Berlin. Bei der EM 2024 folgen nicht nur Profis gern festgelegten Ritualen. In heimischer Runde kann das schon mal zu enormer Kritik führen.
Die K.o.-Runde startet, und ich habe nichts anzuziehen. Also fast nichts, denn wie ich feststellen musste, ist es ganz entscheidend, welches Outfit man trägt, wenn man bei guten Freunden zum gemeinsamen Fußballschauen eingeladen wird. Mit derart viel Aberglaube hatte ich dann doch nicht gerechnet.
Schon erstaunlich, wie die Gesichtszüge aller Anwesenden mit nicht zu übersehender Fassungslosigkeit die Frage begleiteten, die mir beim ersten deutschen EM-Spiel gegen die Schotten entgegenschlug. „Wo ist dein Trikot?“ Ich war gebrandmarkt, daran konnte auch das famose 5:1 nichts ändern.
Trotz pinkem Trikot Spielverderber statt Hipster
Völlig logisch, dass ich diese Schmach nicht auf mir sitzen lassen konnte. Das nächste Treffen zum Gruppenfinale gegen die Schweiz sollte meinen Ruf wiederherstellen, ganz sicher. Natürlich erschien ich im deutschen Trikot. In Pink, nicht in Weiß. Den Dresscode erfüllt und zugleich noch modischer Vorreiter. Ich würde der Held des Abends sein. Wie konnte ich mich nur so irren?
„Ach Papa“, schallte es mir entgegen. Nicht mal bei meiner Tochter konnte ich punkten. Spielverderber statt Hipster, was hatte ich mir nur dabei gedacht. „Die spielen doch heute in Weiß.“ Rumms, die nächste verbale Grätsche. Schon erstaunlich, was ich dann erlebte. Die Reihenfolge, wer wem die deutschen Farben ins Gesicht malt, wurde strikt eingehalten.
Aberglaube kann so herrlich sein
Nur die Sitzordnung war eine andere. Immerhin stimmte die Getränkeauswahl mit dem EM-Auftakt überein. Und ich dachte immer, nur Profis sind abergläubisch, ziehen den rechten vor dem linken Schuh an (oder umgekehrt) oder drehen sich beim Auflaufen noch an den Ohren, so wie Niclas Füllkrug.
Aber ich hatte endlich den Durchblick. Das pinke Trikot wurde in der Halbzeit für das weiße getauscht, schon lief es auch im deutschen Spiel besser. Aberglaube kann so herrlich sein. Nur für das K.o.-Spiel gegen die Dänen mache ich mir einige Sorgen. Ich kann ja schließlich vom Achtelfinale Schweiz gegen Italien aus dem Berliner Olympiastadion nicht im weißen Deutschland-Trikot berichten. Oder doch?