Hagen.. Der Diözesan-Caritasverband Paderborn fordert Hilfsdienste wie Tafeln, Warenkörbe und Kleiderkammern auf, ihre Angebote auf den Prüfstand zu stellen. Der Appell ist direkt an die Träger der Hilfsdienste gerichtet. Die Mitarbeiter der Tafeln in Südwestfalen weisen die Kritik vehement zurück.
Christoph Eikenbusch vom Diözesan-Caritasverband Paderborn stellt die Arbeit der Tafeln, Warenkörbe und Kleiderkammern öffentlich infrage. Indirekt, denn er kritisiert in erster Linie den Staat, der sich im Kampf gegen Armut aus der Verantwortung schleiche und es zulasse, dass die Angebote der Hilfsdienste zu einer Regelversorgung würden.
„Die Armutsbekämpfung wird dadurch in den Hintergrund gedrängt“, warnt Eikenbusch. Akuthilfe dürfe aber zu keiner Dauerlösung werden. Letztlich befähige die Arbeit der Hilfsdienste den Staat dazu, Mittel zu kürzen und Armut zu zementieren. Ein Veränderungsprozess könne so nicht eingeleitet werden.
Alle Angebote alle drei Jahre auf den Prüfstand stellen
Die Kritik vor allem an der Tafelbewegung ist nicht neu, aber Eikenbusch geht weit über das alte Eckpunktepapier des Deutschen Caritas-Verbandes hinaus: Der Appell ist dieses Mal konkreter gefasst und in Form einer Broschüre direkt an die Träger der Hilfsdienste gerichtet. Die Forderung: Alle Angebote in einem dreijährigen Projekt auf den Prüfstand zu stellen.
In der Broschüre mit dem Titel „Kein Dienst wie jeder andere“ werden Mitarbeiter von Tafelläden oder Sozialkaufhäusern aufgefordert, den Dienst am Nächsten zu überdenken, weiterzuentwickeln oder gar aufzulösen. Oberstes Ziel müsse es sein, sich überflüssig zu machen.
Eine kostenlose Broschüre
Christoph Eikenbusch würdigt die Arbeit der meist ehrenamtlich tätigen Bürger als wichtigen Beitrag. Berechtigte Leistungsansprüche gegenüber dem Sozialstaat und die barmherzige Nächstenliebe dürften aber nicht in einem Topf landen.
„Mit der kostenlosen Broschüre könnten“, so Christoph Eikenbusch, „Warenkörbe, Suppenküchen und Kleiderkammern ihre Arbeit reflektieren und ihren Nutzen deutlich machen.“ Politische Lobbyarbeit sei dabei das Gebot der Stunde. „Vor allem Beratung tut not.“
"Am Schreibtisch lässt sich so etwas leicht sagen"
Die Mitarbeiter der Tafeln in Südwestfalen weisen die Kritik vehement zurück. Als zynisch bezeichnet der evangelische Pfarrer Dr. Christof Grote (48), verantwortlich für die Tafel in Attendorn, den „theoretischen Denkanstoß“ aus Paderborn. „Am Schreibtisch lässt sich so etwas leicht sagen, aber die Menschen, die zu uns kommen, sind dringend auf Hilfe angewiesen.“ Auch Gisela Cloer (67), Gründerin der Arnsberger Tafel, bezeichnet das „Paderborner Vorhaben“ als „unsinnig“. In Arnsberg könne von Regelversorgung keine Rede sein. Außerdem beschäftige sie sich aktuell mit ganz anderen Problemen: „Zum Beispiel, wie wir an im Winter knapp gewordenes Gemüse kommen.“ Die Supermarktketten kalkulierten angesichts steigender Preise knapper, da bleibe immer weniger übrig.
Thomas Dörr (52) von der Bad-Berleburg-Erndtebrücker Tafel überrascht die Aufforderung des Diözesan-Caritasverbandes: „Sollen wir überflüssige Lebensmittel lieber wegwerfen?“, fragt er sich. Und Ursula Schulze zur Wiesch von der Soester Tafel stellt fest: „Beratung ist nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es andere Stellen.“
„Eine Zumutung“
Barbara Beckmann (55) vom Landesverband der Tafeln in NRW findet den Vorstoß aus Paderborn „eine Zumutung“. „Der Tafelbewegung wird vorgeworfen, dass sie von Laien und nicht von Sozialarbeitern gelenkt wird. Da fehlen einem fast die Worte.“ Sie habe noch keine Studie gelesen, die Eikenbuschs These zur Regelversorgung bestätige. „Fakt ist, dass alles teurer wird, Strom, Benzin (...) Mit Hilfe der Tafeln werden Hartz-IV-Bezieher in die Lage versetzt, ihren Kindern Schuhe oder Jacken zu kaufen.“
Die Tafeln in Südwestfalen sind des „alten Streits“ müde und weisen auf ein ihrer Ansicht nach dringenderes Problem hin: Altersarmut. In allen Tafeln tauchen einer Umfrage dieser Zeitung zufolge immer mehr Rentner auf. In den letzten drei Jahren sei ihre Zahl um bis zu 7 Prozent gewachsen. Vor allem alleinstehende Seniorinnen kämen mit ihren durchschnittlich 507 Euro Monatsrente nicht mehr über die Runden.
Apropos Streit: In einem Punkt sind sich Tafeln und Diözesan-Caritasverband Paderborn einig: Der Staat muss wieder mehr leisten, damit alle Menschen in Deutschland in Würde leben können.