Nürnberg. Die deutsche Mannschaft kommt im vorletzten EM-Test nicht über ein Remis hinaus. In der zweiten Halbzeit aber steigert sie sich.
Julian Nagelsmann diskutierte mit Assistent Sandro Wagner, tigerte dann die Tartanbahn des mit 42.000 Menschen ausverkauften Nürnberger Max-Morlock-Stadion entlang und gestikulierte wild in Richtung seiner Mannschaft. Testspiel? Der Bundestrainer strotzte bereits in der vorletzten Partie vor der Europameisterschaft vor Entschlossenheit. Die aber fehlte seiner in der zweiten Halbzeit klar überlegenen Mannschaft vor dem Tor – und so kam die DFB-Elf gegen die Ukraine nur zu einem torlosen Remis. Die EM-Generalprobe folgt am Freitag gegen Griechenland (20.45 Uhr/RTL).
Es war ein besonderer Abend in Nürnberg, einer der nicht nur im Zeichen der Turniervorbereitung stand. Viele blau-gelbe Fahnen der Ukraine hingen an den Zäunen des Max-Morlocks-Stadions. Seit mehr als zwei Jahren leidet das Land unter dem russischen Angriffskrieg. 90 Minuten Solidarität. „Es ist nicht so leicht, sich auf den Fußball zu konzentrieren, wenn sie Angst haben um ihre Liebsten zu Hause. Da kann man nur den Hut vor ziehen“ sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann vor Anpfiff.
DFB-Elf gegen Ukraine ohne Toni Kroos und Antonio Rüdiger
Nagelsmann genießt das Privileg, sich ausschließlich auf den Sport zu fokussieren. In der kommenden Woche beginnt die Europameisterschaft mit dem Eröffnungsspiel in München gegen Schottland. Die DFB-Elf soll in diesen Tagen den Feinschliff erhalten, nach den positiven Erkenntnissen aus dem März weiter Abläufe einstudieren. „Wir sind uns bewusst, dass wir eine Kraft im Land auslösen können. Wir wollen die Fans mitnehmen“, sagte Nagelsmann. „Wir haben sehr gut trainiert und mich bin mir sicher dass wir sehr gut spielen werden. Wir wollen den Schwung mitnehmen.“ Der 36-Jährige bot die erwartbare Startelf aufbot, die noch ohne Ballverteiler Toni Kroos und Abwehrchef Antonio Rüdiger von Real Madrid auskommen musste. Die beiden Champions-League-Sieger wurden von Pascal Groß und Waldemar Anton vertreten.
Ohne ihren Strategen Kroos tat sich die DFB-Elf zunächst schwer, ihre hochtalentierte Offensive ins Spiel zu bekommen. Und hinten liefen die Deutschen das eine oder andere Mal in Konter – die von der Ukraine allerdings nicht bestraft wurden.
Am nähsten am Führungstor waren dennoch die Gastgeber. Groß zirkelte einen Eckstoß in den Strafraum, erreichte nicht den anvisierten Kai Havertz am kurzen Pfosten, dafür aber Ilkay Gündogan. Der Kapitän traf den Ball aus wenigen Metern nur mit dem Knie, statt dem Kopf (15.). Ansonsten musste es über das Zauber-Duo Florian Wirtz und Jamal Musiala geben. Als Wirtz von links in die Mitte zog, aber dann mit rechts doch recht weit drüber schoss. Oder als Musiala auf der anderen Seite zwei Ukrainer austanzte und auf Groß ablegte. Selbes Resultat: drüber (29.). Zusammen konnten es Wirtz und Musiala auch. Da passte der Leverkusener zu Musiala, doch der Münchner Musiala zielte links neben das Tor (42.).
DFB-Elf: Spiel läuft über Florian Wirtz und Jamal Musiala
Immer wieder Musiala und Wirtz, immer wieder durch die Mitte. Nominell als Flügelspieler aufgestellt, versuchten die beiden meist ihr Glück im Zentrum. Bis zur Grundlinie zogen sie nie durch, eine wichtige Komponente, die dem deutschen Spiel in Hälfte eins fehlte. Ebenso ab und zu die Konzentration. Jonathan Tah vertändelte den Ball am eigenen Strafraum und ermöglichte so die beste Chance der Ukraine, einen Abschluss von Roman Yaremchuk, den Manuel Neuer hielt (38.).
Nagelsmann reagierte auf die lahmen Flügel und brachte zur Pause Chris Führich für Wirtz. Deniz Undav ersetzte als Zehner den etwas unglücklichen Kapitän Gündogan. Deutschland versuchte es nun häufiger mit Flanke, in der 53. Minute etwa, als Joshua Kimmichs Hereingabe von Havertz links am Tor vorbei geköpft wurde. Noch gefährlicher wurde ein Stuttgarter Dreiklang über Maximilian Mittelstädt, Führich und Undav, doch ein Ukrainer warf sich im letzten Moment in den Schuss des Angreifers (56.).
DFB-Elf: Stuttgarter Führich und Undav bringen Schwung
Die deutsche Mannschaft drückte, die Partie glich mehr einem Handball-Spiel, so dicht und tief standen die Ukrainer vor dem eigenen Tor. Nagelsmann legte in der 60. Minute in Person von Thomas Müller und Maximilian Beier zwei frische Offensivleute nach. Doch gefordert war erst Neuer, der sich im Spagat Mkyhailo Mudryk entgegenwarf und das 0:1 verhinderte. Im Gegenzug traf Debütant Beier die Latte (61.). Zwei Minuten später die nächste Chance des Hoffenheimers, Anatoliy Trubin tauchte rechtzeitig ab.
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Undav (67.) hatte eine weitere Chance, verpasste kurz danach den perfekten Moment, um Führich in Szene zu setzen. Der Flüggeldribbler und Beier vergaben weitere Möglichkeiten in der Schlussphase. Hinten musste Neuer noch mal gegen Andriy Yarmolenko retten (89.), Undav scheiterte erneut an Trubin (90.). Nach dem torlosen Remis gab es leichte Pfiffe in Nürnberg. Nagelsmann aber war zufrieden: „Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Man hat gemerkt, dass die Mannschaft unbedingt gewinnen wollte.“ Tat sie aber nicht. Die nächste Chance gibt es am Freitag gegen Griechenland. Es ist die letzte Chance vor dem EM-Auftakt eine Woche später.