Flensburg. Die deutschen Handballer haben das erste von zwei EM-Testpielen gegen Portugal gewonnen. Beim 34:33 überzeugten auch die Neulinge.
Die Hölle war noch mit einem leichten Schneefilm bedeckt, als es für Deutschlands Handballer ernst wurde. Vier Tage hatten sie im Trainingslager im beschaulichen Brunsbüttel hoch im Norden Deutschlands verbracht, als es am Donnerstag zum ersten von zwei Testspielen gegen Portugal kam. In der Flensburger Campushalle, von den Fans des heimischen Bundesligisten SG Flensburg-Handewitt auch „Hölle Nord“ genannt. Für die deutsche Nationalmannschaft war es ein erster Temperaturtest auf dem heißen Pflaster: 4546 Zuschauer waren gekommen, die Arena war ausverkauft. Als dann auch noch ein 34:33 (18:14)-Erfolg gefeiert wurde und der Applaus von den Rängen auch lange nach der Schlusssirene anhielt, war die EM wieder einen großen Schritt näher gerückt. Und die Hoffnung auf ein gutes Abschneiden gewachsen. „Das war der perfekte Auftakt“, sagte Kapitän Johannes Golla.
Sechs Tage sind es noch bis zum EM-Start, noch wenige Trainingseinheiten und ein weiteres Testspiel gegen die Portugiesen am Samstag in Kiel (18 Uhr/ARD) stehen an. Dann geht es los im Düsseldorfer Fußballstadion, mehr als 50.000 Zuschauer werden am Mittwoch zum offiziellen Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und der Schweiz erwartet (20.45 Uhr/ZDF). Das Spiel in Flensburg war nun der erste Auftritt im neuen Jahr. Ein Stimmungsmacher, eine Standortbestimmung, ein Härtetest – alles zugleich. Und so wurde er angegangen wie ein EM-Spiel: Abklatschen bei der Teamvorstellung, Mitsingen bei der Nationalhymne, Anwurf – und großer Jubel über das 1:0 durch Julian Köster.
Keine Zeit für Experimente
Experimente, das hatte Bundestrainer Alfred Gislason in den Tagen vor dem Anwurf immer wieder betont, werde es so kurz vor dem EM-Auftakt keine mehr geben. Die Anfangsformation mit den Rückraumspielern Köster, Kai Häfner und Mittelmann Juri Knorr, Kreisläufer Johannes Golla, den Außenspielern Lukas Mertens, Timo Kastening und Andreas Wolff im Tor– erwartbar. Zwei Testspiele gegen Ägypten Anfang November mit Sieg und Remis, jetzt der Doppelpack mit den Tests gegen Portugal - mehr Möglichkeiten hatte die deutsche Mannschaft nicht, um sich einzuspielen und Automatismen zu entwickeln. Vorbei sind die Zeiten, als Routiniers wie Patrick Wiencek (im März 2022 zurückgetreten) oder Hendrik Pekeler (gestern nach langer Auszeit offiziell zurückgetreten) schon perfekt miteinander eingespielt zum Paradeteam des Deutschen Handball-Bundes (DHB) stießen.
In Torhüter David Späth, den Feldspielern Justus Fischer, Renars Uscins und Nils Lichtlein hatte Alfred Gisalson vier der deutschen U21-Weltmeister aus dem Sommer für die EM nominiert, auch der 22-jährige Martin Hanne hat noch nie ein großes Turnier im Männerbereich gespielt. Gislason setzte zunächst vorrangig auf Erfahrung, dann aber bekamen Fischer, Hanne, Uscins und Späth ihre Spielminuten – und wussten auch in der spannenden Schlussphase zu überzeugen. Hanne machte fünf Tore, Uscins vier, darunter der Siegtreffer zum 34:33.
Hannings überraschender Vorstoß
Der deutsche Auftritt konnte sich phasenweise wahrlich sehen lassen. Knorr tankte sich durch die gegnerische Abwehr und Kastening kam immer wieder zu Tempogegenstößen. Die Portugiesen, die ihre Spiele in der EM-Vorrundengruppe F in München absolvieren werden, hielten aber dagegen, begünstigt durch den einen oder anderen überflüssigen Flüchtigkeitsfehler und Zeitstrafen der Deutschen.
Knorr und Köster sind auch erst 23 Jahre alt. Einen so jungen Kern im deutschen Team gab es selten – umso mehr überraschte die Ankündigung von Top-Funktionär Bob Hanning- Der Geschäftsführer der Füchse Berlin will die deutsche Nachwuchsförderung neu aufstellen - der derzeit noch von ihm trainierte Zweitliga-Tabellenführer VfL Potsdam soll dabei als eine Art Bundesliga-Farmteam mit Deutschlands Toptalenten für die DHB-Auswahl dienen. „Wir können mit unserem ,Team Deutschland‘ den mittel- bis langfristigen Erfolg der Nationalmannschaft nicht garantieren, wir können ihn aber ein gutes Stück wahrscheinlicher machen“, sagte Hanning am Donnerstag.
Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann zeigte sich wenig begeistert („Es ist ganz sicher nicht im Sinne des Wettbewerbs, seine besten Talente an einen direkten Konkurrenten abzugeben“), und DHB-Präsident Andreas Michelmann bezeichnete Hannings Vorstoß zwar als „spannendes Thema“, mit man sich so kurz vor der Heim-EM aber nicht beschäftigen könne. Auch für Bohmann ist es der „völlig falsche Zeitpunkt, dieses Thema zu diskutieren“, sagte der Liga-Boss: „Man sollte die volle Aufmerksamkeit der deutschen Mannschaft und der Heim-EM schenken. Wie am Donnerstag in Flensburg. Dem starken Auftakt in der Hölle.