Hagen. Weil die Nachfrage deutlich gestiegen ist, befürchten Tierheime, dass überforderte Halter ihre Hunde abschieben. Was wird dann aus dem Hund?

Die Corona-Pandemie sorgt in vielen Haushalten für einen Wau-Effekt: „Die Nachfrage nach Hunden bei Züchtern ist seit dem Ausbruch des Virus im Frühjahr bis heute konstant hoch“, bestätigt Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) mit Sitz in Dortmund. „Besonders gefragt sind kleine und junge Hunde“, ergänzt Birgit Ganskow, 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins Hagen und Umgebung.

Weil in Zeiten von Kontaktbeschränkungen, Homeoffice und Kurzarbeit die Menschen mehr Zeit haben, neigten sie aber zu „unüberlegten Anschaffungen“. Tierheime befürchten bereits eine Welle von Aufnahmen abgeschobener Hunde.  Udo Kopernik: „Viele von denen, die sich spontan für einen Hunde-Kauf entschieden haben, waren nicht vorbereitet auf den Familienzuwachs. Ihnen dämmert erst nach und nach, dass man die kommenden 10 bis 15 Jahre gebunden ist und dass man irgendwann in den Berufsalltag im Büro zurückkehren wird. Was wird dann aus dem Hund?“

Hund in der Corona-Pandemie: Bulldogge und Mops im Trend

Auch wenn es wegen der fehlenden Registrierungspflicht in Deutschland keine offiziellen Zahlen gibt, erhalte man Kopernik zufolge beim Haustierregister der Tierschutzorganisation Tasso einen deutlichen Hinweis auf einen auffälligen Anstieg der Neuregistrierungen von Hunden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Demnach wurden im vergangenen Juni 39.000 Hunde neu registriert, 25 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Die R+V-Versicherung meldete gar einen Anstieg von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr für den Zeitraum Juni bis August 2020 bei der Nachfrage nach Hundehaftpflichtversicherungen.

Im Trend, sagt Manfred Holzky vom Tierschutzverein Brilon, liegen derzeit „eher die kleinen Hunde wie die Französische Bulldogge und der Mops. Dauergefragt bleiben Labrador und Golden Retriever. Udo Kopernik züchtet die Rasse „Berger des Pyrenees“, einst kleine Hütehunde in den französischen Pyrenäen, heute treue Familienbegleiter mit einer Portion Humor, wie der Verbandsfunktionär sagt.

Er zitiert gerne einen Freund, der einst zu ihm sagte: „Dein Hund ist ein richtiger Clown. Der lässt sich jeden Tag etwas Neues einfallen, damit wir etwas zu lachen haben.“ Ganz wichtig in seltsamen Zeiten wie diesen, findet Kopernik. „Ein Hund kann in der Corona-Pandemie ein rettender Anker sein. Für Einsame, aber auch für Familien oder Berufstätige, die zwischendurch Ablenkung brauchen.“ Hunde seien ja nicht von Kontaktbeschränkungen betroffen, sagt Kopernik. „Man kann mit ihnen so oft man möchte vor die Tür gehen und sich selbst dabei lüften.“ Es gebe sehr wohl Studien, die auf den positiven Einfluss von Hunden auf die Psyche des Menschen hinweisen.

Tierheim Brilon: Leiter kritisiert unüberlegten Hunde-Kauf

Während so mancher Bundesbürger die Corona-Krise dazu genutzt habe, so Kopernik weiter, sich den lang gehegten Wunsch eines Hundekaufs zu erfüllen und Zeit für die intensive Grunderziehung hat, gebe es allerdings auch Eltern, die „dem dreiwöchigen Quengeln ihrer Kinder nachgeben und sich zu einer Anschaffung entschließen, obwohl sie an den Tieren eigentlich überhaupt kein Interesse haben und ihnen das Fachwissen fehlt.“ Manfred Holzky, Vorsitzender des Tierschutzvereins Brilon, kennt Fälle aus Familien, bei denen es unbedingt ein großer Hund sein musste – ein Herdenschutzhund zum Beispiel. „Sie treffen dann auf einen sehr selbstständigen, mutigen und konsequenten Hund und wundern sich nach kurzer Zeit, dass er gar kein Couch Potatoe ist.“

Das Problem dahinter: Ein Großteil der Bundesbürger kauft sich einen Hund nicht bei einem Züchter, sondern auf Internet-Portalen wie Ebay-Kleinanzeigen, wo der illegale Welpenhandel boomt. „Dort werden Welpen wie Socken gehandelt“, ist Tierschützerin Birgit Ganskow aus Hagen fassungslos. Der angeblich kinderliebe Familienhund entpuppe sich dann bisweilen als widerspenstig, krank und ungeimpft. Der Besuch beim Tierarzt wird zur Normalität. „Billig kann auch sehr teuer werden“, spricht Birgit Ganskow das Hauptargument des Internet-Kaufs an: der günstigere Preis gegenüber einem Züchter.

Zwar seien auch im Internet die Kaufpreise wegen der großen Nachfrage gestiegen, erklärt Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen – es bleibt trotzdem ein „äußerst lukrativer Markt“ für skrupellose Welpenhändler, die ihre Verkaufsobjekte auch schon einmal an Autobahnraststätten übergeben: „Sie kaufen Welpen in südosteuropäischen Ländern für 50 Euro ein, stellen sie bei Ebay für 700 Euro ein, während ein Züchter für die gleiche Rasse zwischen 1000 und 1500 Euro verlangt.“

Corona: Sehnsucht nach einem Haustier ist gestiegen

Mike Ruckelshaus von der Tierschutzorganisation Tasso zufolge hat der illegale Online-Welpenhandel Mitte Juni wieder kräftig angezogen, nachdem die Grenzen wieder geöffnet wurden. Die meist aus Osteuropa stammenden „Wühltischwelpen“ würden im Netz oft „allzu arglosen Käufern“ angeboten. Und: „Fast alle Tiere sind krank, viel zu früh von der Mutter getrennt, ungeimpft und überleben häufig die ersten Lebensmonate nicht. Auch das Leid der Muttertiere und Deckrüden ist unermesslich.“

Die Sehnsucht nach dem Hund ist in diesen Zeiten gestiegen. Sie kann aber auch seltsame Blüten treiben. Tierheime berichten von Anfragen für einen Leih-Hund während der Corona-Pandemie. „Das geht gar nicht“, sagt Birgit Ganskow, „auch ein Hund ist ein Lebewesen. Ihm bricht das Herz, wenn er plötzlich von Herrchen und Frauchen wieder ins Tierheim zurück muss.“