Soest.. Messerstecherei mit einem Toten bei einer Vorabiparty in Soest: Nun hinterfragen Polizei und Schulleiter das Sicherheitskonzept bei solchen Veranstaltungen und kritisieren deren Kommerzialisierung.
Die Schüler des Soester Aldegrever-Gymnasiums können kaum fassen, was geschehen ist. Bei der von ihnen am Samstag organisierten Vorabifete starb ein 20-Jähriger aus Möhnesee nach einer Messerstecherei. Heute steht in ihrer Schule nicht der Unterricht im Vordergrund, sondern die Trauerbewältigung. Mehrer Seelsorger begleiten die Schüler heute auf ihrem Weg zu verstehen, was sie erlebt haben.
Dass es zu Gewalttätgkeiten bei Schülerveranstaltungen kommt, ist laut Polizei keine Seltenheit mehr. „Dass es zu Reibereien kommt, liegt in der Natur der Veranstaltung“, so Polizeisprecher Winfried Schnieders. „200 bis 300 junge Leute in Feierlaune und viel Alkohol, da passiert schnell etwas.“
Bekannt ist inzwischen, dass weder das Opfer noch der Täter Schüler des Aldegrever-Gynmnasiums waren. Denn wie bei solchen Vorabifeten üblich, kann jeder, der sich eine Eintrittskarte kauft, an solch einem Event teilnehmen. „Das Problem ist, dass es sich hier um eine halböffentliche Veranstaltung handelt“, meint Martin Burghardt, Schulleiter des Soester Aldegrever Gymnasiums. Eine Vorabifete werde immer ausschließlich von Schülern organisiert, die Schulleitung habe keinen Einfluss darauf. Üblich sei auch, das Ganze in einer gastronomischen Lokalität abzuhalten, „und da mischt sich dann eben auch das Laufpublikum unter die Schüler“, so Burghardts Einschätzung.
Trotz Security hatte der Täter ein Messer
Auch Polizeisprecher Winfried Schnieders sieht das Problem in der Form der Veranstaltung. „Sobald so etwas in einem Schulgebäude oder in einem Gebäude der Kommune stattfindet, werden wir in die Sicherheitsplanung miteinbezogen“, erklärt er. Dann könne auch kontrolliert werden, wer rein- und rausgehe. Findet die Feier dagegen in der Gastronomie statt, liegt es am Betreiber, inwieweit ein Sicherheitsdienst für Ordnung sorgt. Bei dem Unglück vom Samstag waren sechs Sicherheitsleute anwesend. Das Security-Unternehmen war dem Betreiber bekannt. Er arbeitete bereits mehrfach mit der Firma zusammen. Dennoch hatte der Täter ein Messer. Die Polizei stellte fest, dass in dem Lokal ein Fenster zerbrochen wurde, durch welches sich eventuell Gäste unerlaubten Zutritt zu der Party verschafft hatten.
Im Nachhinein stellt sich nun die Frage, welchen Sinn diese Vorabipartys inzwischen haben. „Bei uns gibt es diese Vorfeiern bereits seit Jahren“, sagt Martin Burghardt, Schulleiter der betroffenen Schule, „vor allem, um die immer höheren Kosten des eigentlichen Abiballs und der Abizeitung zu finanzieren.“ Allein der Druck der Zeitung koste im Schnitt um die 1.500 Euro, der Ball verschlinge jährlich mehrere tausend Euro. Die Erlöse aus den Eintrittskarten deckten längst nicht die Kosten. „Wenn die Schüler ein mehrgängiges Menü und eine Band einplanen, dann ist es mit 20 Euro Eintritt längst nicht getan“, so der Schuldirektor.
Ein Trend zu extravaganten Feiern
Noch etwas kritischer sieht es Alfred Pieper-Eiselen, Gymnasialleiter in Bochum-Wattenscheid. „Es ist inzwischen ein richtiger Markt für solche Abibälle und Vorabipartys entstanden. Es gibt Eventleute, die sich darauf spezialisiert haben, und die Gastwirte rechnen fest mit diesen Feiern“, sagt er. In den meisten Gaststätten würden die Betreiber mit den Schüler Verträge aushandeln, in denen diese sich zu einem Mindestumsatz und zu einer Mindestanzahl an verkauften Karten verpflichten würden.
Genau wie sein Kollege erkennt auch Pieper-Eiselen in seiner Stadt zudem einen Trend zum immer pompöseren Feiern: „Die Schüler haben heute andere Ansprüche als noch vor zehn Jahren. Sie wollen eine Live-Band, eine Live-Show, einen extravaganten Caterer. Das kann dann um die 10.000 Euro kosten.“ Die Vorabipartys haben seiner Einschätzung nach inzwischen aber nicht mehr den alleinigen Zweck, das Geld für den eigentlichen Ball zu beschaffen. „Tatsächlich ist es für viele doch nur eine weitere Gelegenheit zu feiern. Viele Abiturjahrgänge veranstalten nicht mehr nur eine, sondern mehrere Vorabipartys und besuchen die der anderen Schulen“, meint Pieper-Eiselen. „Was die junge Generation lebt, ist ein Phänomen unserer Zeit: permanentes Feiern in der Spaßgesellschaft Deutschlands.“