Lillehammer. Pius Paschke versetzt die Skisprungwelt mit dem zweiten Weltcupsieg in Staunen. Dabei dürfte es eine Karriere wie seine eigentlich nicht geben.
Auch die infernalischen Bierpreise Norwegens hielten die DSV-Adler nicht davon ab, spätabends im Teamhotel auf ihren Retter Pius Paschke anzustoßen und den ältesten Gelb-Träger der Skisprung-Geschichte hochleben zu lassen. Keiner aus der Promi-Riege, kein Geiger oder Wellinger, sondern der stille Routinier hatte das strauchelnde deutsche Team mit seinem Überraschungssieg beim Auftakt in Lillehammer aus der Schusslinie bugsiert - der Spätstarter könnte im WM-Winter zum Führungsflieger werden.
„Das war megageil, ein perfekter Start. Ich lerne jedes Jahr dazu. Aber dass es jetzt schon aufgeht, ist richtig cool“, sagte der 34-Jährige. Und weil Paschke gar nicht mal so gerne im Mittelpunkt steht, war er auch nicht böse, dass sich die muntere Runde nach nur einem Zehn-Euro-Bierchen bereits auflöste - die Nachricht von der wetterbedingten Vorverlegung des Sonntagsprogramms war in die Lobeshymnen geplatzt.
Skispringen: Paschke als der „Kasai von Kiefersfelden“
Gut ausgeschlafen flog Paschke dann zum Abschluss auf Platz zwei hinter dem Österreicher Jan Hörl - die Weltcup-Führung behauptete er damit. „Ich freue mich mächtig für Pius, er hat einen ganz starken Job gemacht“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Vor allem der zweite Weltcupsieg am Samstag zählt für Paschke, der in seiner Karriere schon mehrmals abgeschrieben war, als später Lohn für jahrelange Arbeit und Geduld.
Im Vorjahr war Paschke endlich „Pius, der Erste“, wurde in Engelberg zum ältesten Debütsieger des Skisprungweltcups. „Pius, der Zweite“, der Sieger von Lillehammer, ist nun der älteste Springer, der jemals den Gesamtweltcup anführte. Und nur drei ältere Flieger gewannen jemals ein Springen: Die Japan-Dinos Noriaki Kasai (42) und Takanobu Okabe (38) sowie der Slowene Robert Kranjec (34).
Dass Paschke, der „Kasai von Kiefersfelden“, als Mittdreißiger überhaupt noch springt, ist alles andere als selbstverständlich - eine Karriere wie die seinige im Leistungssport Skispringen nicht vorgesehen.
Skispringen: Mit 21 war Paschke noch Vorspringer
Mit fast 21 Jahren gab Paschke noch den Vorspringer im Weltcup. Daneben war seine Heimat der Continental Cup, die zweite Skisprung-Liga, in der er weit über 200 Springen bestritt. Mal schnupperte Paschke in den Weltcup hinein, zumeist tingelte er durch die COC-Geisterspringen, ohne große Perspektive.
„Manchmal habe ich schon gedacht, puh, bis zum Weltcup, das ist ein weiter Weg“, sagte er einmal im Podcast Flugshow: „Ich habe nie zwingend daran gedacht aufzuhören. Aber ich habe befürchtet, dass ich irgendwann zu alt bin und mich das System ausspuckt.“
Das System spuckte nicht, 2017 holte der damalige Bundestrainer Werner Schuster den 27-Jährigen fix ins A-Team. Paschke biss sich fest, Erfolge tröpfelten ein: 2020 Team-Vizeweltmeister im Skifliegen, 2021 Team-Weltmeister, 2023 in Kuusamo erstes Weltcup-Podium, kurz darauf in Engelberg erster Sieg, nun die Wiederholung.
Und es gibt niemanden, der Paschke das nicht von Herzen gönnt. „Der Pius ist einfach ein geiler Typ“, sagt Olympiasieger Andreas Wellinger. Und Horngacher ist davon beeindruckt, „welcher Fighter Pius ist, wie er immer zurückgekommen ist“.
Und jetzt muss Paschke nicht mehr zurückkommen. Er muss einfach nur bleiben.