Blankenhain. Die Rolle von Thomas Müller in der DFB-Elf hat sich zuletzt verändert. Der Münchener kann dem Nationalteam trotzdem viel geben.
Wo gäbe es geeignetere Orte als hier, im Weimarer Land, um mal wieder über die wundersame Welt der deutschen Sprache nachzudenken? Goethe und Schiller, die Dichter und Denker, mit deren Werk so mancher Schüler noch heute hadert, lebten und wirkten in Thüringen.
Seit vergangenem Sonntag residiert die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Blankenhain, der etwa 7000-köpfigen Kleinstadt zwischen Weimar und Jena. Mit Dichtern und Denkern ist es im Profifußball so eine Sache, aber Thomas Müller hat sicherlich nicht nur etwas im Füßchen. Und so schwingt sich der 34-Jährige von Bayern München dieser Tage gerne mal zum Deutsch-Lehrer auf. „Ab und zu ermahne ich schon, dass man auch mal wieder ein der, die, das in den Satz einbauen kann“, merkte Müller am Dienstag an und ließ ein breites Grinsen folgen.
DFB-Team: Thomas Müller gilt als Vermittler
Thomas Müller, der Vermittler. Zwischen jungen und alten Spielern. Zwischen Jugendslang und „die deutsche Sprache pflegen“. Zwischen den „Rappern und denen, die jodeln“, wie es Bundestrainer Julian Nagelsmann kürzlich so treffend beschrieb. „Ich komme natürlich eher von den Jodlern“, gestand Müller, „aber fand es immer interessant, die Rapper kennenzulernen. Man lernt ja nie aus. Das hat mir im Laufe meiner Karriere immer Spaß gemacht, mit offenem Visier durch das Leben zu gehen.“ Das kommt an, in der Mannschaft, bei den Fans. Einige Eindrücke.
Als die DFB-Elf am Sonntag ihr Quartier, das Spa & GolfResort Weimarer Land, bezog, legte Müller die letzten Meter in die Nobel-Herberge zu Fuß zurück. Im Schlepptau hatte er seinen jungen Münchner Teamkollegen Aleksandar Pavlovic, den er kurzerhand mit dem einen oder anderen Verbandsmitarbeiter bekanntmachte. Pavlovic, 20, war zwar schon mal nominiert, doch musste im März verletzt absagen.
DFB-Team: Thomas Müller ist noch immer ein großer Sympathieträger
Tags darauf gleich zwei Termine, die wie für Müller geschaffen waren. Da stattete er zunächst gemeinsam mit dem Stuttgarter Chris Führich, 26, einen Besuch ab, samt spontaner Autogrammstunde. Und am Abend dann schallten Thomas-Müller-Sprechchöre durch das Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena, wo die DFB-Elf 15.000 Fans beim öffentlichen Training begeisterte. Müller mögen sie alle, der Fan wie der Nachwuchskicker und diejenigen, die in ihm den perfekten Schwiegersohn sehen.
Doch es hat sich etwas getan in den vergangenen Jahren. Thomas Müller ist nach wie vor einer der größten Sympathieträger des deutschen Fußballs, er ist weiterhin ein überdurchschnittlicher Spieler, der an guten Tagen große Spiele entscheiden kann. Seine großen Zeiten allerdings liegen schon länger zurück.
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2010 gehörte Müller zu den jungen Wilden, die bei der Weltmeisterschaft in Südafrika begeisterten und erst im Halbfinale an Spanien scheiterten. Vier Jahre später hielt er den goldenen Pokal in der Hand. Genauso erlebte Müller den Absturz der Nationalmannschaft seit 2018 mit. Aus der Startformation der Bayern ist er vor einiger Zeit herausgerutscht.
DFB-Team: Thomas Müller ist inzwischen Ergänzungsspieler
In der Nationalelf ist für ihn ebenso kein Stammplatz vorgesehen, sondern die Rolle als Ergänzungsspieler. Aber man täte ihm ebenso Unrecht, hielte man Müller bloß für jemanden, der für die gute Stimmung im Kader steht – wie einst Lukas Podolski. „Ich verlange nicht, dass er nur Pausenclown ist“, meinte Bundestrainer Nagelsmann. „Mir ist lieber, er bringt Top-Leistungen und ist neben dem Platz ruhiger als andersherum. Wenn er beides kombiniert, und das wird passieren, dann sind wir alle sehr zufrieden.“
Müller weiß das. „Ich habe nicht den Auftrag, Leute zu unterhalten, weil mit Unterhaltung kommen wir hier nicht weit“, sagte er. „Aber es ist schon so, wenn jemand mal neu ist, und vielleicht noch etwas zurückhaltend, dann kann er sein Potenzial nicht so gut entfalten. Da geht es dann schon darum, sich nicht abzuschotten und den Leuten das Gefühl zu geben, sie müssten sich erst erarbeiten, dass man mal mit ihnen spricht. Sondern es geht schon darum, sie zu integrieren.“
DFB-Team: Die EM war bisher noch nicht Thomas Müllers Bühne
Die EM war bisher nicht sein Turnier, noch immer hat er in diesem Wettbewerb kein Tor erzielt. Und der Titel fehlt ja auch noch. Thomas Müllers Ambitionen bleiben allerdings hoch. An sich, an die Mannschaft. „Ich weiß, was ich kann. Ich glaube, ich bin ein sehr berechenbarer Spieler, was man auf dem Platz von mir erwarten kann. Ich mache seit 15 Jahren eigentlich genau das Gleiche“, so Müller und verwies auf die Statistiken wie die, der zu erwartenden Vorlagen, die ihm trotz wenig Spielzeit beim FC Bayern hohen Einfluss attestieren: „A bissl was kann er schon noch, der Onkel.“