Berlin. Mit 34:25 gewinnen die deutschen Handballer das zweite Spiel der Heim-EM. Hauptrundenticket ist gelöst, nun geht es um den Gruppensieg.
Als Deutschlands Handballer nach dem Ertönen der Schlusssirene die Blicke durch die Mercedes-Benz-Arena schweifen ließen, war da nicht mehr diese riesige Verwunderung zu erkennen. Diese Ungläubigkeit, die nach dem EM-Eröffnungsspiel in Düsseldorf angesichts der Weltrekord-Kulisse von 53.586 Zuschauern noch stundenlang nachhallte. Nun, beim zweiten Vorrundenspiel in Berlin, waren 13.571 Fans anwesend. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch, die Fans feierten und applaudierten, und sie ließen die ausverkaufte Arena am Spreeufer in Berlin wirken, als wäre die vierfache Zuschauer-Zahl vor Ort. Es gab ja auch etwas zu feiern, den Erfolg des Gastgebers nämlich, der Nordmazedonien mit 34:25 (18:13) besiegte. Das Ticket für die Hauptrunde in Köln ab Donnerstag ist somit gelöst, jetzt geht es am Dienstag noch einmal in der Hauptstadt gegen Frankreich um den Gruppensieg und damit die bestmögliche Ausgangslage für den zweiten Turnierabschnitt.
Die Normalität hatte sie wieder, statt im riesigen Fußballstadion ging es nun in gewohnt-dimensionierten Gefilden auf Torejagd. Und in der Komfortzone stellte sich schnell der Wohlfühlfaktor ein. Nach dem ersten Tor von Kapitän Johannes Golla in Minute eins zog das deutsche Team schnell davon und leistete sich nur wenige Phasen der Unkonzentriertheit. Nach 15 Minuten stand es bereits 10:5.
Handball-EM 2024: Gislason stellt Team perfekt ein
Ein solcher Start war nicht selbstverständlich. Zwar wurde auch die Schweiz vor dem Auftaktspiel (27:14) stark geredet, doch historisch gesehen ist Nordmazedonien eine ganz andere Klasse. Das liegt vor allem an Kiril Lazarov, der einst als gefürchteter Torjäger von sich reden machte, als bester Werfer der WM-Geschichte, als erster Spieler mit über 1000 Europapokaltreffern. Doch seit der 43-Jährige nicht mehr selbst aus dem Rückraum Gefahr ausstrahlt und zahlreiche Veteranen mit ihm in Ruhestand gingen, ist die junge Mannschaft nur noch mäßig erfolgreich. Trotz Nationaltrainer Lazarov. Taktisch variabel zeigte sie sich dennoch auch gegen Deutschland, wechselte ständig die Abwehrsysteme.
Doch Bundestrainer Alfred Gislason hatte sein Team am Sonntagabend bestens eingestellt. Auch ohne den frischgebackenen Vater Kai Häfner ging es konzentriert zu in der Abwehr und geschwind nach vorne. Rechtsaußen Lukas Mertens vollendete immer wieder Tempogegenstöße, Spielmacher Juri Knorr (am Ende mit zehn Treffern bester Werfer) und Kreisläufer Golla sorgen ebenso für Zählbartes. Und eingeleitet wurden die Gegenstöße meist durch Paraden von Torhüter Andraes Wolff.
Handball-EM 2024: Pfiffe für Bundeskanzler Scholz
Nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Düsseldorf dabei waren, weilte nun in Berlin der bekennende Handballfan Olaf Scholz (SPD) unter den 13.571 Zuschauern. Als der Bundeskanzler in der 15. Minute vom Hallensprecher begrüßt wurde, gab es allerdings ein lautes Pfeifkonzert.
Die Spieler durften sich dagegen über lauten Jubel freuen. Schon früh ließ Gislason die vermeintliche zweite Garde aufs Feld. Nils Lichtlein, Spielmacher der Füchse Berlin, erzielte auch sogleich sein erstes Turniertor. David Späth ersetzte Andreas Wolff im Tor, Kreisläufer Justus Fischer durfte in der zweiten Halbzeit ran. Gemeinsam mit Rückraum-Ass Renars Uscins, bei beiden bisherigen Spielen in der Starformation, sind nun alle U21-Weltmeister des vergangenen Sommers nun auch offiziell EM-Spieler der Herren-Nationalmannschaft.
Doch nicht bloß die Atmosphäre in Berlin begeisterte, das Turnier bricht auch beim Ticketing alle Rekorde. Dem Weltrekord-Spiel in Düsseldorf folgten deutlich fünfstellige Zuschauerzahlen in den anderen Hallen in München und Mannheim. Die Auslastung der Vorrundenspielorte betrug bis Sonntagvormittag 95,3 Prozent. Mit bislang mehr als 340.000 Zuschauern in den Hallen und Arenen steuert der europäische Dachverband EHF mit dem DHB geradewegs auf die Millionenmarke zu - auch das ein Bestwert für den Handballsport und sein Kontinentalturnier, das seit 1994 ausgespielt wird.
Am Dienstag spielt das deutsche Team noch einmal in Berlin, am Mittwoch geht es dann nach Köln. Doch das morgige Spiel gegen die Franzosen zum Vorrundenabschluss (20.30 Uhr/ARD und Dyn) wird das schwerste der ersten Turnierphase. Zumal der Olympiasieger gegen die Schweiz am Sonntag nur remis spielte (26:26) und enorm unter Druck steht. „Da müssen wir eines unserer besten Spiele der letzten Jahre machen, um die Punkte mitzunehmen“, sagte Gislason. „Wir träumen alle davon, weit zu kommen. Wir sollten aber von Spiel zu Spiel denken.“