Menden/Schwelm. In Schwelm bleibt das Freibad diese Saison dicht, das Bürgerbad in Menden schafft es – noch jedenfalls. Über ein generelles Problem am Wasser
Wenn Besucher den Eingang des Bürgerbades Leitmecke in Menden passieren, wissen sie sofort, warum das Areal bei seiner Gründung 1927 Waldfreibad genannt wurde. Umgeben von Bäumen in traumhafter Lage ist das Gelände mit dem 50-Meter-Sportbecken ein Schmuckstück.
Die Mendener können auf ihr Bürgerbad stolz sein, auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Bäder vorübergehend oder komplett schließen müssen, weil Personal fehlt.
Laut Deutscher Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) schließen als Folge des Personalmangels jährlich etwa 80 der 6000 Hallen- und Freibäder im Land. Schon warnt der Verband vor einer Gesellschaft von Nichtschwimmern.
Bundesweit fehlen 3000 Schwimmmeister
Zumal es auch eine Flaute bei denen gibt, die bisweilen Kindern das Schwimmen beibringen: Schwimmmeister. Der Berufsverband Deutscher Schwimmmeister schätzt, dass bundesweit 3000 Berufskollegen fehlen – sowohl in kommunalen als auch privat betriebenen Bädern.
Zurück nach Menden: Peter Mende sitzt an der Kasse am Eingang und hält ein Pläuschchen mit einem der vielen Stammgäste. Er ist seit langem einer der ehrenamtlichen Helfer des „Bürgerbades Leitmecke e.V.“ „Es macht mir einfach Spaß“, sagt er und erwähnt nur nebenbei, dass er sich wieder eine Jahreskarte gekauft hat: „Man will ja den Verein unterstützen.“
Das kann Georg Pesch nur unterstreichen: „Wir sind doch alle froh, dass unser Bad noch in Betrieb ist“, sagt der Mann im roten Shirt mit der Rückenaufschrift „Aufsicht“. Seitdem er in Rente ist, steht der einstige Berufs-Schwimmmeister ehrenamtlich am Beckenrand.
Ulrich Stolte (73) ist 1. Vorsitzender des Vereins, der seit dem 1. Januar 2007 das Bad betreibt. „Es wird immer schwieriger“, sagt er, „Freiwillige zu finden.“
Stadt Menden hilft
Noch habe man einen festen Stamm für Wasseraufsicht, Kassendienst, Kiosk und Grünpflege, und es würde auch sehr helfen, dass die Stadt Menden seit zwei Jahren dem Bad mit ihren Schwimmmeistern zeitweise aushilft. Aber: „Ehrenamtliche könnten die Lust verlieren, weil sie sich zunehmend mit jugendlichen Badegästen auseinandersetzen müssen, die Randale machen wollen.“
Erst am Wochenende habe man zwei Mal die Polizei rufen müssen, weil Heranwachsende den Anweisungen des Aufsichtspersonals nicht folgen wollten. „Wenn der Bademeister früher in seine Trillerpfeife geblasen hat“, so Stolte, „standen alle stramm. Und heute?“
Im Schwelmebad fällt die Saison aus
Heute kann manches Freibad erst gar nicht öffnen oder muss Schwimmzeiten reduzieren. Der Grund: Schwimmmeister und Aushilfen fehlen. Im Schwelmebad in der Kreisstadt Schwelm – ebenfalls von einem Verein betrieben – fällt die Badesaison aus. Ob es jemals wieder öffnet, steht in den Sternen.
In Gevelsberg ist man zuversichtlicher. Marta Domek, Geschäftsführerin des in kommunaler Hand befindlichen „Schwimm in“: „Bei uns sieht es zum Glück gut aus. Da es bei uns ein Hallen- und ein Freibad gibt und es kein Saisonbetrieb ist, haben wir genug Personal. Die Mitarbeitenden sind dann entweder im Hallen- oder im Freibad tätig.“
Selbst an der Kasse wird es knapp
In Herdecke – ebenfalls im Ennepe-Ruhr-Kreis, ebenfalls kommunal – wäre es Stadtsprecherin Lena Siegel zufolge beinahe knapp geworden: „Wie viele andere Städte auch hatten wir zunächst Probleme, Personal zu finden, vor allem Rettungsschwimmer fehlten. Nachdem wir mehrere Stellenausschreibungen veröffentlicht hatten, haben wir jetzt genug Mitarbeitende.“ Man hoffe nun darauf, „dass niemand krank wird, denn sonst könnte es eng werden.“
Viele Betreiber kämpfen mit zu wenig Personal, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB): „Vor allem Schwimmmeister und Rettungsschwimmer fehlen, aber selbst an der Kasse wird es oft knapp“, sagt Eric Voß aus der Geschäftsstelle Essen. Einige hätten ihre Öffnungszeiten verkürzt oder seien später in die Saison gestartet. „Es kann gut sein, dass manche sogar mitten in der Saison schließen müssen“, so Voß.
Konfliktbereitschaft der Besucher steigt
Allem voran werde der Job des Schwimmmeisters immer unbeliebter: „Viele wollen nicht den Sommer und die Wochenenden durcharbeiten“, sagt Voß. Zudem steige die Gewalt- und Konfliktbereitschaft der Besucher. Das Personal sei nicht dafür ausgebildet, Streit zu lösen, sagt er: „Die Mitarbeiter wollen keine Polizisten sein.“
Martina Schwenn vom Landesverband NRW des Bundes Deutscher Schwimmmeister sieht ein weiteres Problem: „Wer macht überhaupt noch ein Ehrenamt oder arbeitet für kleines Geld?“ fragt die Sauerländerin, „überall verlieren die Vereine Mitglieder. Durch Corona hat es einen Knacks gegeben.“
Das Problem sei oft, dass die Zahl der Aushilfen stark schwanke: „Häufig arbeiten Abiturienten in der Zeit bis zum Studium als Aushilfen für eine Saison. Man kann aber nie abschätzen, wie viele es sind.“
Ein anerkannter Ausbildungsberuf
Man dürfe zudem nicht vergessen, dass Schwimmmeister ein Ausbildungsberuf sei: „Eigentlich müsste es einen Überschuss geben, die Klassen in den Berufsschulen sind voll. Aber es ist Glücksache, ob die Azubis auch bleiben.“
Wer Schwimmmeister werden will, muss eine dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe absolvieren. Eric Voß von der DGfdB: „Da lernt man alles – von der Wasseraufsicht und Rettung über Anlagenpflege und Verwaltung bis zur Kinderanimation.“
Auch Rettungsschwimmer aktiv
Das Einstiegsgehalt liegt tarifvertraglich bei 2600 Euro pro Monat. Fachangestellte für Bäderbetriebe können sich zum geprüften Meister fortbilden. Das Einstiegsgehalt beginne in der Regel bei 2900 Euro.
Auch Rettungsschwimmer arbeiten in Bädern, müssen aber keine berufliche Ausbildung vorweisen: „Sie sind hauptsächlich für die Wasseraufsicht zuständig, haben also weniger Aufgaben als die Angestellten, verdienen aber oft nur hundert Euro weniger“, meint Voß.
Er sieht die Betreiber in der Pflicht: Um Personal zu gewinnen, müssten Arbeitskräfte besser entlohnt werden. Und man müsse über flexiblere Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche nachdenken.