München. Kommt Vincent Kompany als Trainer zum FC Bayern München? Der Belgier hat von Pep Guardiola viel gelernt - ist aber weit mehr als nur eine Kopie.
Als die Nachricht erstmals aufkam, dass der FC Bayern auf der von Absagen geprägten Suche nach einem Nachfolger für Thomas Tuchel Interesse an Vincent Kompany zeigt, fielen die Reaktionen nicht gerade euphorisch aus. Weite Teile der Fans und Medien reagierten eher skeptisch, ob der 38-Jährige der Aufgabe in München gewachsen wäre. Die Zweifel lagen und liegen auch daran, dass der frühere Innenverteidiger des Hamburger SV mit dem FC Burnley gerade aus der englischen Premier League abgestiegen ist, nachdem er mit dem Klub in der vergangenen Saison als Meister der zweiten Liga aufgestiegen war. Doch wie immer lohnt ein genauerer Blick.
Inzwischen hat sich das Interesse der Bayern an Kompany sehr weit konkretisiert, zumal es auf Gegenseitigkeit beruht. Bereits am Mittwochabend vermeldeten mehrere Quellen in Deutschland und England, dass sich die Münchner mit dem Belgier mündlich einig seien. Sicher ist die Verpflichtung aber noch nicht. Allein schon, weil Kompanys Vertrag bei Burnley bis 2028 läuft und sein Arbeitgeber die Freigabe erteilen müsste gegen eine Ablöse, über die bereits verhandelt werden soll.
FC Bayern München und die Trainersuche: Vor Kompany herrschte viel Chaos
Zudem hat die Trainersuche der Bayern gelehrt, dass ständig etwas dazwischen kommen kann: Ob nun Vorbehalte in der offiziellen oder inoffiziellen Münchner Vereinsführung mit den Aufsichtsräten Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Oder die Zweifel bei einem Kandidaten wie bei Ralf Rangnick. Oder zwischendurch ein Podiumsgespräch des Ehrenpräsidenten Hoeneß. Doch nach allem, was zu vernehmen ist, scheint der FC Bayern nun auf einem guten Weg zu sein, Kompany zu gewinnen. Bekommen würden die Münchner einen jungen Trainer, der neben Englisch auch Deutsch und Französisch spricht und viel von Pep Guardiola gelernt hat.
Nach seinen zwei Jahren beim HSV spielte Kompany von 2008 bis 2019 für Manchester City. Acht seiner elf Jahre war Kompany dort Kapitän. In Belgiens Nationalteam trug er in sieben seiner 15 Jahre die Armbinde. Die letzten drei Jahre in Manchester wurde er von Guardiola trainiert, der 2016 vom FC Bayern zu City gewechselt war. Für Kompany waren die drei Saisons unter dem Katalanen eine ganz wichtige Schule und sogar der entscheidende Impuls für seine zweite Karriere als Trainer.
Denn als Guardiola in Manchester anfing, litt Kompany unter einer langwierigen Leistenverletzung und machte sich gerade Gedanken über seine Zukunft. „Als Pep im ersten Testspiel gegen Thomas Tuchels Borussia Dortmund das Team wie auf ein Champions-League-Match vorbereitete, stand für mich fest, eines Tages auch Trainer werden zu wollen“, sagte Kompany vor gut einem Jahr der Süddeutschen Zeitung. Guardiola habe ihn „sehr beeinflusst, weil er derjenige war, der das Spiel so heruntergebrochen hat, dass ich es vollumfänglich verstand. Mit seiner absoluten Klarheit war er der Auslöser, dass wiederum ich den Fußball auf meine Art erklären kann.“
Bayern-Kandidat Vincent Kompany: Pep Guardiola als Schlüsseltrainer
Für Kompany war Guardiola auch deshalb ein Schlüsseltrainer, weil er eben nicht nur Vorgaben machte. „Durch seine Erläuterungen wurde mir in vielen Dingen bewusst, warum ich sie mache. Bis dahin war ich es eher gewohnt, einfach zu tun, wozu ich angehalten wurde“, sagte Kompany, „daher ist mein Coaching-Leitprinzip, meinen Spielern jederzeit vermitteln zu können, warum ich dies oder jenes von ihnen einfordere.“ Übernommen hat er von Guardiola auch viele Inhalte, darunter den Ballbesitzstil und die Bedeutung des Positionsspiels. Gelernt hat Kompany von ihm zudem, das Spiel in seiner Gesamtheit zu betrachten und dabei mehrere Züge vorauszudenken wie beim Schach. Bringe man den Spielern die „Feinheiten bei, werden sie besser“, findet Kompany. Wichtig sei zudem, dass sich alle „wertgeschätzt fühlen“, um die Stärken aller zu bündeln.
Doch es wäre wohl falsch, Kompany darauf zu reduzieren, die junge Kopie Guardiolas zu sein. Kompany sieht sich mehr als sein Lehrmeister als Pragmatiker. Er sei nicht auf Ballbesitz fokussiert, sondern „mehr aufs Toreschießen“, sagte Kompany, „egal wie, das können auch Kontertore sein, wenn ein Gegner am Ball besser ist als wir.“
Erprobt als Coach hat er sich direkt nach seiner Zeit unter Guardiola von 2019 an beim RSC Anderlecht, zunächst als Spielertrainer, ehe er bei seinem Heimat-, Jugend- und ersten Profiverein von 2020 bis 2022 nur noch als Coach fungierte. Danach wechselte er zu Burnley. Dass es mit dem Aufsteiger nun direkt wieder runterging, ist übrigens wohl weniger auf Kompanys Trainerqualitäten zurückzuführen, sondern eher auf ein wirtschaftliches und systemisches Problem im englischen Fußball. Alle drei Aufsteiger verabschiedeten sich sofort und ziemlich chancenlos wieder aus der Premier League, neben Burnley auch Luton Town und Sheffield United.
Guardiola hat sich längst angetan gezeigt von der Trainerarbeit seines ehemaligen Schülers. „Ich mag, was er tut“, sagte Guardiola und prophezeite Kompany gar, auch einmal City zu trainieren. Nun könnte er zunächst den Weg zum FC Bayern einschlagen. Wie einst auch Guardiola.