Paris. Das deutsche Frauen-Tennis erlebt am ersten Tag der French Open ein Debakel. Alle vier Spiele gehen verloren, Jule Niemeier irritiert.
Kurz vor Mitternacht war dann doch alles zuviel für Jule Niemeier. Gerade hatte die 24-jährige Dortmunderin auf Außencourt 5 des Roland Garros-Sandreichs das Erstrunden-Match gegen die Chinesin Xin Wang verloren, da bekam der Schläger Niemeiers den Frust zu spüren. Niemeier hackte das Racket ein paar Mal in den French Open-Court, der Schläger war im Eimer. Und dann, nach einem kurzen, kühlen Handschlag mit ihrer Gegnerin, verließ die Deutsche fluchtartig die Stätte ihrer gallenbitteren 6:0, 2:6, 4:6-Niederlage.
Wobei: Es war nicht einfach nur eine Niederlage. Es war eins der bizarrsten Spiele in dieser Tennissaison, bei den gerade begonnenen Offenen Französischen Meisterschaften des Jahres 2024 sowieso. Und die ebenso kuriose wie unglaubliche Achterbahnfahrt markierte zugleich den Tiefpunkt eines niederschmetternden Auftakttages in Paris, der illustrierte, wie weit das deutsche Frauentennis im Moment von früheren Glanztagen auch unterm Eiffelturm entfernt ist – nicht zuletzt von einem Siegeslauf, wie ihn Steffi Graf vor 25 Jahren beim Grand Slam-Spektakel kurz vor ihrem Rücktritt hingelegt hatte.
Jule Niemeyer geht nach Super-Start unter
Laura Siegemund, Tatiana Maria und Eva Lys waren schon längst an Tag eins aus dem Grand Slam-Einzelklassement nahe des Bois de Bologne ausgeschieden, als Niemeier mit massiver Verspätung um halb zehn Uhr abends ans Hand-Werk ging. Sie gewann den ersten Satz gegen die weit höher eingestufte Wang (WTA 39) sensationell 6:0, sie verlor dann den zweiten Akt der Partie mit 2:6. Aber bei einer 4:1-Führung im dritten, entscheidenden Durchgang schien dennoch alles klar für die Dortmunderin, die sich zuletzt engagiert und hartnäckig wieder unter die Top 100 (Platz 97) und damit auch in die erweiterte Weltspitze gefightet hatte.
Aber auf der Zielgeraden ging plötzlich und unerwartet nichts mehr für Niemeier, die in der Qualifikation souverän aufgespielt und in drei Bewerbungspartien nur zwölf Spiele abgegeben hatte. 4:2, 4:3, 4:4, 4:5 und dann auch noch 4:6. Wang weiter, Niemeiers Schläger kaputt. Und der Traum zerstört, womöglich einen Überraschungslauf hinzulegen wie vor zwei Jahren in Wimbledon – damals war die Newcomerin als Viertelfinalistin und mögliche neue deutsche Größe in den Fokus gerückt und in der Weltrangliste später in jener Saison bis auf Platz 61.
Vage Hoffnungen auf Altmeisterin Kerber
Was blieb für das ohnehin schon angezählte deutsche Frauentennis, war die schwache Hoffnung auf Altmeisterin Angelique Kerber. Die dreimalige Grand Slam-Championesse hatte zuletzt in Rom erstmals wieder auf Augenhöhe mit den Szenestars gespielt, die knappe Niederlage gegen Frontfrau Iga Swiatek aus Polen war mehr als respektabel für die Tennismutter auf Comebackmission. „Ich bin auf einem guten Weg. Auch wenn noch Raum für Steigerung besteht“, sagte Kerber, die am Dienstag gegen die Niederländerin Arantxa Rus anzutreten hat.
Paris allerdings spielte in Kerbers Karriere nie eine bedeutende Rolle, mit keinem der vier Majors fremdelte die Kielerin so wie mit den Rutschübungen unterm Eiffelturm. Acht Erstrunden-Niederlagen, zweimal Viertelfinale als Topresultat – kein Vergleich etwa zu Wimbledon, wo Kerber 2018 ihre Karriere als Rasenkönigin krönte. „Ich gehe ohne Riesenerwartungen ins Turnier“, so Kerber, „und bin gespannt, wie es läuft.“