Essen. IOC-Präsident Thomas Bach sieht sich russischen Verbalattacken ausgesetzt. Auch seine Worte vor Olympia in Paris deutlich geworden.
Leichtigkeit hat es bei Thomas Bach schwer. Der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat die Probleme der Welt auf seinem Tisch liegen wie andere eine Schreibunterlage. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Krieg zwischen Israel und Palästina, Terrorsorgen in Paris. Manchmal aber, da gelingt es sogar Thomas Bach zu schmunzeln. Wenn er in einer internationalen Medienrunde einem kritischen Journalisten etwa erwidert: „Ich muss Sie leider enttäuschen: Ich bin ganz Ihrer Meinung.“ Oder wenn er ins Schwärmen gerät über das Leben im Olympischen Dorf. „Ja, dort finden eine Menge Partys statt.“
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1976 nahm der heute 70-Jährige als Fechter an den Sommerspielen Teil, er gewann in Montreal mit der Mannschaft die Goldmedaille. Anders als heute konnte er sich damals ausschließlich auf Sport und Party konzentrieren. Im Hier und Jetzt muss er mit dem IOC einen Weg durch die Krisen der Welt finden. Er kann sie nicht lösen, ignorieren kann er sie aber auch nicht. Es ist ein Jonglieren mit brennenden Kegeln. Gelegentlich schlagen die Flammen aus. Wie in dieser Woche.
Keine russischen Sportler bei Olympia-Eröffnungsfeier
Das IOC-Exekutivkomitee hatte auf einer zweitägigen Konferenz beschlossen, dass russische Athletinnen und Athleten im Sommer bei den Olympischen Spielen in Paris an der Eröffnungsfeier auf der Seine nicht teilnehmen dürfen. Es war wohl der Tropfen, der bei der russischen Regierung letzte Dämme des Anstands, so sie noch rudimentär vorhanden waren, brechen ließen. „Die Aggressivität der russischen Regierung wächst von Tag zu Tag, gegen das Komitee, gegen die Spiele, gegen mich“, sagte Bach jüngst in einer ausgewählten Medienrunde, an der auch diese Redaktion teilnahm. Es waren Attacken auf sein Lebenswerk. Nun sah er sich nach Aussagen von IOC-Sprecher Mark Adams Beleidigungen mit Nazi-Analogien ausgesetzt. „Es gab eine Reaktion, die sich auf den Präsidenten, seine Nationalität und den Holocaust bezog“, sagte Adams.
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Zuvor hatte das IOCbereits entschieden, russische Einzelsportler nur unter Auflagen als neutrale Athleten eine Teilnahme zu ermöglichen. Mannschaften und Militärmitglieder sind komplett ausgeschlossen. Verboten sind auch staatliche Symbole wie Hymne und Flagge, es muss eine klare Distanzierung zum Angriffskrieg und ein Bekenntnis zur Olympischen Charta vorliegen. Außerdem nannte das IOC-Exekutivkomitee das Vorhaben Russlands, im September „Freundschaftsspiele“ als Konkurrenzveranstaltung auszurichten, „einen zynischen Versuch, den Sport zu politisieren“. Worte, die verdutzen, versucht der Fünf-Ringe-Orden doch selbst häufig genug, eine heile Welt vorzuspielen und mit fragwürdigen politischen Bünden die eigenen Interessen voranzutreiben.
IOC-Präsident Bach fehlen harte Worte gegenüber Russland
Das Verhältnis zwischen dem IOC und Russland ist komplett zerrüttet. Unendlich weit weg scheinen die Bilder von Thomas Bachbeim freundschaftlichen Handschlag mit Präsident Wladimir Putin 2014 bei den Winterspielen in Sotschi, als das IOC Russland den Roten Teppich zur Sportwelt ausrollte. Oder Bachs Hängepartien beim Finden einer klaren Linie im Umgang mit dem Staatsdoping-Skandal, der Krim-Annexion. Mittlerweile wählt der gebürtige Würzburger harte Worte in der Beurteilung von Russlands Handeln. Es sei bemerkenswert, dass die aktuellen Aggressionen von jener Regierung kämen, „die hinter der skandalösen Manipulation des Anti-Doping-Systems vor, während und nach Sotschi“ steckte, sagte Bach. Russland ignoriere den Fakt, „dass sie uns durch die Invasion in der Ukraine und der Annexion von Teilen der Ukraine zum Handeln gezwungen haben“. Bach spricht von einer „eklatanten Verletzung der Olympischen Charta“.
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In rund vier Monaten vor der Eröffnung der Spiele in Paris prägt der Machtkampf mit Russland die Diskussion.
Auf der anderen Seite sieht Thomas Bach aber auch die Athletinnen und Athleten aus der Ukraine. Ihre Situation ist schwierig, zu wissen, sie können eventuell im Wettkampf auf neutrale Athleten treffen, die aber durch und durch Russen sind. Jedoch: „Wir sehen, dass die ukrainischen Athleten auch unter diesen Umständen an den Qualifikationen teilnehmen und die Regeln respektieren“, sagte Bach. „Ich denke, dass jeder realisiert, welche Möglichkeit sich für die Ukraine und ihre Athleten ergibt: die Welt durch ihre Teilnahme mit einem starken Team bei den Olympischen und Paralympischen Spielen auf ihre Situation und ihrer Widerstandsfähigkeit aufmerksam zu machen.“
Olympia zwischen Nahost-Konflikt und Sicherheitsfragen
Das wiederum sind Worte, wie man sie von dem äußerlich so nüchtern wirkenden Thomas Bach kennt: groß, pathetisch, emotional. Der olympische Geist sprudelt aus ihm heraus. Statt über komplizierte Fragen nach Haltung und politisch korrektem Handeln philosophiert er viel lieber über die Strahlkraft der Spiele von Paris. „Die Menschen sind mit so viel Hass, Aggression und Gewalt konfrontiert, sie sehnen sich nach einem Zeichen der Hoffnung, etwas Freude, etwas, das sie zusammenbringt, was sie teilen können. Die Welt wird in Paris in Frieden zusammenkommen.“ Selbst die größten internationalen Profisportler wie Fußballstar Kylian Mbappé oder die US-Basketballer der NBA würden sich auf dieses einzigartige Erlebnis freuen.
Das sind die Geschichten, die Thomas Bach erzählen will. Doch die Fragen, die drängen, sind auch jene nach dem Umgang mit der Eskalation im Nahost-Konflikt, der Sicherheit in Paris, der Möglichkeit von afghanischen und iranischen Frauen in Unterdrückerstaaten ihren Sport auszuüben und sich für die Spiele qualifizieren zu können. Thomas Bach ist in allen Themen firm, man beobachte die Situation, sei in Gesprächen. Nur beim Thema Sicherheit, vor allem der Israelis, ist er klar: „Seit dem abscheulichen Anschlag auf das israelische Team in München gab es immer besondere Maßnahmen, mit denen sich die Athleten und Offiziellen wohlgefühlt haben.“ Und genauso werde es auch im Sommer sein. Der Weg nach Paris, er ist noch weit.