Hagen.. Ein Hagener Verkehrsrechtsanwalt hält die Strafe im Raser-Prozess wegen der Umstände für angemessen. CDU und SPD will das Gesetze verschärfen.

Das harte Urteil – lebenslange Freiheitsstrafen – gegen zwei junge Männer, die vor einem Jahr bei einem illegalen Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm einen 69-Jährigen getötet haben, hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Einerseits wurde die abschreckende Wirkung des Richterspruchs begrüßt, andererseits gab es Zweifel daran, ob die Umstände für eine Verurteilung wegen Mordes wirklich ausreichen.

Ku’damm ist nicht Breckerfeld

Und falls das Urteil deshalb vom Bundesgerichtshof verworfen werden sollte, könnte die Entscheidung des Berliner Landgerichts ganz andere als die erwünschten Folgen haben und die Justiz zahnlos und unglaubwürdig wirken lassen. Das befürchten Juristen, die sich ohne Kenntnis der schriftlichen Urteilsbegründung allerdings nicht namentlich äußern wollen.

Relative Raserei

Auch wenn Rechtsanwalt Jörg Elsner für harte Strafen bei illegalen Autorennen plädiert, sieht er die politischen Kampagnen gegen Raser kritisch: „Diese Blitz-Marathons sind eine reine PR-Maßnahme von NRW-Innenminister Jäger.“ Und die ständig wiederholte Behauptung, Rasen sei die Unfallursache Nummer 1 sei falsch.„Woher kommt denn die Statistik?“, fragt der Hagener Verkehrsrechts-Experte. „Im Polizei-Unfallbericht wird fast immer eine relative Geschwindigkeitsüberschreitung angekreuzt, also ein prinzipiell auf der Strecke erlaubtes Tempo, das in der Verkehrssituation eben zu schnell war – sonst hätte es den Unfall ja wahrscheinlich nicht gegeben.“ Das habe mit Raserei aber wenig zu tun.Wer wirklich die Zahl der Unfalltoten wesentlich verringern wolle, müsse von Freitagabend bis Sonntagmorgen intensive und großräumige Alkoholkontrollen durchführen, so Elsner.

Jörg Elsner sieht das ganz anders. Der 1958 in Iserlohn geborene und seit 1987 in Hagen praktizierende Rechtsanwalt, der seit 2006 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein ist, war vom Berliner Urteil am Montag „erst überrascht, doch dann überzeugt“. Für angemessen hält er die drastische Strafe wegen der besonderen Umstände: „Mit 160 km/h mitten durch das Zentrum einer Großstadt zu rasen, ist schon etwas anderes, als nachts um 2 Uhr in Breckerfeld aufs Gas zu treten.“

Das Signal sei entscheidend, meint auch der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Dass der Rechtsstaat derart Flagge zeige, sei überfällig gewesen. Etwas skeptischer zeigte sich die Schweizer Verkehrspsychologin Jacqueline Bächli-Biétry: Strafandrohungen verhinderten in der Regel keine Straftaten.

So sieht das auch Jörg Elsner. In der Regel. Normalerweise lehnen Rechtsanwälte Strafverschärfungen ab. „Aber die illegalen Autorennen sind ein gravierendes Problem“, betont der Verkehrsrechtsexperte. „So geht es nicht weiter.“

Typisch bei Autorennen sind spontane Verabredungen, und nach wenigen Minuten ist alles vorbei. Die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei erwischt zu werden, ist gering. „Und was wäre passiert, wenn kein Mensch zu Tode gekommen wäre?“, fragt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty und antwortet sich selbst: „Ein Bußgeldbescheid über 400 Euro und ein Monat Fahrverbot.“

Gesetzesänderung angestrebt

Die Bundespolitik will nun wohl doch kurzfristig aktiv werden. Stephan Harbarth, Fraktionsvize der CDU/CSU im Bundestag, sagte am Dienstag: „Wir sollten noch in dieser Wahlperiode strafrechtliche Lücken schließen.“ Das Ordnungswidrigkeiten-Recht trage der Gefährlichkeit solcher Rasereien nicht ausreichend Rechnung. Die Initiative des Bundesrats aus dem vergangenen Juli verfolge insoweit ein richtiges Ziel, greife aber zu kurz. So fehle dort eine Strafbarkeit für den bloßen Versuch. Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, macht sich stark für eine schnelle Gesetzesänderung.

Dem Hagener Anwalt ist dabei ein Punkt wichtig: „Die Teilnehmer an solchen Rennen müssen auch dann empfindlich bestraft werden, wenn nichts passiert.“