München. Vincent Kompanys Mission beim FC Bayern beginnt. Für den neuen Trainer vor allem eine Chance – für andere im Verein überwiegen eher die Risiken.
Die Uhrzeit könnte kaum symbolträchtiger sein. Zur besten Bundesligazeit um 15.30 Uhr beginnt Vincent Kompanys Mission beim FC Bayern München so richtig. Der neue Trainer der Münchner bittet zum ersten offiziellen Training. Dass die Einheit an diesem Mittwoch und nicht an einem Samstag um halb vier angesetzt ist, ändert wenig am Kontext: Beim FC Bayern beginnt nach seiner ersten titellosen Saison seit zwölf Jahren mit dem recht unerfahrenen Trainer Kompany das spannendste Projekt der Bundesliga.
Sportdirektor Christoph Freund hat Kompany bereits in den vergangenen Tagen erlebt und bei ihm eine „große Vorfreude“ erkannt. Der Trainer sei „extrem motiviert“, sagte Freund am Dienstag, „er sprüht vor Energie. Er kann es kaum erwarten, mit den Jungs auf dem Platz zu stehen.“
FC Bayern München: Neu-Trainer Kompany hat die Kaderplanung vorangetrieben
Genau genommen liegt Kompanys Einstand beim FC Bayern schon eine Weile zurück. Am 30. Mai hatte sich der 38 Jahre alte Belgier in der Münchner Arena vorgestellt. Die Sommerpause nutzte Kompany, um sich vorzubereiten auf seine neue Aufgabe und um die Kaderplanung mit Sportvorstand Max Eberl und Freund voranzutreiben. Von drei gestandenen und für insgesamt fast 130 Millionen Euro Ablöse gekauften Zugängen João Palhinha (FC Fulham/EM-Urlaub), Michael Olise (Crystal Palace/in Frankreichs Olympia-Team) und Hiroki Ito (VfB Stuttgart) ist nur Letzterer beim Trainingsauftakt dabei. Am Dienstag stellte sich der japanische Innen- und Linksverteidiger vor. Er freue sich über die Chance beim FC Bayern, sagte der 25-Jährige, „ich will das genießen“. Zu den weiteren Kaderplänen wollte sich Freund nicht äußern. Durch die drei „absoluten Wunschtransfers“ sei man „schon sehr gut aufgestellt“ und „nicht unter Druck“, befand er. Der Umbruch ist aber noch längst nicht abgeschlossen.
Kompany hatte bereits in der vergangenen Woche auf dem Trainingsplatz losgelegt. Am Freitag stand der frühere Innenverteidiger des RSC Anderlecht, Hamburger SV und von Manchester City sowie der belgischen Nationalelf bei Regen in kurzer Hose auf dem Rasen. Er beobachtete jene Spieler, die bereits trainierten, darunter Eric Dier, Raphaël Guerreiro und Serge Gnabry. Am Samstag hatte Kompany mit seinem Trainerstab das Vereinsmuseum besucht. Das sei sein unbedingter Wunsch gewesen, sagte Kompany, „man fängt immer bei den Wurzeln an“. Am Montag und Dienstag folgten die Untersuchungen und Leistungstests für jene Spieler, die an diesem Mittwoch ins Training einsteigen. Mindestens 15 Profis dürften noch fehlen, darunter die zwölf EM-Teilnehmer des FC Bayern. Die meisten davon sollen Ende des Monats dazustoßen. Harry Kane erhält laut Freund nach seiner Teilnahme am EM-Finale mit England auch drei Wochen Urlaub und wird demnach erst nach Bayerns Südkorea-Reise (31. Juli bis 5. August) zurückerwartet.
FC Bayern geht mit „Neuling“ Kompany ins Risiko
Kompany begleiten derweil Zweifel, weil er noch nicht auf höchstem Niveau als Trainer gearbeitet hat. Zuletzt war er mit dem FC Burnley im Ballbesitzstil sehr überzeugend in die englische Premier League aufgestiegen. Nach dem gescheiterten Versuch, diesen Stil beizubehalten, ging es in der vergangenen Saison direkt wieder runter. Hinzu kommt, dass Kompany in der monatelangen Trainersuche des FC Bayern den Zuschlag erst erhielt, nachdem andere Kandidaten von Xabi Alonso über Ralf Rangnick bis hin zu Oliver Glasner nicht zur Verfügung standen. Für ihn sei nicht wichtig, dass schon vorher alle überzeugt sind, hatte Kompany bei seiner Vorstellung gesagt, „ich will überzeugen mit meiner Arbeit auf dem Platz.“
Seine neue Aufgabe hält für Kompany nicht nur sportliche Herausforderungen bereit, darunter jene, Alonso und Leverkusen als Meister abzulösen. Kompany wird sich auch bewähren müssen im Umgang mit seiner neuen Belegschaft. Ob die bis 2027 vereinbarte Zusammenarbeit erfolgreich wird, dürfte davon abhängen, inwieweit er die Mannschaft von seiner Lehre und mit seiner Persönlichkeit überzeugt. Einige Härte- und womöglich sogar Streitfälle deuten sich bereits an. Verkaufskandidaten wie Leon Goretzka und Gnabry haben stets signalisiert, bleiben zu wollen. Der FC Bayern möchte jedoch Einnahmen für den weiteren Kaderumbau erzielen. Kompany steht als Trainer dazwischen und ist sofort als Moderator gefordert.
Für Kompany ist die neue Aufgabe vor allem eine Chance. Für andere im Verein überwiegen eher die Risiken. Sollte es nicht miteinander funktionieren, dürfte das vor allem auf jene zurückfallen, die seine Verpflichtung vorangetrieben haben. Das ist neben dem Vorstandschef Jan-Christian Dreesen besonders Eberl. Der Sportvorstand hatte Kompany als „einen der interessantesten Trainer Europas“ bezeichnet. Ärgerlich sei, den Belgier nicht gleich kontaktiert zu haben, dann hätte man sich viele Unannehmlichkeiten bei der Trainersuche ersparen können. Nun geht es für Eberl bei Kompanys Mission auch darum, dass sich keine neuen Unannehmlichkeiten einstellen.