckige Gebäude am Spreeufer in Oberschöneweide wirkt von außen unscheinbar, was sich drinnen abspielt, hat allerdings Weltniveau. Michael Nitsch, der Direktor, bekam letztens Besuch von Airbus-Ingenieuren. „Die waren begeistert“, erzählt er. Die Innovationskraft in seinem Haus ist beeindruckend, etliche deutsche Olympiamedaillen sind eng verbunden mit den Dingen, die hier entstehen. „Bausteine für Olympiasiege“, sagt Nitsch, liefert das FES.
Die Rennräder mit dem markanten Schriftzug kennen viele. Sie gehören zu den auffälligsten Produkten des Berliner Instituts, in dem seit den 1960ern versucht wird, den Sportlern einen Vorsprung durch Technik zu verschaffen. Ganz grob gesagt „sorgt der Trainer dafür, dass der Motor, dass die Leistung da ist, und wir sorgen dafür, dass die Bremskräfte möglichst gering sind“, erzählt Nitsch. Das FES will die Widerstände minimieren, damit die deutschen Athleten schneller sind als die Konkurrenz.
Das Konzept geht gut auf. In Peking bei den Winterspielen 2022 steuerte das Institut zu 21 von 27 Medaillen etwas bei. In Tokio im Sommer 2021 lief es etwas schlechter, an zehn von 37 Medaillen war das FES beteiligt. „Unser Anteil am deutschen Erfolg soll größer werden, das wäre der allgemeine Wunsch für Paris“, sagt der Direktor. Da nun wieder mehr Kanus aus dem Haus im Einsatz sind als vor vier Jahren, ist das Ziel realistisch.
„Manchmal sind es neue Werkzeuge oder Technologien, die kommen. Also zum Beispiel der 3-D-Druck gibt uns zurzeit Möglichkeiten, die wir früher nicht hatten.“
Neben den Bahnradfahrern und Kanuten profitieren bei den Sommersportarten auch die Segler, Ruderer, Schwimmer und Triathleten von der Arbeit in Oberschöneweide. Nicht alle in gleicher Weise. Denn neben den klassischen Sportgeräten stellt das FES auch Mess- und Informationssysteme zur Verfügung, die zur Leistungsoptimierung dienen. Im Rudern helfen sie dabei, die beste Besatzung zusammenzustellen. „Das ist international sicher einmalig in seiner Qualität“, so Nitsch.
Sportler stehen in engem Austausch mit Ingenieuren
Bei den Freiwasser-Schwimmern und Triathleten sammelt ein Chip im Training in der Badekappe etliche Daten, um daraus verschiedenste Erkenntnisse zu gewinnen. Bei den Seglern werden die Boote mit FES-Messdaten im Training getrimmt und zudem Teile durch Oberflächenveredlung optimiert. Für Kanuten und Radfahrer mit ihren ultraleichten, schnittigen und superstabilen Geräten aus Faserverbundwerkstoffen entwickelt das Institut sogar Kleidung, die dann aber anderswo produziert wird.
Vieles aber entsteht von der Idee bis zum fertigen Produkt im eigenen Haus. An einer Wandzeitung im Eingang zur Kunststoffwerkstatt hängen Mails von Sportlern, die sich für die Arbeit der Ingenieure bedanken. Nur im Zusammenspiel können sie höchste Maßstäbe erreichen. Das FES fängt dort an zu arbeiten, wo „kommerzielle Anbieter nicht gut genug sind oder der Sport Wünsche hat, die andere nicht erfüllen können“, erzählt Nitsch, der radsportverrückt ist und 20 Jahre lang im Bobsport tätig war.
Finanziert wird alles vom Bundesinnenministerium. Als dieses vergangenes Jahr den Etat von FES und dem verbundenen Institut für Angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig (IAT) von 21 auf 17 Millionen Euro kürzen wollte, war der Aufschrei in der Sportwelt groß. Weil es gleichbedeutend wäre mit der Verringerung von Medaillenchancen. Am Ende stieg das Budget sogar leicht auf 22,6 Millionen Euro.
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Die größte Weiterentwicklung seit Tokio gibt es bei einem Thema, über das der Direktor nicht reden kann. Zu geheim. Warum lassen sich überhaupt ständig Optimierungen erzielen? „Manchmal sind es neue Werkzeuge oder Technologien, die kommen. Also zum Beispiel der 3-D-Druck gibt uns zurzeit Möglichkeiten, die wir früher nicht hatten“, so Nitsch, der mit seinen 90 Mitarbeitern aber auch ganz wesentlich von stetigen Verbesserungen bei Hard- und Software der Computer profitiert.
Parasport nimmt immer mehr Raum ein beim FES
Dadurch werden teilweise andere Herangehensweisen in der Konstruktion möglich, alles kann in größerem Umfang durchgerechnet und simuliert werden. Dabei gibt es für die verschiedenen Sportarten große Synergieeffekte. Vor allem dem Parasport kommt das zugute, ein Feld, auf dem das FES in den vergangenen Jahren verstärkt tätig wurde und das in nächster Zeit noch mehr Aufmerksamkeit erhalten dürfte. Insgesamt liefert das Institut Komponenten für 14 Sportarten, etwas mehr Kapazitäten nimmt dabei der Wintersport (Skeleton, Eisschnelllauf, Rodeln, Snowboard, Shorttrack, Eiskunstlauf, Skisport) ein.
Unter anderem wegen der filigranen Bobs, an denen derzeit gewerkelt wird in Oberschöneweide. Michael Nitsch und einige Kollegen werden während der Spiele aber auch in Paris sein, um zu unterstützen. Ebenso um zu sehen, wo es Ansatzpunkte gibt, bei denen sich bis Los Angeles 2028 etwas tun muss.