München. Nach Ralf Rangnicks Absage stehen die Münchener bei ihrer Trainersuche in der öffentlichen Wahrnehmung dumm und blamiert da.

Als sich am Donnerstagvormittag die Kunde verbreitete, dass Ralf Rangnick im Sommer nicht Trainer des FC Bayern wird, war die Überraschung zunächst groß. Hatten die Münchener Verantwortlichen von Sportvorstand Max Eberl bis hin zu Präsident Herbert Hainer doch noch am Dienstagabend nach dem 2:2 gegen Real Madrid im Halbfinal-Hinspiel der Champions League sehr viel Optimismus verbreitet und suggeriert, dass es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die Zusammenarbeit mit Rangnick verkündet werden könne. Hainer sprach davon, dass man sich mit dem 65 Jahre alten Kandidaten „in sehr guten Gesprächen“ befinde. Eberl ließ wissen: „Gut Ding will Weile haben, aber irgendwann kommt es zu einem guten Ende.“

Keine 24 Stunden später rief Rangnick die Münchener am Mittwochabend an und teilte ihnen mit, ihr Angebot nicht anzunehmen und auch nach der EM 2024 Trainer von Österreichs Nationalmannschaft zu bleiben. Sein Vertrag beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) läuft bis einschließlich der WM 2026. Er sei „mit vollem Herzen österreichischer Teamchef“ und wolle „ausdrücklich betonen, dass das keine Absage an den FC Bayern ist, sondern eine Entscheidung für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele“, sagte Rangnick laut ÖFB-Kommuniqué.

FC Bayern hatte roten Teppich öffentlich ausgerollt

Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß.
Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß. © dpa | ULRICH GAMEL

In München bleibt ihnen allerdings gar nichts anderes übrig, als Rangnicks Entscheidung als Absage zu verstehen. Das liegt daran, dass die Gespräche mit ihm schon eine Weile andauerten und längst über Grundsätzliches hinausgegangen waren. Vor allem aber hatten die Münchener Rangnick den roten Teppich sehr öffentlich ausgerollt und sich erstaunlich entblößt, indem sie streuten, ihm weitreichenden Einfluss beim FC Bayern einzuräumen. Rangnick, hieß es bereits am 24. April, müsse nur noch Ja sagen. Doch das Ja kam und kam nicht, und es kam womöglich erst recht nicht, nachdem Ehrenpräsident Uli Hoeneß am vergangenen Freitag verdeutlicht hatte, dass beim FC Bayern weiterhin alles unter seinem Vorbehalt steht. Bei einem Podiumsgespräch hatte Hoeneß den aktuellen Trainer Thomas Tuchel attackiert und den Kandidaten Rangnick gleich mit diskreditiert, indem er unter anderem zu verstehen gab, dass dieser die dritte Wahl nach Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso und Bundestrainer Julian Nagelsmann sei. Beide hatten den Bayern zuvor mitgeteilt, nicht für Tuchels Nachfolge zur Verfügung zu stehen.

Und jetzt? Steht der FC Bayern in der öffentlichen Wahrnehmung ziemlich dumm und blamiert da. Bis Ende April, hatte Eberl betont, wolle man die Trainersuche möglichst beendet haben. Nun fangen sie Anfang Mai gefühlt wieder bei Null an, wenngleich die ursprüngliche Kandidatenliste mehr Namen umfasste als nur die von Alonso, Nagelsmann und Rangnick. Auf jeden Fall wird das Casting für die Bayern immer komplizierter. Nicht nur, dass kaum Spitzentrainer auf dem Markt sind. Die Suche wird auch deshalb immer schwieriger, weil jeder weitere Anwärter weiß, dass er bestenfalls Kandidat Nummer vier ist, also ziemlich weit weg von einer ersten Wahl.

FC Bayern - das ist die restliche Kandidatenliste

Hinzu kommt, dass auch schon andere beim FC Bayern diskutierte Kandidaten sich gewissermaßen selbst von der Liste genommen haben. Wie Aston Villas Trainer Unai Emery, der seinen Vertrag bei seinem aktuellen Arbeitgeber jüngst vorzeitig bis 2027 verlängert hatte. Auch Roberto de Zerbi von Brighton & Hove Albion galt zwischenzeitlich als möglicher Kandidat, allerdings gab es dem Vernehmen nach beim FC Bayern Vorbehalte. Zudem hatte der Italiener bekundet, bei seinem Premier-League-Verein bleiben zu wollen. Auch Roger Schmidt (Benfica Lissabon) ließ durchblicken, eher kein Interesse zu haben. Gegen den vereinslosen Zinedine Zidane spricht, dass er Eberls Mindestanforderungen nicht erfüllt, wonach ein Trainer ohne Deutschkenntnisse wenigstens vernünftig Englisch sprechen sollte. Zumindest medial auch genannt worden war in der nicht enden wollenden Trainersuche des FC Bayern auch der derzeit vereinslose Hansi Flick, der vor Nagelsmann und Tuchel in München im Amt gewesen war und 2020 alle sechs zur Verfügung stehenden Titel gewonnen hatte. Doch wirklich realistisch erschien eine Rückholaktion bisher nicht. Dass Tuchel doch weitermacht, ist nach dem jüngsten Zoff mit Hoeneß erst recht kaum vorstellbar.

Erschwerend kommt hinzu: Auf Rangnick hatten sich dem Vernehmen nach ausnahmsweise mal alle in der Vereinsführung verständigen können. Also auch die beiden mächtigen Aufsichtsräte Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die nicht selten unterschiedliche Auffassungen vertreten. So soll sich Rummenigge zuletzt gegen die angedachte Rückholaktion des Tuchel-Vorgängers Nagelsmann ausgesprochen haben. Mit Erstaunen war öffentlich auch registriert worden, dass der FC Bayern offenbar keine klare Strategie bei der Trainersuche verfolgt. Zunächst war der Ballbesitz-Trainer Alonso der Topkandidat, zuletzt sollte es der Gegen-den-Ball-Trainer Rangnick werden. Herausgekommen ist zumindest bisher: der Ohne-Tuchel-Nachfolger-Verein FC Bayern.