Hagen.. Wenn die Kandidaten der Parteien für die Wahl von der Laterne strahlen, sind ihnen die Blicke sicher. Der Kopf auf der Pappe ist die Botschaft.
Keiner kommt an ihnen vorbei. Das ist doppeldeutig. Besser, niemand entgeht ihnen. Die Plakate mit den Köpfen der Kandidaten für den Bundestag hängen in Klein an Laternen und Bäumen, strahlen in Groß auf Stellwänden an Kreuzungen. Ginge es nach Loriot sind die Orte glänzend gewählt.
Wie hat es Deutschlands großer Humorist einst formuliert: „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ Klingt amüsant, ist es auch.
Wahlplakate 1994 bis 2013
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Die Frage ist vielmehr: Hat sich das Plakat in Zeiten von Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat und Co. nicht längst überlebt? Brauchen die Parteien noch Pappe und Papier, um ihre Frauen und Männer mit passenden Slogans der Wählerschaft näher zu bringen? Fragen, die die WESTFALENPOST Wissenschaftlern und Werbefachleuten gestellt hat.
Kein Platz für Tiefgang
„Die Wahlplakate sind nach wie vor das wichtigste Kommunikationsmittel im Wahlkampf“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Bergem, Politikwissenschaftler an der Universität Siegen. „Sie haben den höchsten Aufmerksamkeitswert. Er liegt höher als Werbung im Radio, in Printmedien, im Fernsehen oder im Internet. Jeder geht oder fährt an ihnen vorbei. Man sieht sie einfach.“ Das Zeitfenster, die Botschaft in Bild und Text verdichtet an Autofahrer zu vermitteln, sei sehr kurz. „Der Vorwurf, kaum oder keine programmatische Aussagen zu treffen, greift nicht. Dafür ist kein Platz. Plakate haben eine andere Funktion.“
Welche? Die Antwort liefert die Werbeagentur mit Namen „Des Wahnsinns fette Beute“ aus Attendorn. Ihr Sprecher, Joachim Schwichtenberg, sagt: „Plakate sind wichtig, um Grundsatzpositionen und Haltungen zu transportieren. Sie sorgen für Sichtbarkeit und das Grundrauschen im Wahlkampf.“ Im Idealfall sollten sie einfache und klare Botschaften signalisieren. „Die Plakate erheben im Mix der verschiedenen Wahlkampfmedien weniger den Anspruch“, sagt Schwichtenberg, „Botschaften mit Tiefgang zu transportieren.“
Kontinuität das Gebot der Stunde
Bei der CDU fällt im Vergleich zum Jahr 1957 auf, die Christdemokraten scheuen den inhaltlichen Wahlkampf. Heißt es bei Konrad Adenauer: „Keine Experimente“ sagt Kanzlerin Merkel: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Inhaltlich kein Unterschied. Für Wissenschaftler Bergem keine Überraschung. Die Wahlkämpfer von Merkel hätten keine andere Wahl, schließlich wollten sie die Kanzlerschaft um vier Jahre verlängern. „Sie können nur auf Kontinuität setzen. Das ist das Gebot der Stunde.“
Dem pflichtet Dr. Stephanie Geise, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster, bei: „Merkel steht für Stabilität, Sicherheit und für dieses ‘keine Experimente’. Das passt auch in den globale politische Lage, die durch Angst und Unsicherheit geprägt ist. Mit ein Grund, warum Merkel fest im Sattel sitzt.“ Es gebe keine Wechselstimmung. Insofern sei das strategisch nicht unklug. Der Trend zur Personalisierung im Wahlkampf, siehe Christian Lindner bei der FDP, sei nicht neu. „Das gab es schon bei Adenauer. Personalisierter wie damals geht es gar nicht. Und mit einer Amerikanisierung des Wahlkampfes habe das vor diesem historischen Hintergrund nichts zu tun“, sagt Geise.
Ob es pfiffige Wahlplakate gibt? In vielen Wahlen, so Geise, seien die Plakate der Grünen witzig gewesen. „In diesem Jahr fällt die FDP aus dem Rahmen. Sie kommt mit einem anderem ästhetischen Stil herüber.“ Die Plakate hätten eine moderne Bildsprache. Wirkt der Verzicht auf Bilder wie bei den Linken? Geise: „Bildplakate prägen sich besser ein.“ Dass trotzdem viele Textplakate erstellt würden, sei nicht nachvollziehbar. „Studien zeigen eindeutig, sie werden weniger betrachtet. Diese Art von Plakaten müsste man überdenken.“ Das Plakat an sich auch? „Nein. Das zeigt die lebendige gesellschaftliche Debatte über die Plakate der populistischen Parteien, die das Weltbild vereinfachten und vermeintliche Lösungen anbieten.“
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