Hamburg. Sportbusiness-Experte Marco Klewenhagen erwartet stagnierende TV-Einnahmen für die Bundesliga – und begrüßt den Investorenprozess.
Marco Klewenhagen hat nicht viel Zeit, aktuell bereitet der Hamburger die Spobis-Konferenz vor, das Branchentreffen für alle, die den Sport und vor allem den Fußball durch die wirtschaftliche Brille betrachten. Über 4000 Menschen werden am Mittwoch und Donnerstag in Hamburg zusammenkommen, um sich über alle Aspekte der Milliardenindustrie Sport auszutauschen, es geht um Merchandising, Ticketing, TV-Rechte und vieles mehr. „Nerdthemen“, wie es Klewenhagen selbst nennt, und für diese Nerdthemen ist der Spobis-Geschäftsführer einer der führenden Experten in Deutschland. Im Interview spricht er über zwei der wichtigsten Sportbusiness-Themen dieses Jahres: den Investorenprozess der Deutschen Fußball-Liga und die Medienrechte-Ausschreibung, bei der viele Experten erneut einen Rückgang der Einnahmen erwarten.
Droht dem deutschen Fußball ein ungemütliches Jahr 2024?
Ich glaube nicht, dass es ein ungemütliches Jahr wird, aber je nach den Ergebnissen der anstehenden Verhandlungen, könnte es für die Bundesliga künftig herausfordernder werden.
Was heißt das?
Nehmen wir die erneut anstehende Vermarktung der Medienrechte: Die Umsatzergebnisse werden zeitnah auf den Tisch kommen, aber deren Verwendung kommt erst ab der Saison 2025/26 zum Einsatz. Die Klubs haben also genug Zeit, sich darauf einzustellen.
Da klingt aber schon die Erwartung durch, dass die TV-Einnahmen nach Jahrzehnten des Wachstums erneut stagnieren oder gar rückläufig sind.
Das wäre zumindest nicht überraschend und liegt an dem sich verändernden Mediennutzungsverhalten, wodurch die Geschäftsmodelle sowohl im Free- als auch im Pay-TV nicht mehr so aufgehen – wenn sie überhaupt je aufgegangen sind. Zumindest gelang es in Deutschland bisher keinem Pay-TV-Anbieter durch Sportübertragungen, nachhaltig operative Gewinne zu erwirtschaften. Insbesondere auch Sky und DAZN nicht, den beiden Hauptpartnern der DFL.
Das ist aber kein rein deutsches Phänomen.
Nein. In Italien gingen die Einnahmen bei der jüngsten Medienrechte-Ausschreibung im Fußball zurück. In Frankreich musste die Ausschreibung nachgebessert werden, weil die erste deutlich daneben ging. Und in England hat die Premier League zwar eine Steigerung erfahren – aber nur, weil sie den Anbietern deutlich mehr Rechte eingeräumt hat. Offensichtlich stoßen die europäischen Top-Fußballligen in ihren TV-Heimatmärkten langsam an die Decken. Einerseits. Andererseits ist die Bundesliga das mit weitem Abstand stärkste und wertvollste Medienprodukt Deutschlands und viele Anbieter wollen oder können nur schwer auf sie verzichten. Es bleibt also spannend, welche Ergebnisse die DFL erzielen wird.
Weshalb die DFL die Sportschau opfern könnte
Geht es für mehr Pay-TV-Geld der Sportschau an den Kragen?
Die Bundesliga erzielt mit ihren Medienrechten derzeit durchschnittlich 1,1 Milliarden Euro pro Saison. Davon kommen über 80 Prozent aus dem Pay-TV. Die Liga muss sich selbstverständlich fragen, was sie tun kann, um ihre größten Geldgeber zufriedenzustellen. Und für deren Geschäftsmodelle ist Exklusivität ein entscheidender Faktor. Zeitnahe, frei empfangbare Spieltags-Zusammenfassungen, die parallel gegen Live-Spiele laufen, sind so ziemlich das Gegenteil davon. Das wichtige Gegenargument: Die Liga erreicht über Free-TV sehr viele Menschen.
Und das ist gut für Sponsoren.
Stimmt auch, aber für mich ist eine andere Frage wichtig: Bei ARD und ZDF sind die Zuschauer durchschnittlich über 65 Jahre alt. Ist das die Zielgruppe, die die Klubs, nicht nur für ihre Sponsoren, sondern auch für sich selbst, noch erreichen will? Müsste sich die Liga nicht viel mehr auf Online-Plattformen konzentrieren, über die sie ein deutlich jüngeres und zukunftsrelevanteres Publikum erreicht?
Von der Sportschau gibt es aber auch Geld.
Ja, für die Spielzusammenfassungen der Sportschau schätzungsweise 70 Millionen Euro pro Saison. Also rund sechs Prozent der Gesamteinnahmen. Aber klar, auch die müssen erst einmal kompensiert werden, in welcher Form auch immer.
Neue Regelung könnte der Bundesliga mehr Geld bringen
Zuletzt bestand das Kartellamt auf eine No-single-buyer-rule, die verhindern sollte, dass ein einziger Anbieter alle Rechte kauft. Die scheint nun zu fallen.
Das höre ich auch. Wenn es mit der nächsten Ausschreibung tatsächlich erlaubt ist, dass ein Pay-TV-Anbieter alle Live-Rechte erwerben darf, wäre das sicherlich der größte, potenzielle Preistreiber für entsprechende Rechtepakete.
Warum?
Wieder Exklusivität. Es dürfte zwar viel Geld kosten, alle Liverechte zu kaufen. Aber wenn danach nur noch ein Anbieter alle Live-Spiele hat, besteht für diesen die berechtigte Hoffnung deutlich mehr Kundenumsatz zu erzielen, als es bisher möglich ist. Dieser Rechtekäufer könnte direkte Konkurrenten aus dem Markt drängen und gleichzeitig hoffen, dessen Kunden an sich zu binden. Kunden, die bereit waren, mehrere Hundert Euro im Jahr für Livesport auszugeben. Für ein solches Szenario könnte ein Anbieter bereit sein, substanziell höhere Summen zu bezahlen.
Ganz ketzerisch gefragt: Muss es wirklich immer mehr Geld sein?
Kommt drauf an, was man will. Positionieren wir uns vorrangig als regionale, nationale Liga, und der Rest ist uns nicht so wichtig, oder wollen wir im europäischen Fußball an der Spitze konkurrenzfähig sein? Die Antwort darauf gibt die Konsequenzen vor.
Wie würden Sie die Frage beantworten?
Für mich heißt Profisport, sich mit den weltweit Besten messen zu wollen. Und Wettbewerbe, in denen viele der Besten spielen, generieren dann auch den größten Wert, wie die NBA, die Premier League oder die Champions League. Insofern finde ich das als Liga erstrebenswert und für Zuschauer am attraktivsten. Daher hat sich mir auch nie erschlossen, warum es ruhmreich sein sollte, die vermeintlich beste, zuschauer- oder umsatzstärkste 2. Profi-Liga der Welt zu haben. Aber ich respektiere natürlich das Fan-Dasein. Es gibt ja auch Blockbuster und Stadttheater. Beides hat sein Publikum.
Die Bundesliga will nun international wachsen, und holt sich dafür einen Partner, um dessen Geld und dessen Know-how zu nutzen. Der richtige Weg?
Im deutschen Markt kann die Bundesliga kaum noch wachsen. Im Ausland generiert sie vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit und ist nicht so verankert wie die Konkurrenz. Ich verstehe also, dass viele Clubs mit dem Status quo nicht zufrieden sind. Um auf hohem Niveau international konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Liga neue Märkte erobern.
Warum die NFL ein Vorbild für die DFL sein kann
Und dafür braucht es einen Investor?
Dafür braucht es Kapital, das den Klubs aus Eigenmitteln oder über Banken nicht zur Verfügung steht. Danach liegt es nahe, Partnerschaften mit Investoren zu prüfen. Ich mag nicht beurteilen, ob daraus jetzt der finanziell bestmögliche Deal entsteht. Ich halte aber die Strategie, im Ausland neue Märkte zu erschließen, für grundsätzlich richtig und wichtig. Nun will die Liga einen Weg gehen, der zwar Geld kostet, aber relativ risikoarm ist. Ein künftiger Investor wird ausschließlich an potenziellen Erlösen beteiligt und hält keine Geschäftsanteile. Vergleichbare Geschäftsmodelle haben nahezu alle Bundesligaclubs mit Agenturen, die Rechte für sie vermarkten.
Aber was macht man damit?
Das ist bisher tatsächlich nur vage formuliert: Es ist kaum bekannt, wie das Geschäftsmodell dahinter genau aussehen soll. Bisher hat die Liga lediglich allgemeingültig dargelegt, mit Produkten vertrieblich und medial im Ausland wachsen zu wollen.
Nur weil es dann einen eigenen Digitalkanal gibt, werden die Fans in Kenia und Kambodscha aber nicht in Scharen abonnieren, um dann Augsburg gegen Heidenheim zu gucken. Was nutzt der neue Vertriebsweg, wenn das Produkt nicht attraktiv ist?
Fairer Punkt. Ein Teufelskreis. Aber um Stars und Talente zu holen, muss ich mehr Umsätze generieren. Aber die Liga kann keine neuen Märkte erobern, wenn sie dort nicht präsent ist und sich gar nicht beziehen lässt. Afrika ist ein gutes Beispiel dafür. Der Kontinent ist bevölkerungsreich und fußballbegeistert. Es gibt ein Millionenpublikum. Mit eigenen Angeboten würde sich die Liga unabhängiger von der jeweiligen Medieninfrastruktur machen und sich Möglichkeiten eröffnen, potenzielle Fans zu erreichen und aufzubauen.
Kann da der US-Sport wieder ein Beispiel sein? Die NFL etwa hat Deutschland als Markt sehr strategisch erschlossen.
Gutes Beispiel. American Football hat bei uns keinerlei Wurzeln. Die NFL hat ihre Medienrechte anfangs für ganz kleines Geld ins deutsche Free-TV gegeben. Mit einem Medienpartner wurde über Jahre hinweg eine Community aufgebaut. Mittlerweile bekommt die Liga über RTL mehr Geld, aber vor allem wird sie noch mehr als vorher über die gesamte Mediengruppe promotet. Mittlerweile gibt es sogar NFL-Kindersendungen. Ich weiß, viele kritisieren diese Art der Entwicklungen, weil es ihnen zu kommerziell ist. Aber Profifußball ist kommerziell und dreht eine weltweit agierende milliardenschwere Industrie. Das heißt nicht, dass man alles gut finden, geschweige den mitmachen muss. Überhaupt nicht! Aber von Bundesligisten zu verlangen, sie mögen handeln, als ob sie auf einer autarken Fußballinsel leben, ist wenig lebensnah.