Turin. Eng geht es zu beim Kampf ums Halbfinale der Tennis-WM. Alexander Zverev muss auf Schützenhilfe eines Konkurrenten hoffen.
Am Ende des vierten WM-Spieltages gab Alexander Zverev eine scheinbar ebenso seltsame wie kuriose Aussage zu Protokoll. Gerade hatte Zverev im „Pala Alpitour“ eine ziemlich schmerzhafte, auch unnötig glatte 6:7, 4:6-Niederlage gegen seinen langjährigen Weggefährten und zuletzt eher ungeliebten Kollegen Daniil Medwedew erlitten, da verkündete der Olympiasieger dies: „Am Freitag bin ich der größte Daniil-Fan, den es auf diesem Planeten gibt.“
Ball paradox. Nein: Eher der Normalfall bei der Weltmeisterschaft der ATP-Profis. Denn während in jeder anderen Tenniswoche alles klar ist nach einem Match – der Sieger kommt eine Runde weiter, der Verlierer scheidet aus –, geht beim großen Saisonfinale auf der Zielgeraden der Gruppenspiele das große Rechnen um den Halbfinalvorstoß los. Es geht in der höheren WM-Mathematik meist um das bessere Satzverhältnis, manchmal auch um das bessere Verhältnis von gewonnenen zu verlorenen Spielen. Wenn nur zwei Spieler ums Fortkommen ringen, ums direkte Duell.
Zverev muss auf Schützenhilfe hoffen
In Zverevs Fall könnten allerdings aktuell drei Spieler in der Vorrundengruppe mit 2:1-Siegen da stehen – und einer mit einer 0:3-Bilanz. Für den Hamburger heißt das jetzt konkret: Er muss auf Schützenhilfe seines Bezwingers Medwedew hoffen, der Russe tritt am Freitagnachmittag gegen Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz an. Gewinnt Medwedew, zieht Zverev bei einem eigenen Erfolg im letzten Vorrundenduell mit dem bisher sieglosen Andrej Rublew ins Halbfinale ein. Verliert Medwedew indes gegen den jungen Spanier, geht es für Zverev am Abend definitiv nur noch um die Goldene Ananas. Die Partie wäre dann ein besseres Showmatch, in dem nur noch die Siegprämie für jedes Match ausgehandelt wird.
Eine kuriose, auch frustrierende Ausgangslage für den halb machtlosen Hamburger: „Das ist eine ungünstige Situation, die man nie haben möchte. Man will alles selbst in der Hand haben“, sagte der 26-jährige, der gegen Medwedew einmal mehr zu viele Chancen liegen ließ. Vor allem aber eine Riesenmöglichkeit, denn bei einer 4:1-Führung im Tiebreak des Auftaktdurchgangs schenkte Zverev einen Schmetterball her, den er nach eigener Einschätzung „neun von zehn Mal“ ins Feld spiele.“ Es war beinahe ein Elfmeter ohne Torwart.
Zverev und Medwedew – eine Geschichte für sich
Dass Zverev nun in gewisser Weise auf Medwedews Gnade hoffen muss, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie und Brisanz. Denn mit seinem Angstgegner hatte er im Saisonverlauf so manchen Strauß ausgefochten. Nach der Niederlage in Monte Carlo nannte Zverev den Mitstreiter aus Jugend- und Teenagerzeiten „den unfairsten Spieler der Welt“. Medwedew, der listige Kauz, parierte sinngemäß, das müsse gerade einer wie Zverev sagen. Fakt ist: Zuletzt verdarb Medwedew dem deutschen Spitzenmann fast regelmäßig den Spaß, sechs der sieben allein in dieser Saison ausgetragenen Duelle gingen an den Moskowiter. Medwedew könnte jetzt – rein theoretisch – sehr taktisch agieren, sich aussuchen, wen er „lieber“ im Halbfinale sehen möchte. Alcaraz oder Zverev. Er selbst sagte, er werde sein „Bestes“ geben.
Vielleicht wiederholen sich aber ganz zum Schluss auch die Ereignisse für Zverev: Auch 2021 verlor er in den Gruppenmatches gegen Medwedew – am Ende wurde er dennoch Weltmeister. Im Finale gegen Medwedew.