Warstein.. Neue Mitte hin, Neue Mitte her: Die Domschänke in der Dieplohstraße steht für nachhaltige westfälische Fachwerkbaukunst – sie wird in diesem Sommer 210 Jahre alt.
Das 1803 errichtete Stammhaus der Warsteiner Brauerei diente in erster Linie als Privathaus der Familie Cramer, war aber auch Gast- und Beherbergungsbetrieb und Hausbrauerei zugleich. In der Silvesternacht 1802 wütete ein verheerender Stadtbrand in Warstein und ließ das Haus der Familie Cramer an der Alten Kirche in der Oberstadt vollständig in Schutt und Asche niedergehen. Da die Behörden des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, zu dem Warstein von 1802 bis 1816 gehörte, die Wiederbebauung der Oberstadt wegen der großen Brandgefahr nicht erlaubten, mussten die Cramers – wie viele andere – in die Unterstadt ziehen.
Vater Johannes Vitus und sein Sohn Caspar errichteten dort in der Dieplohstraße ihr neues Haus, das schon bald wieder Mittelpunkt des Ortes werden sollte: die heutige Domschänke, das Stammhaus der Brauerei. In ihm lebte die Familie Cramer von 1803 an, gleichzeitig wurden Gäste im Haus beherbergt und verköstigt und im Keller das Bier gebraut. Aufgrund der bitteren Erfahrungen mit dem Stadtbrand wählten Vater und Sohn folgenden Inschrift für ihr neu gebautes Haus: „WIRF DEINE AUGEN AUF DEN HERREN DER WIRD VOR DICH SORGEN UND LASS DEIN LEBEN IN GOTT SEIN AUCH FÖRCHTE DICH NICHT VOR DER WELT DEN DIE HOFFNUNG AL DER HEICHLER IST VERLOHREN – IM JAHR 1803“
Die Cramers ließen damals das Haus als giebelständiges Fachwerkhaus mit einem Krüppelwalmdach errichten.
Die Architektur
Es hat einen fast quadratischen Grundriss, der unverkennbar in der Tradition des 18. Jahrhunderts steht. Der Fachwerkbau hat neun Gebinde, die vordere Giebelwand ist in acht Gefache unterteilt, mit Verstrebung in Form eines „halben Mannes“, der im ersten, vierten und achten Gefache sichtbar ist. Die Grundrisse der beiden Etagen sind identisch. Im oberen Bereich lagen die Privaträume der Familie, aber auch die damals für Gastwirtschaften obligatorischen Fremdenzimmer. In den Keller führte eine Außentreppe von der linken Traufwand hinab, über die wahrscheinlich die Rohstoffe und Zutaten für das Bierbrauen angeliefert wurden.
Landwirtschaftlich genutzt, wie die umliegenden Häuser, wurde das Stammhaus der Brauerei nie, es hatte weder Stall noch Scheune, obwohl Caspar Cramer wie sein Vater auch Landwirt war. Sein Vieh hatte er offenbar in einem Stall an der Seite zur Toten- und Bilsteinstraße untergebracht. Aus vorliegenden alten Kaufverträgen geht hervor, dass er mehrere kleine Flurstücke um die Domschänke herum aufgekauft und auch Ackerland und Wiese auf Erbpacht hinzugenommen hatte.
Die Braustätte
Klug und umsichtig vergrößerte Caspar Cramer damals seine Landwirtschaft und die Brauerei gleichermaßen. Bis zur Erweiterung des Hauses fand das Braugeschehen im Keller statt. Später gab es einen im Hinterhof errichteten Anbau, in dem die noch bescheidene Ausstattung des Braukellers mit einem Braukessel und einer Darre für Malz, einem Maischbottich, einem Weichbottich und drei Gärbottichen untergebracht war.
Das Geschäft der Brauerfamilie Cramer wurde vom Stammhaus in der Unterstadt in den Folgejahren sukzessive ausgebaut. 1895 fasste schließlich Albert Christian Cramer den weitreichenden Entschluss, eine neue moderne Brauerei direkt neben das Stammhaus zu bauen. Schon um die Jahrhundertwende war die heutige Domschänke umringt von großen Produktionshallen mit eigener Zufahrt, einem Verwaltungsgebäude und einem eigenen Park mit Springbrunnen. Von nun an stand das Stammhaus für „lebendige Tradition“ direkt neben einer hochmodernen Braustätte, rings herum siedelten immer mehr Bürger in schmucken Ein- und Zwei-Familienhäusern an. Erst mit dem Neubau der Warsteiner Brauerei in den 1970er Jahren am Fuße des Arnsberger Waldes fand die Bierproduktion inmitten der Stadt ein Ende. Der Abriss der ins Alter gekommenen Brauerei wurde in den folgenden Jahren schrittweise vorgenommen.
Das Gasthaus
Seitdem steht die Domschänke wie ein Zeitzeuge in Warsteins Mitte und erinnert an die Anfänge der Brauerfamilie Cramer in der Unterstadt. Dass das urgemütliche Gasthaus im Herzen der Bier-Stadt Warstein eine echte Perle ist, wusste man schon damals und gilt bis heute. Das schöne westfälische Fachwerk feinfühlig restauriert, schaffen die uralten Holzbalken, niedrigen Decken, antiken Möbel und die geschickte Aufteilung in kleinere Räume im Inneren eine Stimmung von Intimität, Geborgenheit und Erinnerung an die gute alte Zeit. Von der Küche werden den Besuchern Spezialitäten der deftigen sauerländischen Küche an Herz und Gaumen gelegt, aber auch verwöhnte Feinschmeckerzungen kommen in der Domschänke nicht zu kurz.
Prominente Gäste
Viele prominente Politiker und Künstler haben sich in den letzten Jahrzehnten in der Domschänke die Klinke in die Hand gegeben, darunter Andy Warhol, Tina Turner, die Gebrüder Gottschalk oder aber auch ein Hans-Dietrich Genscher, Franz Müntefering, Wolfgang Clement und Fußballkaiser Franz Beckenbauer.
Bis heute ist die Domschänke für die Warsteiner Bevölkerung ein beliebter Ort, um sich bei einem Glas frisch gezapften Bier zu treffen, sich über den jüngsten Klatsch in der Stadt auszutauschen und ihr Stammtisch- und Vereinsleben zu pflegen. Auch für Gäste und Geschäftspartner der Warsteiner Brauerei gehört ein Besuch der Domschänke quasi zum Arbeitsprogramm, schließlich wird ihnen dort ein wichtiger Teil der Unternehmensgeschichte zum Greifen nah vor die Augen geführt.