Essen. Leo Neugebauer trägt die größten deutschen Leichtathletik-Hoffnungen bei Olympia 2024 auf seinen Schultern. Porträt des Zehnkampf-Stars.
- Leo Neugebauer ist ein deutscher Zehnkämpfer, der in der Leichtathletik bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris gute Chancen auf eine Medaille hat. Sogar Gold scheint möglich.
- Der Zehnkämpfer Leo Neugebauer hat im Juni 2024 seinen eigenen deutschen Zehnkampf-Rekord auf 8991 Punkte verbessert. Schon 2023 löste er Jürgen Hingsen als deutschen Rekordhalter ab.
- Leo Neugebauer ging 2019 in die USA und studierte bis zuletzt an der University of Texas in Austin Wirtschaftswissenschaften. Dort trainierte er auch. Aufgewachsen ist er aber in der Nähe von Stuttgart.
- Wir stellen den Zehnkämpfer Leo Neugebauer in einem Porträt vor. Instagram, Mode, Zehnkampf: Das ist Leo Neugebauer, das macht ihn aus.
Es ist gerade einmal gut zwei Jahre her, da rieben sich die Leichtathletik-Interessierten in Deutschland verwundert die Augen. Leo Neugebauer? Wen hatte der deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) denn da für die Weltmeisterschaft 2022 in Eugene nominiert. Nur Insidern dürfte der Student von der University of Texas in Austin ein Begriff gewesen sein. Nun, im Sommer 2024 zu den Olympischen Spielen, reiben sich die Menschen noch mehr die Augen. Der 24-Jährige hat sich längst in eine Sphäre katapultiert, in der die wenigsten deutschen Leichtathleten und -athletinnen unterwegs sind: Der Zehnkämpfer ist Top-Kandidat für eine Goldmedaille in Paris.
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Anfang Juni 2024 verbesserte Leo Neugebauer seinen eigenen deutschen Zehnkampf-Rekord auf satte 8961 Punkte, nachdem er bereits ein Jahr zuvor bei den US-College-Meisterschaften den Jahrzehnte alten deutschen Rekord von Jürgen Hingsen überraschend überflügelte. Es ist die sechshöchste Punktzahl, die je ein Zehnkämpfer erreicht hatte. Und die Grenzen des muskelbepackten Hünen scheinen noch lange nicht erreicht. „Ich habe versucht, die 9000 Punkte zu erreichen. Ich habe Leute überholt. Aber es gibt andere Disziplinen, in denen ich die Punkte holen kann“, erzählte Leo Neugebauer nach seinem erneuten Rekord-Coup am 6. Juni. Bereits im Winter hatte Leo Neugebauer die 22 Jahre alte deutsche Hallen-Bestmarke von Frank Busemann im Siebenkampf verbessert.
Neugebauer ist der Star, den die deutsche Leichtathletik lange suchte - und er könnte mit seinem Auftreten auch auf weltweiter Bühne eine große Nummer werden. Wie einst der Super-Sprinter Usain Bolt. Die Begeisterung beim Publikum kann auch Neugebauer hervorrufen, das hatte er schon bei seiner Heim-WM 2022 in Austin (wo er Zehnter wurde), aber vor allem bei der Weltmeisterschaft 2023 in Budapest bewiesen, wo er nach Führung am ersten Tag am Ende als Fünfter eine Medaille noch verpasste. Er animierte das Publikum in der ungarischen Hauptstadt, provozierte eine Menge „Ahs“ und „Ohs“ mit seinen Leistungen. Vor allem in den Disziplinen, in denen Kraft benötigt wird, trumpft er auf.
Wo ist Neugebauer aufgewachsen und warum trainiert er in den USA?
Neugebauer, der in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist, begann mit sechs Jahren mit der Leichtathletik, entschied sich aber erst im Teenager-Alter konsequent für diese Sportart. 2019 ging er in die USA, um dort Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Dort reifte er abseits des deutschen Sport-Fördersystems zu einem der ganz großen Leichtathletik-Talenten heran. Im Kugelstoßen und Speerwurf hat er seine Stärken, überragend ist er im Diskuswurf. In dieser Disziplin warf er gar einen Weltrekord innerhalb eines Zehnkampfs bei seinem deutschen Rekord im Juni 2024.
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Doch Neugebauer kommt gut durch alle Disziplinen, überzeugt anders als sein deutscher Konkurrent Niklas Kaul auch schon am ersten Tag in der Regel. Dabei ist seine Technik etwa im Stabhochsprung oder dem Hochsprung noch ausbaubar. Einzig im abschließenden 1500-Meter-Lauf eines jeden Zehnkampfs hat der 108-Kilo-Koloss so seine (natürlichen) Probleme.
Sportlich ist er längst bei den ganz Großen seiner Sportart angekommen, hat sich sogar zum Gold-Favoriten bei den Olympischen Spielen in Paris gemausert. Seine Konkurrenten um Kevin Mayer konnten in diesem Jahr allesamt noch nicht gänzlich überzeugen. Doch man muss bedenken: Aufgrund seiner College-Verpflichtungen muss Neugebauer seine Saison zweiteilen. Nachdem er bereits im Frühjahr gut in Form sein musste, baut er für die OIympischen Spiele seine Form erneut auf. Offen ist, ob das funktioniert. Wenngleich er selbst betonte, dass der Fokus seit der WM in Budapest klar auf Olympia ausgereichtet war und entsprechend auch das Training geplant wurde.
Klar scheint nur, dass Neugebauer die Leichtathletik in den Fokus rücken kann. Mehr 252.000 Follower hat er bei Instagram, wo er unter dem Namen „le0thegerman“ firmiert. Seinen Spitznamen in den USA hat er schon längst zur Marke gemacht. Er posiert gern, teilt mit seinen Fans sein Outfit des Tages und nimmt sie mit ins Training oder zum Essen. Regelmäßig zeigt er sich in mutigen Outfits. „Ich interessiere mich sehr für Mode und kleide mich gerne gut“, sagte er einmal. Und ganz nebenbei studiert er noch.
Studium, Instagram, Medaillen: Das ist Leo Neugebauer
Trotz all der Erfolge in den vergangenen Jahren ist Neugebauer auf dem Boden geblieben, wirkt im persönlichen Gespräch fast etwas zurückhaltend, wenngleich er durchaus weiß, welche Strahlkraft er mitbringt. Auch während seiner intensiven Tage an der University of Texas hält er stets den Kontakt zu seiner Familie im Schwabenländle, kommt gern zurück in die Heimat und freut sich dann auch schon mal auf einen Döner. Im Alltag aber achtet Neugebauer auf seine Routinen: eine Flasche Wasser am Morgen, Meditation, gesunde Ernährung, viel Sport. Dabei behilflich ist ihm sicher das Programm an seiner Universität. 220 Millionen Euro fließen dort jährlich in die Ausbildung der Athleten. Von Trainern, Ernährungswisschenschaftlern bis hin zu Physiotherapeuten - Neugebauer genießt die rundum Betreuung einen Superstars.
Wie lange allerdings noch, das ist offen. Denn kurz vor den Olympischen Spielen in Paris hat er sein Studium in Austin beendet, den Abschluss geschafft. Damit endet auf vorerst seine Aufenthaltsgenehmigung in den USA. Die Zukunft lässt er auch sich zukommen, genauso wie stets die Wettbewerbe. Er nehme gern alles so, wie es kommt, sagte er immer wieder in Gesprächen. Druck mache er sich sowieso. Das ändere auch nicht sein Favoritenstatus bei den Olympischen Spielen in Paris.