Dortmund. Deutschland besiegt Dänemark im Achtelfinale an einem denkwürdigen Abend in Dortmund mit 2:0. Havertz und Musiala treffen.
Es war schon spät, als der englische Schiedsrichter Michael Oliver einen denkwürdigen Fußballabend beendete. Ein deutscher Sturmlauf, ein Gewitter mit Starkregen und Spielunterbrechung, zwei wahnsinnige VAR-Minuten und zwei Tore von Kai Havertz und Jamal Musiala – dann stand die deutsche Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft im Viertelfinale und darf weiter vom ersten EM-Titel seit 1996 träumen. Gegen Dänemark gewann die DFB-Auswahl am Samstagabend ihr Achtelfinale in Dortmund mit 2:0 (0:0).
Im Viertelfinale am kommenden Freitag in Stuttgart könnte es nun zu einem vorweggenommenen Finale kommen. Sollte sich Spanien am Sonntagabend gegen Georgien durchsetzen, freut sich die deutsche Mannschaft auf die Neuauflage des EM-Endspiels von 2008.
Erstmals seit der EM 2016 in Frankreich steht Deutschland wieder in der Runde der letzten Acht eines großen Turniers. Ein Verdienst von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Auch Toni Kroos wird glücklich sein. Zum Abschluss seiner Karriere spielt er nun im Viertelfinale wahrscheinlich noch einmal gegen das Land, in dem er seit zehn Jahren lebt.
Nagelsmann überrascht mit Raum und Sané
Nagelsmann hatte gegen die Dänen zum ersten Mal bei dieser EM seine Startelf verändert. Unfreiwillig musste der Bundestrainer den Wechsel von Nico Schlotterbeck für den gesperrten Jonathan Tah in der Innenverteidigung vornehmen. Dafür konnte mit Antonio Rüdiger zumindest der zweite Stammverteidiger nach seiner Zerrung wieder spielen. Freiwillig waren dagegen die Wechsel von David Raum für Maximilian Mittelstädt links hinten sowie von Leroy Sané für Florian Wirtz rechts vorne. Insbesondere die Nominierung von Sané überraschte alle.
Viele hatten in der Startelf auch mit Niclas Füllkrug anstelle von Kai Havertz gerechnet. Doch Nagelsmann wollte sich die Emotionen des Dortmunders für die zweite Halbzeit aufbewahren. Für die Stimmung auf den Rängen sorgte dann zunächst ein anderer Dortmunder. Schon nach vier Minuten brachte Schlotterbeck das Stadion zum Kochen. Der BVB-Profi köpfte eine Ecke über die Linie, doch der Treffer zählte nicht. Joshua Kimmich hatte zuvor den Dänen Skov Olsen geblockt.
Deutschland belohnt sich für starke Anfangsphase nicht
Drei Minuten später verhinderte Kasper Schmeichel innerhalb von einer Minute die deutsche Führung. Kimmichs 20-Meter-Kracher kratzte der Dänen-Keeper aus dem Winkel, genau wie den nächsten Schlotterbeck-Kopfball (7.). Die Zuschauer waren sofort da.
Nach 20 Minuten wurde es allerdings etwas leiser, im roten Teil des Publikums dagegen umso lauter. Dänemark hatte die Sturm- und Drangphase der Deutschen überstanden und kam nun selbst zu den ersten Abschlüssen. Rüdiger blockte einen Schuss von Christian Eriksen (21.), Joakim Maehle zielte knapp drüber (24.) und Eriksen schoss einen Freistoß in die Mauer (31).
35 Minuten waren gespielt, als es nur noch über dem Stadion knallte. Ein schweres Gewitter mit Starkregen und kräftig Wind zog über Dortmund und sorgte sogar für eine Spielunterbrechung. „Oh wie ist das schön“, sangen die deutschen Fans im Dauerregen, die dänischen Anhänger duschten und tanzten unter den Wassermassen, die vom Stadiondach in den Innenraum prasselten. Historische Bilder, die um die Welt gingen. Mehr als 20 Minuten sollte die Unterbrechung dauern.
Für Nagelsmann war es die Chance, seine Mannschaft noch einmal neu auf die Dänen einzustellen. Und wie schon nach dem ersten Anpfiff erwischten die Deutschen einen super Start. Doch wie schon in der Anfangsphase verpasste es die DFB-Auswahl, ein Tor zu erzielen. Havertz köpfte eine Raum-Flanke aus fünf Metern genau auf Schmeichel (37.). Schlotterbeck war es dann, der im eigenen Strafraum mit einer Leichtsinnigkeit im Übermut eine gute Dänen-Chance durch Rasmus Höjlund ermöglichte (42.). Kurz vor der Halbzeit verhinderte Manuel Neuer gegen Höjlund die Führung. Dann war Zeit zum Durchatmen.
Nach der Regendusche für die Fans erlebte dann die deutsche Mannschaft eine kalte Dusche. Joachim Andersen versetzte Deutschland mit seinem Treffer aus dem Gewühl heraus in einen Kurzzeitschock. Doch der VAR zog der Dänen-Party schnell den Stecker. Weil der frühere Dortmunder Thomas Delaney eine Fußspitze im Abseits stand, nahm Oliver das Tor zurück (47.).
Im direkten Gegenzug erlebte Andersen dann die wahrscheinlich bittereste Minute seiner Karriere. Nach einem langen Ball von Schlotterbeck auf Raum berührte der dänische Verteidiger den Ball bei der Flanke leicht mit der rechten Hand. Wieder meldete sich der VAR, wieder entschied er zugunsten von Deutschland. Havertz übernahm Verantwortung und ließ Schmeichel mit einem perfekt getretenen Elfmeter in die rechte Ecke keine Chance (53.). Was für eine Dramaturgie: Vom drohenden Aus zum bevorstenenden Viertelfinale in nur wenigen VAR-Minuten.
Musiala besorgt die Entscheidung
Als 15 Minuten später dann Jamal Musiala nach einem langen Ball von Schlotterbeck plötzlich alleine auf Schmeichel zulief und sein drittes Turniertor erzielte, war das Spiel entschieden (68.). Die Deutschen feierten direkt vor den dänischen Fans. Und nach dem Spiel dann im ganzen Stadion. „Berlin. Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen die Fans in Dortmund. Zwei Spiele muss Deutschland dafür noch gewinnen.