Wien. Zum Abschluss des Jahres verliert Deutschland auch in Österreich. Die Art und Weise bereitet sieben Monate vor der Heim-EM Sorgen.
Julian Nagelsmann musste sich immer wieder hinsetzen. Der Bundestrainer haderte mit dem, was die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im letzten Länderspiel des Jahres in Österreich zeigte. Oder besser gesagt: Was sie nicht zeigte. Die DFB-Auwahl enttäuschte beim 0:2 (0:1) in Wien auf ganzer Linie. Dortmunds Marcel Sabitzer (28.) und Leipzigs Christoph Baumgartner (73.) sorgten am Dienstagabend für den verdienten Sieg der Österreicher. Zu allem Überfluss sah Leroy Sané nach einer Tätlichkeit auch noch die Rote Karte (49.).
Drei Tage nach der 2:3-Niederlage gegen die Türkei und 208 Tage vor dem Auftaktspiel der Europameisterschaft 2024 in Deutschland erlebt Nagelsmann bereits seine erste Krise. In seinem vierten Spiel als DFB-Coach hatte der 36-Jährige Emotionen eingefordert. Was er vor 46.000 Zuschauern im Ernst-Happel-Stadion sah, war eine verunsicherte, leblose Mannschaft, die wenig Hoffnung macht, bei der EM im eigenen Land eine große Rolle zu spielen.
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„Wer gewinnt das Deutschland-Derby?“, fragte die Tageszeitung „OE24“ angesichts des Duells der Nationaltrainer Ralf Rangnick (Österreich) und Nagelsmann (Deutschland). Rangnick, der erstmals als Trainer auf sein Heimatland traf, hatte zuvor selbst von einem Länderspiel-Derby gesprochen. „Es wird ein Spiel auf Augenhöhe“, sagte Sportdirektor Rudi Völler, der 1986 bei der Neueröffnung des Ernst-Happel-Stadions beim 1:4 in Österreich das einzige deutsche Tor erzielt hatte. Es war einer von nur neun österreichischen Siegen in der Geschichte dieses Nachbarschaftsduells, das am Dienstag zum 40. Mal ausgetragen wurde. Am Ende wurde es ein sehr einseitiges Spiel.
Nagelsmann nimmt Kimmich aus der Startelf
Die meistdiskutierten Fragen auf deutscher Seite waren vor dem Spiel die Personalien Kai Havertz und Joshua Kimmich. Die Antworten: Havertz spielte erneut als offensiver Joker auf der nominell linken Abwehrseite. Kimmich spielte zunächst gar nicht. Stattdessen lief Leon Goretzka an der Seite von Kapitän Ilkay Gündogan auf. Dazu kamen im Vergleich zum Türkei-Spiel Mats Hummels und Serge Gnabry für Benjamin Henrichs und Florian Wirtz in die deutsche Startelf. Hummels spielte den zentralen Part in der Dreierkette zwischen Jonathan Tah und Antonio Rüdiger, Havertz hatte davor die gesamte linke Bahn für sich. Mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren und 287 Tagen war es zugleich die älteste deutsche Startelf seit dem EM-Spiel 2000 gegen Rumänien.
Doch auch in der neuformierten Grundformation hatte die DFB-Elf die alten Probleme. Viel Ballgeschiebe, wenig Raumgewinne, dafür viele leichte Ballverluste, die zu einfachen Chancen für den Gegner führten. Michael Gregoritsch hätte Österreich gleich zweimal schon früh in Führung schießen können (12./16.). Das erledigte dafür der Dortmunder Marcel Sabitzer, der nach einem schnellen Angriff Jonathan Tah auswackelte und mit rechts in die linke untere Ecke zum 1:0 traf (28.).
Die österreichischen Fans, die sich vor dem Spiel mit Rainhard Fandrich und der DJ-Ötzi-Version von Sweet Caroline eingestimmt hatten, waren begeistert. Die wenigen deutschen Anhänger wirkten dagegen desillusioniert vom Auftritt ihrer Mannschaft. Ein Schüsschen von Sané war nach 32 Minuten der erste deutsche Abschluss aus dem Spiel heraus. Die gesamte erste Halbzeit erinnerte stark an die letzten Spiele unter Hansi Flick. Auch Nagelsmann gelingt es nicht, die Defensive zu stabilisieren und das Offensivpotenzial auf den Platz zu bringen. Das letzte Spiel ohne Gegentor gab es im März gegen die B-Elf von Peru (2:0).
Sané verliert die Nerven und fliegt vom Platz
Und auch nach der Pause wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Sané ließ sich von Österreichs Phillipp Mwene zu einer Tätlichkeit hinreißen und sah nach einem Schubser die Rote Karte (49.). Nagelsmann brachte Wirtz, Kimmich und zuvor schon Thomas Müller, doch auch in Unterzahl kamen die Deutschen nur selten ins letzte Drittel.
Stattdessen kam Rangnicks Mannschaft mit einfachen Mitteln zu Torchancen. Ein schneller Spielzug durch die Mitte sorgte für die Entscheidung. Über David Alaba und Gregoritsch lief der Ball zu Baumgartner, der Hummels stehen ließ und Torhüter Kevin Trapp zum 2:0 überlupfte (73.). „Oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen“, sangen die österreichischen Fans.
Das Wiedersehen zwischen Österreich und Deutschland erfolgt bei der EM 2024. Vielleicht sogar als Gruppengegner. Deutschland ist als Gastgeber in Lostopf eins gesetzt, Österreich in Topf zwei. Die Auslosung erfolgt in zehn Tagen (2. Dezember) in Hamburg. Nach diesem Abend können die Deutschen nur hoffen, dann nicht wieder gegen Österreich spielen zu müssen.