Frankfurt. Das DFB-Team will sein Verhältnis zu den Fans verbessern. Doch das ist gar nicht so einfach, wie sich auch aktuell in Frankfurt zeigt.
11.33 Uhr, der Lieferservice fürs Mittagessen ist gerade bestellt worden, da wird es plötzlich hektisch. Ein Auto fährt vor, und denjenigen, der aussteigt, kennt man. Ran an die Rucksäcke, das Kramen nach den Autogrammkarten der deutschen Nationalmannschaft beginnt, aber es endet jäh – weil Youssoufa Moukoko als U21-Spieler darauf doch gar nicht abgebildet ist.
Pech gehabt. Aber ein gemeinsames Foto mit dem Stürmer von Borussia Dortmund lässt sich noch schießen.
Ein paar Jugendliche stehen sich am Donnerstag seit Stunden vor dem Hotel Kempinski Gravenbruch südlich von Frankfurt die Beine in den Bauch, um einen Blick auf die Nationalspieler zu erhaschen. Dass Moukoko, von Bundestrainer Hansi Flick nachnominiert, am Hotel vorfährt, ist Zufall. Öffentliche Auftritte von Profifußballern sind rar geworden - nicht nur bei der DFB-Elf.
DFB-Team in einer Fünf-Sterne-Anlage
Man nistet sich lieber ein in einer Fünf-Sterne-Anlage im Süden der hessischen Landeshauptstadt. Ohne Auto ist es gar nicht so leicht hierhin zu gelangen. Ein Linienbus hält knapp einen Kilometer entfernt vom Hotel. Um dieses zu erreichen, gibt es dann zwei Möglichkeiten: Man marschiert auf dem Seitenstreifen der Bundesstraße entlang und spürt den Windstoß der Autos, die an einem vorbeirauschen. Oder man tippt einen Fußweg ins Navigationssystem ein, der neben der Bushaltestelle über den Parkplatz einer Tankstelle führt. Gleich zu Beginn ein Schild: „Lebensgefahr – Betreten strengstens untersagt!“
Am Mittwochabend, als die Nationalspieler individuell angereist waren, ergab sich ausnahmsweise eine gute Gelegenheit für Fotos und Autogramme. Die ersten Menschen waren schon mittags da. Aber einen Tag später braucht man viel Geduld. Immerhin spendiert das Dach der Hotelauffahrt Schatten. „Du kannst schon ins Hotel reingehen“, sagt Mika, 20 Jahre alt, einer der Unterschriftenjäger, „aber wenn du jemanden ansprichst, wirst du rausgeworfen.“ Und sonst so, wie ist der Umgang mit den Spielern? „Die kommen nur, wenn sie Bock haben.“
Raum: „Wir sollten etwas zurückgeben“
Wenn man dann beim DFB nachfragt, gehen die Antworten natürlich in eine andere Richtung. „Man kann sich immer fünf Minuten Zeit nehmen und so eine kleine Freude machen. Wir sollten etwas zurückgeben“, meint David Raum, Verteidiger von Pokalsieger RB Leipzig. Die Möglichkeiten dazu aber werden weniger. Öffentliche Trainings hat die Nationalmannschaft viele Jahre nur sporadisch veranstaltet. Nach zwei WM-Blamagen und einer enttäuschenden Europameisterschaft ist der Verband ein Jahr vor der Heim-EM jedoch darum bemüht, sich den Fans, die seit dem Triumph von Rio de Janeiro 2014 samt bierhoffschen Marketingphantasien verlorengegangen sind, zurückzugewinnen.
Im März hatte das DFB-Team vor 3000 Zuschauern in Frankfurt eine Regenerationseinheit absolviert. „Wir wollen wieder näher an den Fans sein“, versprach Rudi Völler, als Sportdirektor Nachfolger des geschassten Oliver Bierhoffs, damals. Am Donnerstagnachmittag durften immerhin 600 Menschen den Profis auf dem verbandseigenen Campus beim Üben zuschauen. Nachher gab es Autogramme und Selfies. Es war die erste und einzige öffentliche Einheit der Flick-Elf rund um die Länderspiele am Montag in Bremen gegen die Ukraine (18 Uhr/ZDF) – eine absichtlich früh gewählte Anstoßzeit, um auch Kindern den Besuch im Stadion zu ermöglichen -, am Freitag in Warschau gegen Polen (20.45 Uhr/ARD) und am folgenden Dienstag in Gelsenkirchen gegen Kolumbien (20.45/RTL). Die Tickets für das Training hat der Verband über die sozialen Netzwerke verlost.
DFB hat seine Fehler der Vergangenheit nur teilweise erkannt
„Für Kinder und Jugendliche ist es eine schöne Sache, ihre Idole und Vorbilder im Training zu beobachten“, sagt der Leipziger Angreifer Timo Werner. „Das macht jede Mannschaft nahbarer. Samstags sehen die Fans im Stadion ja nur aus 30 oder 40 Meter einen Punkt, der ein Tor macht oder nicht.“
Fußballprofis verdienen sehr gutes Geld, ihre Kernaufgaben sind trainieren und spielen. Doch letztlich wird ihr Gehalt dadurch finanziert, dass Millionen Menschen Fans sind – wie viel müssen die Sportler fernab des Pflichtprogramms zurückgeben? Diese Debatte wird schon länger geführt, für beide Seiten gibt es plausible Argumente.
Hat der DFB seine Fehler der Vergangenheit erkannt? Nur teilweise, denn eine öffentliche Einheit innerhalb von knapp zwei Wochen ist ja auch noch nicht die Welt. Andererseits muss Bundestrainer Flick die überschaubare Anzahl an Trainingstagen bis zur Heim-EM möglichst effektiv nutzen. Annäherung ist eben ein Langzeitprojekt.
Lassen sich beide Seiten, sportliche Führung und Fans heutzutage überhaupt zufriedenstellen? Vermutlich nicht – und das gilt nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für die deutschen Vereine.
Am Freitag geht das Lauern vor dem Hotel weiter.