Blankenhain. Der DFB-Chef hat in den vergangenen Monaten gepunktet, doch es bleiben gemischte Gefühle. Die EM könnte nun Rückenwind geben.
Der Chefdiplomat des deutschen Fußballs trägt am Montagmittag ein dunkelgrau-kariertes Sakko. Die Brille sitzt Bernd Neuendorf häufiger auf dem Kopf, was in gewisser Weise sein Markenzeichen geworden ist. Für eine schnelle Notiz klemmt der Kugelschreiber zwischen Zeige- und Mittelfinger.
Und aus seiner Rolle kommt der 62-Jährige auch im Veranstaltungssaal von Schloss Blankenhain, wo sonst auch mal der Stadtrat tagt, nur schwer . Als es um die Zielsetzung für die anstehende Europameisterschaft ging, da versicherte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dass man natürlich „das Maximale“ aus dem Turnier herausholen wolle, schränkte aber gleich ein: „Wir wissen, wo wir herkommen. Wir haben drei Turniere gespielt, die nicht sonderlich erfolgreich waren.“
DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist als Vermittler gestartet
Als Vermittler, so ist Bernd Neuendorf vor etwas mehr als zwei Jahren auch ins Amt des DFB-Chefs gerutscht. Der deutsche Fußball war zerstritten, spaltete sich zwischen Profilager und Amateuren. Die Steuerfahndung ging beim Verband ein und aus, Skandale und Skandälchen beschäftigten ihn.
Inzwischen ist Ruhe eingekehrt, woran Neuendorf maßgeblich beteiligt war. „Wichtig ist, dass wir eine gewisse Stabilität erreichen“, bekräftigte Neuendorf. „Wir haben sie im Sportlichen erreicht, brauchen sie aber auch dringend im Verband. Deswegen glaube ich, dass die Entscheidungen der vergangenen Monate essenziell für uns waren.“
Da verkündete der DFB die Vertragsverlängerungen mit Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) und Sportdirektor Rudi Völler (64) sowie den Wechsel von Ausrüster Adidas zu Nike, der dem Verband ab 2026 eine dreistellige Millionen-Summe einbringt. Zuvor holte Neuendorf in Person von Geschäftsführer Andreas Rettig (61) einen der schärfsten DFB-Kritiker ins Boot. Dass Neuendorf bei der Debatte um die Kinderfußball-Reform Quertreiber aus dem eigenen Haus auskonterte, stärkte seine Position,
DFB-Präsident Bernd Neuendorf warb für die WM in Deutschland
„Es ist wichtig, dass sich die Nebengeräusche in Grenzen halten und wir den Fokus auf das Sportliche richten können hier im eigenen Land“, so Neuendorf. „Ich lege wert auf eine gewisse Art der Führung, eine gewisse Form von Zusammenarbeit. Ich glaube, das ist uns über die Strecke gut gelungen. Wenn man so einen Zusammenhalt schafft, kann man Großes erreichen.“ Viele Erfolge, zweifellos. Doch es bleiben auch gemischte Gefühle.
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In der Regenbogen-Frage rund um die Katar-WM ließ sich Neuendorf vom Weltverband Fifa im heißen Wüstensand aufs Glatteis führen. Das krachende Vorrunden-Aus der Frauen bei der WM verpasste Neuendorf, da er erst später nach Australien und Neuseeland reisen wollte. Und dann war da noch die Posse um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, deren Vertrag Neuendorf noch kurz vor dem Turnier verlängert hatte. Dass der DFB im Rennen um die WM-Ausrichtung 2027 leer ausging, ist ebenfalls ein Rückschlag gewesen.
Im kommenden Jahr wird wieder gewählt. Ein natürlicher Gegenkandidat ist derzeit nicht in Sicht, doch um noch gefestigter und mit Rückenwind in eine mögliche zweite Amtszeit zu starten, wäre eine erfolgreiche EM förderlich. „Ich habe bis jetzt nicht den Eindruck, dass ich an mangelndem Zuspruch leide, weder aus den Landesverbänden noch aus der Liga“, betonte Neuendorf. „Ich bin sehr entspannt, blicke voll fokussiert auf die EM und freue mich darauf.“