Hagen/Brilon. Nun ist klar: Olaf Scholz wird wieder Kanzlerkandidat. Aber Begeisterung an der SPD-Basis im Sauerland und in Hagen sieht anders aus.

Die Entscheidung ist gefallen: Olaf Scholz wird erneut als Kanzlerkandidat der SPD ins Rennen gehen. Jetzt wäre die Partei eigentlich auf Aufbruchstimmung an der Basis angewiesen. In den Ortsvereinen müsste ein Elan erwachsen, der die Genossinnen und Genossen dazu bringt, Wahlkampf vor Ort zu machen. Plakate aufzuhängen, sich für Partei und Kandidat ins Zeug zu legen. Doch die Stimmung an der SPD-Basis im Sauerland, in Siegen-Wittgenstein und in und um Hagen ist am Freitag nach der Entscheidung eher gedämpft.

Ein Blick ins Sauerland: Für Hubertus Weber, Fraktionsvorsitzender der SPD-Ratsfraktion in Brilon, und seine Parteikollegen aus dem SPD-Ortsverband ist die Nachricht eine bittere Pille. „Ich will da gar nicht drum herumreden, das ist für mich persönlich, aber auch für die SPD in Brilon, eine Enttäuschung“, sagt Weber am Freitag im Gespräch mit der WESTFALENPOST.

Tritt für die SPD als Landtagskandidat an: Hubertus Weber

„Ich will da gar nicht drum herumreden, das ist für mich persönlich, aber auch für die SPD in Brilon, eine Enttäuschung.“

Hubertus Weber

Noch vor wenigen Tagen hatte Weber öffentlich den Vorschlag des heimischen Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese unterstützt, Verteidigungsminister Boris Pistorius als Alternative ins Rennen zu schicken: „Mit Olaf Scholz geht es nicht. Auch mir fehlt die Fantasie, wie es am Ende besser werden soll, wenn dieselben Personen wieder aufgestellt werden sollen“, sagte Weber am vergangenen Mittwoch.

Die Entscheidung der Parteispitze, erneut auf Olaf Scholz zu setzen, sorgt bei Hubertus Weber für Frust. „Manchmal ist es wirklich nicht so einfach, SPD-Mitglied zu sein“, räumt er ein. Dennoch stellt Weber klar, dass die Briloner SPD geschlossen hinter ihrem Abgeordneten Dirk Wiese und auch hinter Scholz im Wahlkampf stehen wird: „Nach dieser Hängepartie freue ich mich dann doch, dass endlich eine Entscheidung getroffen wurde.“

Apropos Dirk Wiese: Der einflussreiche SPD-Bundestagsabgeordnete aus Brilon hatte in dieser Woche die Kandidaten-Diskussion erst so richtig ins Rollen gebracht. Als Co-Chef der großen Gruppe der SPD-Bundestagsabgeordneten aus NRW und Co-Sprecher des parteiintern als konservativ geltenden Seeheimer Kreises hatte er sich mehr oder minder offen für einen Kanzlerkandidaten Boris Pistorius ausgesprochen. Das hörte sich nun am Freitag anders an. Über seine Social-Media-Kanäle meldete sich Wiese zu Wort: „Mit Olaf schicken wir einen auf allen Ebenen erfahrenen Politiker ins Rennen. (...) Selbst in schwersten Zeiten hat er Rückgrat bewiesen und sich nicht vom richtigen Weg abbringen lassen“, schreibt er. Die SPD könne stolz sein, mit Boris Pistorius den beliebtesten Politiker Deutschlands „in unseren Reihen“ zu haben. Jetzt starte der Wahlkampf, so Wiese: „Wir spielen auf Sieg. Der Bessere bleibt Kanzler!“

Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hagen: Timo Schisanowski

„Olaf Scholz und die SPD-Bundesparteispitze haben jetzt eine Richtungsentscheidung getroffen, die sie zu verantworten haben. “

Timo Schisanowski

Sehr viel kühler ist die Reaktion von Timo Schisanowski. Er ist SPD-Bundestagsabgeordneter für Hagen und Teile des Ennepe-Ruhr-Kreises. Und er ist auch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hagen und des SPD-Ortsvereins Haspe. Seine Aufgabe wird es also sein, die Basis zu motivieren. Noch am Anfang der Woche hatte er gegenüber der WESTFALENPOST deutlich gemacht, dass Boris Pistorius sein Favorit ist, dass er seine Zustimmung hätte. „Boris Pistorius bringt uns zurück ins Spiel. Er hat das Potenzial für ein offenes Duell mit dem CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.“

Nun, am Freitag, sind die Worte für Olaf Scholz weitaus distanzierter: „Olaf Scholz und die SPD-Bundesparteispitze haben jetzt eine Richtungsentscheidung getroffen, die sie zu verantworten haben. Gemeinsam mit unserer Parteibasis vor Ort nehme ich das zur Kenntnis und wir stellen uns den bevorstehenden Aufgaben.“

Vorsitzender des SPD-Ortvereins in Bad Berleburg: Rouven Soyka

„Es ist eine gute Entscheidung. Gerade auch für uns in den Ortsvereinen, die den Wahlkampf machen müssen.“

Rouven Soyka

Weitaus positiver hingegen ist die Reaktion von Rouven Soyka auf die zeitnahe Einigung auf Scholz als Kanzlerkandidaten. Anfang der Woche wollte sich der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins in Bad Berleburg nicht auf einen Kandidaten festlegen, sprach er von einer „Luxussituation“ zweier starker Kandidaten, die gute Arbeit leisteten. Ein paar Tage später gibt ihm die Wahl auf Scholz Zuversicht für die kommenden Monate: „Es ist eine gute Entscheidung. Gerade auch für uns in den Ortsvereinen, die den Wahlkampf machen müssen. Denn je länger sich das bei dem kurzen Wahlkampf hinauszögert, desto schwieriger ist es, mit Inhalten auf die Straße zu gehen“, sagt Soyka.

Artikel zum Verteilen an Ständen sind bestellt, der Schlachtplan für den Wahlkampf ist in voller Planung. „Für uns ist das enorm wichtig, dass wir so früh Klarheit haben. Das ganze Prozedere, also bei der Stadt anfragen, dass Plakate hängen dürfen, diese zu erstellen, zu verteilen und anzubringen, zieht sich sehr“, so Soyka. Pistorius sei zwar beliebt und leiste gute Arbeit, stehe natürlich aber in seinem Amt aufgrund der Weltlage mehr im Fokus. Scholz hingegen habe sich in der Vergangenheit sanfter äußern und kompromissbereiter positionieren müssen. Eine Veränderung nur aufgrund der öffentlichen Beliebtheit zu erzwingen, müsse nicht immer zielführend sein.