Sakhir. Am Samstag startet die neue Meisterschaftssaison der Formel 1. Beim Team Red Bull überschattet die Horner-Affäre die Vorbereitungen.
Konflikten aus dem Weg zu gehen, das kann man Christian Horner wirklich nicht vorwerfen. Der dienstälteste Teamchef der Formel 1 und mehrfache Weltmeister-Macher sitzt auch im Fahrerlager am Bahrain International Circuit, wo am Samstag (16 Uhr/Sky) mit dem ersten Rennen die Meisterschaftssaison startet, meistens auf der Terrasse vor dem Pavillon von Red Bull Racing. Der Brite spricht, lacht, isst, und nahezu jede Bewegung wird vom Surren und Klicken von Kameras begleitet. Es scheint ihm wenig auszumachen, dass er die gerade umstrittenste Figur der Königsklasse ist. Dieser Schein kann aber auch trügen. Nur eins ist klar: Die Affäre Horner ist längst eine Affäre der Formel 1 geworden.
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Die Erleichterung des Chefs von Max Verstappen, in letzter Minute vor dem Saisonstart vom Mutterkonzern Red Bull wegen „unangemessenen Verhaltens“ gegenüber einer Mitarbeiterin entlastet worden zu sein, hielt daher keine 24 Stunden an. Horner hat immer seine Unschuld betont. Dann erhielten 149 Adressaten im Fahrerlager, vom Präsidenten des Automobilverbandes FIA bis zum Autor dieser Zeilen, eine anonyme Mail mit angeblich belastendem Material.
Weder die Vollständigkeit, der Kontext, die Zeitpunkte noch die Authentizität ließen sich verifizieren, geschweige denn, ob die 170 MB Daten überhaupt eine Rolle bei den Ermittlungen einer unabhängigen Anwaltskanzlei spielten. Denn: niemand kennt überhaupt die Vorwürfe, Red Bull beruft sich dabei auf Persönlichkeitsrechte. Wenig später drohten Horners Anwälte massiv mit Klage, sollte aus dieser Mail zitiert werden. Die ganze Angelegenheit mutet an, wie das jüngste Stück von Ferdinand von Schirach: „Sie sagt. Er sagt.“
Anonyme E-Mail: Wer aus dem inneren Zirkel der Formel 1 leakt Informationen?
Plötzlich ist zur Nebensache geworden, wie sich Max Verstappen nach seinem Fehlstart im Auftakttraining im Qualifying schlägt. Die Frage, wer da Details leakt, führt automatisch zum „Warum?“ Klar ist nur, dass es jemand aus dem inneren Zirkel der Formel 1 sein dürfte, selbst wenn dieser nur instrumentalisiert worden ist. Dass es sich um einen Insider von Red Bull handelt, liegt ebenso nahe.
Im 20. Jahr der Formel-1-Zugehörigkeit implodiert offenbar viel. Gerüchte von Unstimmigkeiten im Champion-Team machen trotz allem Über-Erfolgs im letzten Jahr die Runde. Es scheint vor allem um die Machtfrage zwischen den Oberen in Österreich und Horner als Statthalter in England zu gehen. Die Red-Bull-Besitzerfamilie aus Thailand soll dabei auf der Seite des Teamchefs stehen, wie schon bei der geplanten Übernahme des Teams im Herbst 2022 durch Porsche. Einen so erfolgreichen Teamchef wie Horner zu verlieren, das erschien wohl als zu großes Risiko.
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Der- oder diejenigen, die Horner jetzt schaden wollen, können von den unterschiedlichsten Interessen getrieben sein. In jedem Fall können diese zerstörerisch sein, bis hin zu ganzen Existenzen. Längst haben die Interna schon einen erheblichen Imageschaden in der Formel 1 angerichtet. Der gesamte Saisonauftakt wird von Spekulationen überlagert, wie der Rechteinhaber Liberty Media reagiert, der an die strengen Grundsätze eines börsennotierten US-Konzerns gebunden ist, bleibt offen. Es ist der erste Crash-Test zwischen dem durchaus auch wegen des Jahrzehntealten, klischeeartigen Gemischs von Geld, Sex und Motoren so populären Top-Motorsports und sich weltweit mehr und mehr durchsetzenden Compliance-Regeln. Eine moralische und juristische Zwickmühle, in der es auch um den Schutz von Privatsphären geht.
Verhaltens- und Ethikkodex in der Formel 1
Dem Automobilverband FIA und seinem Regenten Mohammed bin Sulayem muss der Ethikkodex auch in diesem Fall am Herzen liegen, es sei denn, die Angelegenheit ist als firmenintern zu betrachten. Sponsoren und Motorenhersteller, wie der künftige Red-Bull-Partner Ford, gucken genau hin. Es geht nicht nur um den Ruf Horners, sondern auch um den Leumund einer zeitgemäßen Sportart, die von den Werbemillionen der Wirtschaft abhängig ist.
Das ist die große der Teamchefs von Mercedes und McLaren, bei der Auftaktpresserunde Stellung zur Causa Horner beziehen mussten – noch vor den anonymen Mails. Wolff, einer der ärgsten sportlichen und persönlichen Widersacher Horners gestand, nicht hinter den Vorhang blicken zu können. Abstrakt formuliert er: „Am Ende des Tages hat eine Dame in einer Organisation mit der Personalabteilung gesprochen und gesagt, dass es ein Problem gibt. Das wurde untersucht, dann hat der Sport die Nachricht erhalten, dass man es sich angesehen habe und alles in Ordnung ist. Ich glaube, dass wir als globaler Sport bei solch kritischen Themen mehr Transparenz brauchen, und ich frage mich: welche Position hat dieser Sport?“ Jeder könne seine eigene persönliche Meinung haben, aber es brauche eine allgemeine Reaktion der Formel 1, was in dieser Situation richtig ist und was falsch ist. Zak Brown von McLaren stört sich vor allem an den Spekulationen: „Das ist nicht gesund für den Sport.“
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Formel 1: Druck könnte durch weitere Interna noch größer werden
Aber natürlich, und das gibt Wolff zu, urteilen hier erbitterte Konkurrenten übereinander. Das wird auch nicht durch die Vokabel „undurchsichtig“ entlastet. Kein Konzern der Welt wird oder darf ohne Not Interna preisgeben, und eine offizielle Anzeige oder Ermittlungen von unabhängigen Strafbehörden gab es nicht. Der Druck auf alle Beteiligten ist ohnehin schon groß, er könnte sich durch weitere vermeintliche Enthüllungen noch erhöhen. Das Rennen um die Reputation ist noch längst nicht gelaufen.