Hagen/Arnsberg.. Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Arnsberg beseitigt explosive Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg. Arbeit für Jahrzehnte
Eine Lebensversicherung? Bei dem Job? Keine Chance. Vielleicht eine Unfallversicherung? Im Leben nicht. „Die Prämie ist unbezahlbar“, sagt Karl-Friedrich Schröder. Der Technische Einsatzleiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg versucht es gar nicht mehr. Die Versicherungsbranche wittert bei Leuten wie ihm kein Bomben-Geschäft und lehnt dankend ab. Warum? Das Risiko scheint zu groß, die Angst vor dem möglichen Schadensfall sitzt tief.
Wachsendes Sicherheitsbedürfnis
So ein gefährlicher Job ohne Absicherung? „Wir bekommen im Monat eine Gefahrenzulage von knapp 900 Euro. Und im Todesfall erhält die Ehefrau 45 000 Euro. Das war es. Wer gerade gebaut hat, bei dem kann die Familie das Häuschen vergessen.“ Die Mitarbeiter im operativen Geschäft, die sogenannten Entschärfer, sprechen das Thema beim Treffen an ihrem Standort in Hagen-Kabel nicht von sich aus an. Auf Nachfrage klären sie auf. Sie haben sich damit abgefunden. Für sie ist es so, wie es ist.
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Gleichwohl, der Laie wundert sich. Die Menschen, die ihr Leben für andere aufs Spiel setzten, werden im Unglücksfall noch bestraft. Über die ungerechte Welt will niemand so richtig debattieren. Die Arbeit steht im Vordergrund. „Und die macht Spaß“, versichert Schröder. Der Hagener ist als Quereinsteiger, „ich habe Kfz-Mechaniker gelernt“, zum Abräumer explosiver Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg geworden: „Für mich ist das der schönste Job, auch wenn die Belastungen wachsen. Wir machen viel im Dauerlauf. Das Sicherheitsbedürfnis ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen.“ Angst kennt er keine.
Bilder wie am Fließband
Andere ja. „Ein Baggerführer hat sich einmal mit der Begründung aus dem Staub gemacht, er habe zwei Kinder.“ Wer wie Schröder ständig mit bombigem Material zu tun hat, wickelt jede Aufgabe professionell ab. Das versichert auch Kollege Rainer Woitschek aus Marsberg-Westheim.
Der 56-jährige Feuerwerker, „ich gehe davon aus, dass ich die Rente erlebe“, demonstriert das Anlegen einer Raketenklemme zur Fernentschärfung einer 250 Kilo schweren US-Fliegerbombe. Er geht in seiner Aufgabe auf, ist seit 1988 dabei. „Schon als kleiner Junge habe ich mich gerne mit Knallern beschäftigt. Und für uns ist das ganz normal, was wir beim Bombenfund veranstalten.“ Und was sie alles finden oder ihnen zugetragen wird: Panzerfäuste, Handgranaten, Tretminen. Das Repertoire der Tötungsmaschinerie ist unerschöpflich. Die Spuren, die die Luftangriffe hinterlassen haben, sind es auch.
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Elf Mitarbeiter werten die Luftbilder der Alliierten aus. „Jeder schafft am Tag vielleicht acht bis zehn Anträge“, sagt Ubbo Mansholt aus Herdecke, Leiter der Luftbildauswertung. „Für jeden Antrag, der aus den 231 Kommunen in Westfalen-Lippe kommt, müssen im Schnitt 120 Bilder begutachtet werden, pro Tag sind es für jeden 700 bis 800. Fließband-Arbeit.“
Geophysiker greifen ein
Und jede Aufnahme will mit den Augen gelesen werden. So wie das Foto vor ihm auf dem Bildschirm vom 28. März 1945 aus der Hagener Innenstadt. Wie breit ist der Bombentrichter? Gibt es Panzerspuren? „Wir müssen uns in das Kriegsgeschehen der Jahre 1942 bis 1945 hineindenken“, sagt der 43-Jährige. „Alle Veränderungen, die in dieser Zeit zu sehen sind, haben in irgendeiner Weise mit dem Krieg zu tun gehabt.“
Macht die Luftaufnahme den Anfang bei der Entsorgung vom Müll des Krieges, wird im nächsten Schritt der Geophysiker aktiv, einer wie Henner Sandhäger aus Hagen. „Wir spüren die minimalen Verzerrungen im Erdmagnetfeld durch Eisen auf. Ein weiteres Indiz für die Lage einer Bombe.“ Auf diese Weise hat er im Dezember drei britische 250-Zentner-Bomben auf dem Sportplatz von TSC Eintracht Dortmund ausfindig gemacht. „Sie lagen nur 60 Zentimeter tief.“