Hagen. Viele Menschen in der Region stellen Wohnraum für Ukraine-Flüchtlinge. Doch nicht immer geht das gut. Wie es dazu kommt und was dann passiert.
Das Ausmaß der Hilfsbereitschaft beglückt Georg Karbowski. Seit Wochen organisiert und begleitet er Hilfsmaßnahmen für Flüchtende aus der Ukraine. Noch immer ein zentrales Thema: Wohnraum. „Wir brauchen absehbar noch viel, viel mehr Wohnraum“, sagt Karbowski, Bereichsleiter Hilfen für Geflüchtete im Caritasverband für den Kreis Soest. Doch handelt es sich um ein Spannungsfeld: Wer taugt zur Gastfamilie? Was, wenn es zu Konflikten kommt? Wenn Gastfamilien sich eingestehen müssen: Wir schaffen es doch nicht?
Gastfamilien, die aufgeben: Vereinzelte Fälle in der Stadt Hagen
Es ist die große Ausnahme, aber solche Fälle kommen vor, wie die Stadt Hagen auf Nachfrage erklärt. „Für die Hilfsangebote sind wir nach wie vor sehr dankbar“, sagt Michael Kaub, Sprecher der Stadt Hagen. Die Kommune, die in Südwestfalen bislang die meisten Flüchtenden aufgenommen hat. Allerdings macht Kaub auch keinen Hehl daraus, dass er es für unabdingbar hält, diese Entscheidung sehr gut vorher zu durchdenken und alle Eventualitäten durchzuspielen. Es sei daher besonders wichtig, vorher mit der Stadt Kontakt aufzunehmen, um solche Fälle um jeden Preis zu vermeiden.
„Mittlerweile kommt es, noch sehr vereinzelt, zu Fällen, in denen wir kurzfristig darum gebeten werden, Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen“, sagt Kaub. Was zum Ende des Miteinanders führt, will er nicht näher erläutern, sondern führt „unterschiedlichste, immer sehr individuelle Gründe“ an.
Ende der Hilfsbereitschaft ist immer schmerzhaft
Unabhängig vom Grund ist die Trennung aber immer schmerzhaft. Denn den geforderten Ersatzwohnraum „können wir kurzfristig allerdings nur in den Sammelunterkünften anbieten, so dass Geflüchtete aus einem privaten, familiären Umfeld in eine Halle umziehen müssen.“ Das Ankommen wird dadurch erschwert. „Es muss sicherlich nicht betont werden, dass dies für die Geflüchteten sehr unbefriedigend ist und wir bemüht sind, solche Fälle zu vermeiden“, teilt die Stadt Hagen mit.
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Darum geht es auch Georg Karbowski von der Caritas. Diese begleitet den Prozess der Wohnraumsuche mitunter in den Kommunen. Für den Kreis Soest hat die Organisation neulich zu einer Videokonferenz für aktuelle oder potenzielle Gastfamilien eingeladen. Sie diente als Erfahrungsaustausch, als Ratgeber, welche Hilfen in Anspruch genommen werden können. „Klar ist und darauf legen wir auch wert: Der Gastgeber übernimmt eine Art Patenschaft oder Lotsenfunktion. Wohnraumangebote, die diese Orientierung für den Alltag nicht beinhalten, oder die gar vorab Bedingungen aufstellen, ergeben meistens keinen Sinn und werden von uns auch nicht unbedingt verfolgt.“ Heißt wohl: unseriös klingende Angebote gibt es offenbar auch.
Nach kurzer Zeit gemeldet
Während Siegen und Iserlohn, ebenfalls Städte mit hoher Zufluchtsrate in der Region, melden, dass es derlei Fälle nicht gebe, zeigt sich in Arnsberg ein ähnliches Bild wie in Hagen. Es hätten sich „sehr vereinzelt Gastfamilien nach kurzer Zeit gemeldet, weil sie sich mit der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine überfordert fühlten oder das Miteinander nicht funktioniert hat“, teilt die Stadt mit.
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Es habe „unterschiedliche Vorstellungen von dem Miteinander in einem Haushalt“ gegeben, lässt die Stadt wissen: „Meistens sind es unterschiedliche Erwartungen im Unterstützungs- und Betreuungsumfang.“ Und das obwohl Gastfamilien in Arnsberg „im Vorfeld intensiv beraten und auch begleitend bei aufkommenden Fragen unterstützt“ würden. Zudem werde beiden Parteien die Möglichkeit gegeben, sich im Vorfeld „in Ruhe kennenzulernen. Jedoch zeigt sich erst im tatsächlichen Zusammenleben der Beteiligten, ob ,die Chemie stimmt’. In einigen Fällen reichen das vorherige Kennenlernen und die vorab geführten Gespräche nicht dazu aus.“
Keine Regelfetischisten
„Es gibt auch Beispiele, in denen die Gastfamilien trotz aller Hilfsbereitschaft merken, dass die Bedingungen für ein Zusammenleben doch nicht optimal sind und dann mit Fragen auf uns zukommen oder die Wohnsituation verändern wollen“, erklärt Karbowski. Die Gründe dafür müssten nicht zwingend in der emotionalen Notlage der Flüchtenden liegen, sondern könnten banaler sein. Es liege „weniger daran, dass die Gäste traumatisiert sind, denn wir stellen fest, dass die Menschen noch in einer Phase des Ankommens sind und noch nicht in einer Phase des Verarbeitens. Es sind dann eher alltägliche Dinge, wenn zum Beispiel die räumliche Nähe doch zu groß ist, wenn Küche und Badezimmer geteilt werden“, sagt Karbowski, fügt aber an: „Die meisten Gastgeber haben sich das gut überlegt und gehören nicht zu den Regelfetischisten, die ihre Hilfsbereitschaft zurückziehen, weil die Gäste zu viel rauchen oder das Kind nachts aufwacht und schreit.“