Berlin. Die Niederlande stehen im Halbfinale der EM 2024 gegen England. Erdogan sieht EM-Aus der Türkei im Berliner Olympiastadion.

Die Niederlande stehen im EM-Halbfinale. Das 2:1 (0:1) gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion war jedoch schwer erkämpft. Oranje trifft damit am Mittwoch (21 Uhr) in Dortmund auf England.

Der Tag war politisch aufgeheizt. Das hatte sich allerdings auch angedeutet angesichts der Sperre von zwei Spielen in Uefa-Wettbewerben für Merih Demiral. Der türkische Verteidiger hatte nach dem Achtelfinalerfolg gegen Österreich (2:1) den Wolfsgruß gezeigt, das Handzeichen der „Grauen Wölfe“, wie die nationalistische und rechtsextremistische Ülkücü-Bewegung genannt wird.

Politischer Aufzug – türkischer Fanmarsch abgebrochen

So wurde der Fan-Marsch der türkischen Anhänger von der Gedächtniskirche zum Olympiastadion vorzeitig von der Berliner Polizei abgebrochen, weil Fans wiederholt den Wolfsgruß gezeigt und auch Pyrotechnik gezündet hatten. Damit sei der Fanmarsch als politischer Aufzug ausgenutzt worden, hieß es. Auch im Stadion formten zahlreiche Anhänger im türkischen Block vor allem während der Hymne mit ihren Händen das Symbol.

Fans der Türkei zeigen während der Hymnen den «Wolfsgruß», dessen Ursprung einer rechtsextremistischen Bewegung zugeordnet wird.
Fans der Türkei zeigen während der Hymnen den «Wolfsgruß», dessen Ursprung einer rechtsextremistischen Bewegung zugeordnet wird. © dpa | Michael Kappeler

„Aufgrund fortgesetzter politischer Botschaften aus dem türkischen Fanwalk heraus wurde dieser erneut angehalten. Der Fanbus wurde herausgeleitet und der Fanwalk beendet“, schrieb die Berliner Polizei auf X, ehemals Twitter. Am Abend landete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als Reaktion auf die Wolfsgruß-Diskussion in Berlin, um das Viertelfinale live im Stadion zu verfolgen.

Der Staatschef erlebte dabei quasi ein Heimspiel für die türkische Mannschaft. Die deutliche Mehrheit im Olympiastadion feuerte die Mannschaft von Trainer Vincenzo Montella an, der sein Team auf drei Positionen veränderte. Für Demiral und die ebenfalls gesperrten Orkun Kökcu sowie Ismail Yüksek spielten Kapitän Hakan Calhanoglu, Samet Akaydin und Salih Özcan. Die Niederlande startete hingegen mit der gleichen Elf, die im Achtelfinale Rumänien 3:0 bezwungen hatte.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte) verfolgt das Spiel im Berliner Olympiastadion.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte) verfolgt das Spiel im Berliner Olympiastadion. © dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Die Türkei bestraft passive Niederländer

Und es schien, als würde „Oranje“ durch diesen überzeugenden Sieg zum Start in die K.o.-Runde ihren Rhythmus gefunden zu haben. „Wir haben gegen Rumänien gezeigt, was wir können, wie wir Räume finden können. Das wollen wir auch gegen die Türkei tun“, hatte Niederlande-Coach Ronald Koeman angekündigt. Dabei blieb es zunächst.

Der Europameister von 1988 ließ den Ball in der Anfangsphase zwar gut durch die eigenen Reihen laufen. Den türkischen Torwart Mert Günok wirklich prüfen konnten Memphis Depay (2., 7.) oder Cody Gakpo (15.) allerdings nicht. Nach rund 20 Minuten zogen sich die Niederländer ein wenig zurück, auch um den Gegner vom eigenen Strafraum wegzulocken. Das misslang gehörig.

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Denn die Türkei bestrafte die zunehmende Passivität der Niederlande mehr und mehr. Mit leichten Ballgewinnen. Mit schnellen Angriffen. Und mit einem Kopfball zur 1:0-Führung. Nachdem Virgil van Dijk einen Eckball von Cahanoglu aus der Gefahrenzone geköpft hatte, setzte die Türkei nach. Eine Flanke von Arda Güler segelte an den zweiten Pfosten. Torwart Bart Verbruggen irrte durch den Fünfmeterraum, und Akaydin sagte aus zwei Metern artig danke.

Trainer Koeman schlug die Hände über dem Kopf zusammen, derweil das Olympiastadion in türkischem Jubel versank. „Zuversichtlich und bescheiden“ müsse seine Mannschaft sein, hatte Montella im Vorfeld gesagt. Doch auch der Jubel des italienischen Coaches in Diensten der Türkei war mit nur einem Wort zu beschreiben: Ekstase.

Die Niederlande dreht das Spiel in sechs Minuten

Nach dem Seitenwechsel kam Wout Weghorst für Steven Bergwijn. Und die Niederländer mit Wut im Bauch zurück auf den Rasen. Die Türken hatten vor allem eine Frage zu beantworten: Wie viel Kraft hatte dieses epische Achtelfinale gegen Österreich wirklich gekostet? Frenetisch angetrieben von rund 40.000 Fans auf den Rängen, begab sich der Außenseiter in seinen Lieblingsmodus bei dieser Europameisterschaft: eine Führung mit Herz verteidigen.

Die Niederländer erhöhten den Druck, die Türkei hatte Pech bei einem Güler-Freistoß, der aus 25 Metern nur an den Außenpfosten klatschte (56.). Doch der Favorit biss sich in die Partie hinein und wurde belohnt. Weghorst traf den Ball zunächst nicht richtig, doch die anschließende Ecke brachte die Erlösung für Oranje. Stefan de Vrij war per Kopf aus elf Metern zur Stelle, 1:1 (70.).

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Es war der Moment, in dem das Spiel kippte. Ballverlust der Türken in der Vorwärtsbewegung, dann ein Pass durch den türkischen Strafraum von Denzel Dumfries, den Mert Müldür im Fallen vor Gakpo zum 2:1 ins eigene Tor bugsierte (76.) – die Erleichterung bei den Niederländern war praktisch greifbar, derweil die Köpfe bei den Türken nach unten gingen. Mehmet Celik, Muhammed Arktürkoglu (beide 85.) sowie Semih Kilicsoy (90.+1) verpassten die Riesenchancen zum Ausgleich.

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