Rüthen.. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, setzt sich seit zwei Jahrzehnten für einen leichteren Zugang von Cannabis als Heilmittel ein.
Der Rat der Stadt Düsseldorf hat eine Sondergenehmigung beantragt, damit Apotheken Haschisch verkaufen dürfen. Immer mehr Richter sprechen in erster Instanz Patienten das Recht zu, Hanf selbst anzubauen. Steht Cannabis vor der Freigabe?
Die WESTFALENPOST hat sich darüber mit dem Rüthener Mediziner Franjo Grotenhermen unterhalten. Der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ setzt sich seit zwei Jahrzehnten für einen leichteren Zugang von Cannabis als Heilmittel ein. Seine Publikationen sind in Standardwerken ebenso zu finden wie in Ausgaben der Weltgesundheitsorganisation.
Kommt die Diskussion zur generellen Legalisierung Ihrem Thema Cannabis als Medizin zugute?
Franjo Grotenhermen: Eindeutig nein. Die generelle Legalisierung von Cannabis hat mit der Erleichterung des Zugangs zu Cannabis als Medizin so wenig zu tun, wie die Verbesserung der Palliativmedizin durch Opiate mit der Eröffnung von Fixerstuben für Heroinabhängige. Wenn Politiker der Grünen wie Claudia Roth erklären, die Legalisierung zu medizinischen Zwecken könne nur der erste Schritt zu einer generellen Legalisierung sein, so ist das auch nur eine Variante, das drängende gesundheitliche Thema nicht wirklich ernst zu nehmen.
Welche Argumente sprechen für eine Legalisierung von Cannabis?
Die Argumente liegen auf der Hand. Der Drogenhandel könnte zurück gedrängt werden. Polizei, Gerichte und Staatsanwaltschaften würden entlastet. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Ziele, die die Prohibition erreichen wollte, wirklich erreicht wurden. Aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage kann man daran erhebliche Zweifel haben. Trotz einer restriktiven Handhabung ist die Zahl der Drogenkonsumenten konstant hoch geblieben.
In NRW wollen Grüne und SPD noch in diesem Jahr einen Antrag im Landtag einbringen, der Cannabis legalisieren soll. Hat er Aussicht auf Erfolg?
Die Zahl der Befürworter wächst jedenfalls. Bei Juristen und Politikern. Die blicken in die Niederlande und erkennen: Unser Nachbarstaat hat es geschafft, den Markt für harte und weiche Drogen zu trennen. Weiterer Vorteil: Auf dem Schwarzmarkt weiß man nie, mit was Cannabis gestreckt worden ist. Nicht selten wird Glasstaub oder Blei zugesetzt. Dadurch wiegt es mehr, der Preis steigt, die gesundheitlichen Gefahren, die man nicht klein reden darf, ebenfalls.
Spielen finanzielle Interessen eine Rolle?
Natürlich. Aber das muss man nicht schlecht reden. Wir sehen in einigen Staaten der USA, dass Steuereinnahmen durch die Legalisierung zugenommen haben, während Kosten für die Strafverfolgung reduziert wurden.
Was spricht gegen eine Freigabe?
Es gibt vor allem zwei Argumente: Zum einen besteht die Befürchtung, dass sich das Einstiegsalter verringern könnte. Zweitens die Furcht vor einer steigenden Zahl von Cannabiskonsumenten sowie eine Zunahme schädlicher Konsummuster. Diese Argumente sind heute jedoch nur noch schwer aufrecht zu erhalten.
Welche Weg empfehlen Sie?
Wichtig erscheint mir, dass es zwischen dem gegenwärtigen Verbot, das seine Ziele nicht erreicht, und einer unkontrollierten Freigabe, die in der Tat die Probleme vergrößern könnte, sinnvolle Zwischenlösungen geben könnte. Es müsste also eine Form der kontrollierten Freigabe mit starker Berücksichtigung des Jugendschutzes sein. Ein guter Freund und weltweit führender Cannabis-Forscher, Roger G. Pertwee aus Großbritannien, hat beispielsweise mal einen Cannabisführerschein vorgeschlagen.
Welche Vorteile hat Cannabis als Heilmittel?
Cannabishaltige Medikamente haben gegenüber vielen anderen Medikamenten einen Vorteil: Wenn man es akut gut verträgt, dann kann es einem wirklich für lange Zeit helfen, da es Magen, Leber, Nieren und andere innere Organe nicht schädigt.
Wofür setzt sich die Arbeitsgemeinschaft ein?
Unsere zentrale Forderung lautet: Die Entscheidung, ob ein Medikament auf Cannabisbasis zum Einsatz kommen sollte oder nicht, muss eine Entscheidung zwischen Arzt und Patient sein, nicht eine Entscheidung einer Behörde oder eine Frage der finanziellen Möglichkeiten des Patienten. Die aktuelle Regelung treibt Patienten in die Illegalität. 160 der bis jetzt 460 Patienten, die in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung zur Behandlung mit Cannabis erhielten, sind von mir unterstützt worden.
Vor einem Jahr haben wir über Ihre Online-Petition berichtet. Was ist daraus geworden?
Im März dieses Jahres fand eine öffentliche Anhörung im Bundestag statt. Mit dabei waren Bundesgesundheitsminister Herman Gröhe (CDU) und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU). Ein Beschluss steht noch aus.
Gibt es bei Richtern ein Umdenken?
Immer mehr Richter kommen zu dem Schluss: Ein Schmerzpatient, der keine 500 bis 1000 Euro pro Monat für Cannabis-Medikamente ausgeben kann, sollte die Möglichkeit haben, sich selbst zu versorgen, indem er Cannabis selbst anbaut.
Wie sieht die Zukunft aus?
Wir werden Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten erleben. Hinsichtlich der generellen Legalisierung stellt sich die Frage, wie weit eine Gesellschaft es wagt, neue Wege zu beschreiten. Zurzeit gibt es eine wachsende Bereitschaft für neue Wege.