Hagen. Alarmstufe Rot: Seit fast vier Monaten sind Clubs geschlossen. Betreiber aus der Region erzählen von der Krise. Droht ein „Clubsterben“?

Die Party-Szene wirkt ohnmächtig: Nachtleben und Konzerte sind in der Corona-Pandemie mit den geltenden Regeln nur schwer möglich, seit fast vier Monaten haben Diskotheken in Südwestfalen geschlossen, ob und wann sie wieder öffnen ist ungewiss. Vier Betreiber und Betreiberinnen erzählen beispielhaft, wie sie mit der Krisensituation umgehen:

Betreiber der Mono-Bar in Meschede liefert Cocktails aus

Partys in der Corona-Pandemie werden derzeit am liebsten im Wohnzimmer gefeiert, weiß Thomas Bigge. Deswegen liefert der Betreiber der Mono-Bar in Meschede jeden Freitag und Samstag Cocktails und Longdrinks direkt an die Haustür. Sein Nachtlokal lässt er weiter geschlossen – auf unbestimmte Zeit. Die Hyiegenevorschriften einzuhalten und die feiernden Gäste zu ermahnen sei eine „Sisyphus-Aufgabe“, betont er. Als Club-Betreiber möchte er nicht die „Speerspitze des Ordnungsamtes“ sein, auch wenn er dabei auf einen großen Teil seiner Einnahmen verzichten muss.

Thomas Bigge betreibt die Mono-Bar in Meschede als ein Hobby.
Thomas Bigge betreibt die Mono-Bar in Meschede als ein Hobby. © Brigitta Bongard | Brigitta Bongard

Doch Existenzsorgen hat Thomas Bigge nicht. Für den 57-Jährigen ist die Mono-Bar ein Hobby, den Nachtclub betreibt der Fotograf und Veranstalter nebenberuflich. Die Club-Szene kennt er gut, legt selbst als DJ im „Mono“ auf. Den Lebensunterhalt mit einer Diskothek verdienen? Für ihn nur schwer möglich. Das „Clubsterben“ habe schon vor Corona begonnen, betont Thomas Bigge.

Um trotzdem “ein wenig Geld zu verdienen“, bietet er seit Ende März den Cocktail-Lieferservice an. Ein Kollege nimmt die telefonischen Bestellungen entgegen und mixt die Drinks im „Mono“, mit dem Auto liefert Thomas Bigge die fertigen Drinks mit dem Auto aus. Nach den Sommerferien möchte er das Angebot noch einmal bewerben. „Wenn der Lieferservice nicht zündet, dann werde ich früher oder später den Laden schließen.“

Capitol in Hagen: Kredit sichert die Zukunft der Großraum-Diskothek

Vor rund zwei Monaten war eine Insolvenz der Großraum-Diskothek Capitol in Hagen noch möglich, wie Betreiber Mike Henning im Gespräch erzählt. Die fixen Kosten von bis zu 40.000 Euro im Monat für Pacht, Strom und Wasser brauchen die Rücklagen von rund 100.000 Euro schnell auf. Mit der Entscheidung, Großveranstaltungen bis Ende Oktober zu verbieten, drohte dem Club das Aus.

Dass Mike Henning jedoch nicht verzweifelt, liegt an dem Kredit von 250.000 Euro, die ihm die KfW-Bank gewährt: „Jetzt habe ich auch noch die Luft bis September 2021 durchzuhalten“, sagt er, auch wenn er auf eine frühere Wiedereröffnung hofft. Wenn die Tanzflächen wieder voll sind, dann sei die Krise für die Club-Szene aber noch nicht vorbei, meint er: „Es werden noch Diskotheken sterben und viele sind schon tot, aber die Insolvenzwelle wird erst später kommen“, sagt Mike Henning.

Das Capitol wird in der Betriebspause von ihm und seinen acht Festangestellten renoviert. Entlassen hat er in der Krise keinen. Ein neuer Tanz- und Außenbereich sollen entstehen. Anfang Juli öffneten sie sogar einen Teilbereich der Großraum-Diskothek: 56 Abiturienten feierten im Capitol ihren Abschluss. Für Mike Henning und sein Team ein „besonderer Tag“ nach fast vier Monaten Pause.

Renovierung: Der Kump in Brilon bleibt vorerst geschlossen

„Wir sind keine Gastronomie, die darauf ausgelegt ist, dass die Leute ruhig an ihren Tischen sitzen und gemächlich ein oder zwei Bier trinken“, sagt Nadine Jaeger, Geschäftsführerin des Kump in Brilon, „sondern wir sind eine Location, wo die Leute auch auf den Tischen und der Theke tanzen dürfen.“ Mit den derzeitigen Hygienevorschriften: unvereinbar. Der Kump bleibt geschlossen: keine Live-Konzerte auf der Bühne, keine 80er-Themenpartys. Zusammen mit Inhaber Sebastian Kühl hat sie diese Entscheidung bewusst getroffen, beide betreiben die Bar nebenberuflich, drei Tage in der Woche hätten sie geöffnet, wenn Corona nicht wäre.

Geld vom Staat bekommen sie nicht. In der freien Zeit wird der Kump renoviert. „Das kostet Geld, aber das ist man dann auch bereit zu zahlen, wenn man die Hoffnung hat, dass es irgendwann auch wieder losgeht und der Laden gut funktionieren wird.“ Die Hoffnung, dass im Kump bald wieder auf den Tischen getanzt wird, hat Nadine Jaeger. „Dem Kump geht es in Brilon verhältnismäßig gut, weil er in den 41 Jahren zu einer Art Institution geworden ist.“

Opfer der Krise: Das Daddy Blatzheim in Dortmund schafft es nicht

Casper, Deichkind, Fettes Brot: Die bekannten Hip-Hop-Künstler traten im Daddy Blatzheim in Dortmund auf. Doch die Diskothek wird die Krise nicht überleben. Zum Ende des Jahres ist Schluss, wie Jan Möller im Gespräch betont.

Das frühzeitige Ende des Daddy Blatzheim bedauert der Inhaber der Muto Heimatgastronomie GmbH, die neben der Diskothek noch andere Gastronomien in der Region betreibt. Seit 2011 leitet er zusammen mit Philipp Winterkamp den Club im Westfalenpark: „Da hängt man dann auch ein bisschen mit dem Herzen dran“, sagt er, „wenn so eine Zeit zu Ende geht, dann möchten wir auch einen würdigen Abschied feiern. Diese Möglichkeit wurde uns jetzt genommen.“

Zwar sei die Situation bei der Muto Heimatgastronomie nicht vergleichbar mit Einzelbetreibern von Clubs, „aber dass wir den Club jetzt ein Dreivierteljahr nicht betreiben können, bringt uns im Gesamtunternehmen wirtschaftliche Probleme“, so Jan Möller. Das Daddy Blatzheim hätte ohnehin schließen müssen, zum 31. Dezember 2020 läuft der Pachtvertrag mit der Stadt Dortmund aus. Die beiden Inhaber konnten sich mit der Stadt nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen und verlängerten den Vertrag nicht. Doch wie es mit der Diskothek danach weitergehen sollte, war Jan Möller zufolge zunächst unklar, nun habe die Corona-Krise weitere Ideen für die Zukunft begraben. Jan Möller versichert, dem Club werden in Dortmund noch andere folgen.