Hagen. Er ist einer wie so viele: Krebsvorsorge? Ja, irgendwann. Bei Michael Pawlowski hätte es tragisch enden können. Wie er zum Darmspiegel-Fan wurde.
Maulfaul ist er ohnehin nicht. Michael Pawlowski redet gerne und viel. Bei einem Thema wirkt er jetzt sogar wie ein Handelsvertreter, der ein echt gutes Produkt an den Mann bringen will. „Man merkt nichts davon, gar nichts. Ich war da im Reich der Träume, überhaupt keine Schmerzen“, sagt der 63-Jährige. Er spricht nicht von einer Wellness-Kur, auch von keiner Schönheits-OP – er spricht von einer Darmspiegelung. Einer Untersuchung, die für viele mit Ängsten oder gar mit Ekel besetzt ist. Kein Smalltalk-Thema, doch Pawlowski will über die Darmspiegelung reden, will für sie werben. Denn ihm – verheiratet, Vater einer 16-jährigen Tochter – hat sie das Leben gerettet.
Dabei ist Michael Pawlowski keinesfalls ein leuchtendes Beispiel für den perfekten Vorsorgepatienten. „Ich hätte allen Grund gehabt, schon längst eine Darmspiegelung machen zu lassen“, sagt der Hagener. Denn: Seinem Vater wurden bereits Polypen aus dem Darm entfernt. Immerhin früh genug, so dass kein Krebs entstand. Die Tante dagegen litt unter Darmkrebs, ein künstlicher Ausgang musste gelegt werden. „Und meine Mutter ist an einem Darmverschluss gestorben. Das Gewebe wurde damals nicht untersucht“, erinnert sich Pawlowski. „Man weiß nicht, ob hier vielleicht auch Krebs die Ursache war.“
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Es fehlte also nicht an Warnzeichen einer möglichen familiären Vorbelastung. Doch Michael Pawlowski ignorierte sie lange. Warum auch nicht? Sportlich ist er: Squash, Badminton, Ski, Fitnesskurse. Krankheiten? „So gut wie nie“, sagt Michael Pawlowski, der als Paketzusteller arbeitet: „Ich habe immer gesagt: Bei mir würde ein Arzt pleitegehen.“ Es ist erst das Blut im Stuhl, das er plötzlich im Dezember entdeckt und das ihn aufschreckt. Jetzt geht er doch zum Hausarzt, der schickt ihn zum Facharzt, dem Gastroenterologen.
Ab 50 steigt Gefahr kontinuierlich
Oliver Treml ist dieser Facharzt. In Hagen, direkt neben dem Allgemeinen Krankenhaus betreibt er seine Praxis, für die er noch zwei weitere Ärzte eingestellt hat. Etwa 3500 Darmspiegelungen führen sie hier im Jahr durch. Doch er sagt, es müssten noch viel mehr sein. Denn Treml weiß, dass Michael Pawlowski kein Einzelfall ist, sondern eher typisch mit seinem langen Zögern: „Die Akzeptanz für die Darmspiegelung ist zwar dezent gestiegen. Aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen.“
Das Ziel ist, dass alle Frauen ab 55 Jahre und alle Männer ab 50 Jahre regelmäßig zur Vorsorge gegen Darmkrebs gehen. Der kann zwar auch in jüngeren Jahren auftreten, aber mit 50 steigt die Gefahr kontinuierlich. Rund 33.000 Männer und 28.000 Frauen erkranken laut Deutscher Krebsgesellschaft jährlich. Die Sterblichkeitsrate sinkt zwar seit Jahren, mit 7,2 Prozent ist das Darmkarzinom aber immer noch eine der häufigsten Krebs-Todesursachen. „Und deshalb werben wir ja auch so für die Darmspiegelung“, sagt Mediziner Oliver Treml. „Weil wir damit nicht nur den Krebs erkennen, sondern ihn häufig auch verhindern. Weil wir Darmpolypen entfernen, die sich zu bösartigem Krebs entwickeln können.“
Mit der Krebs-Diagnose wird er wieder ruhiger
Bei Michael Pawlowski ist es dafür schon zu spät, das wird schnell klar, als Anfang Januar tatsächlich die Darmspiegelung in Tremls Praxis durchgeführt wird. Die Zeit bis dahin, die wertet der 63-Jährige als den „psychologisch negativsten Punkt“. Als er die Diagnose Krebs hat, ändert sich das überraschenderweise. „Als mir Doktor Treml gesagt hat: ,Da ist was, das bekommen wir aber in den Griff’, da war ich eigenartig positiv gestimmt.“
Er wird nicht enttäuscht. Und das obwohl 40 Zentimeter seines rund eineinhalb Meter langen Dickdarms entfernt werden und die beiden Darmteile – als wolle man einen durchgeschnittenen Schlauch reparieren – wieder zusammengesetzt und genäht werden müssen. Davon zeugt heute aber keine große Operationsnarbe, sondern nur mehrere kleine Schnitte. „Der große Bauchschnitt ist heute die Ausnahme“, sagt Arne Heße.
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Er ist Oberarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Hagen. Aber auch Koordinator des Darmkrebszentrums, das das AKH mit dem Katholischen Krankenhaus in Hagen und niedergelassenen Fachärzten betreibt. „90 Prozent der Darmkrebsoperationen führen wir mit einer Laparoskopie, einer Bauchspiegelung, durch.“ Sprich: Die medizinischen Geräte und eine Kamera werden durch die kleinen Schnitte in den Bauch geführt, der Arzt bedient sie von außen. „Der größte, etwa fünf Zentimeter lange Schnitt war bei Herrn Pawlowski nötig, um das 40 Zentimer lange Stück Dickdarm nach außen zu holen“, sagt Heße.
Ohne Einschränkung Paketbote
Michael Pawlowski profitiert von dieser OP-Methode. Der Tumor kann früh genug komplett entfernt werden, so dass der Krebs nicht streut, Chemotherapie oder Bestrahlung sind nicht nötig. Und durch die kleinen Schnitte ist er schnell wieder mobil. Nach einer Woche darf er das Krankenhaus verlassen. Ohne Einschränkungen kann er bald sogar wieder als Paketzusteller arbeiten. Und auch beim Essen gibt es so gut wie keine Abstriche für den 63-Jährigen.
Der Darmspiegelung sei Dank: „Ich hatte vorher Angst, dass ich da drei Tage außer Gefecht gesetzt werde“, sagt Michael Pawlowski. „Heute weiß ich, das dauert einen Tag. Leute, das ist völlig unspektakulär.“
>> INFO: So läuft eine Darmspiegelung ab
- Am Tag vor der Darmspiegelung muss man ein abführendes Mittel einnehmen, damit der Darm vollständig geleert wird.
- Eine Darmspiegelung ist an sich ohne Narkose, aber in der Regel kann man ein beruhigendes Mittel bekommen und so bei der Untersuchung schlafen.
- Für die Untersuchung liegt der Patient in Seitenlage auf einer Liege. Der Arzt bestreicht das Koloskop, einen Schlauch mit einer eingebauten Kamera, mit etwas Gleitmittel. Der Schlauch ist biegsam und kann den Windungen des Dickdarms problemlos folgen. Über das Koloskop kann der Arzt die Darmschleimhaut genau in Augenschein nehmen, bei Bedarf Gewebeprobe nehmen oder auch Polypen entfernen, aus denen sich Krebsgeschwüre bilden könnten.
- Zum 21. Mal gibt es in diesem Jahr den „Darmkrebsmonat März“, mit dem für Vorsorge geworben wird.
Infos: felix-burda-stiftung.de