Gevelsberg. Der „Corona-Erlass“ der Landesregierung sorgt einerseits für Vertrauen und Verlässlichkeit. Aber es ist ein schmaler Grat.
Seit Dienstagnachmittag ist es amtlich: Das öffentliche Leben, wie es die Menschen aus ihrem Alltag kennen, wird in den kommenden Wochen nicht mehr dasselbe sein. Schuld ist das sich ausbreitende Coronavirus. In
Sundern im Hochsauerlandkreis und in Möhnesee
gibt es zwei weitere bestätigte Fälle in der Region. Ein Erlass der Landesregierung soll nun die Ausbreitung verlangsamen: Er sieht eine Absage aller Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern vor. Und lässt den Kommunen Entscheidungsfreiheit bei denen, die eine geringere Teilnehmerzahl haben.
Wie das ankommt? Bei jenen, die Entscheidungen treffen müssen, und bei jenen, die Veranstaltungen bevorstehen haben?
Der Bürgermeister
Es ist durchaus so etwas wie Erleichterung hörbar in der Stimme von Claus Jacobi. „Als Bürgermeister bin ich sehr froh, dass die Entscheidungen durch diesen Erlass nun entsprechend gelenkt werden“, sagt der Bürgermeister der Stadt Gevelsberg mit gut 30.000 Einwohnern. „So ein Erlass ist eine Empfehlung, wirkt aber wie eine Anordnung. Denn Sie wären nicht gut beraten auszuscheren.“ Heißt: Ähnlich gelagerte Veranstaltungen werden in allen Kommunen gleich behandelt. Das „schafft Verlässlichkeit und Vertrauen bei den Bürgern“, sagt Jacobi.
Aber noch immer gibt es ungeklärte Fragen. Für Jacobi zählt dazu der nun nahende verkaufsoffene Sonntag. „Das ist eine Besonderheit – genauso wie der Wochenmarkt jeden Mittwoch und jeden Samstag. Ist das eine Veranstaltung im Sinne des Erlasses? Diese Frage werde ich mit den übergeordneten Aufsichtsbehörden – Ministerium, Bezirksregierung und Kreis – zeitnah klären, um eine Entscheidung herbeizuführen.“ Der verkaufsoffene Sonntag in Meschede soll am 15. März zum Beispiel stattfinden.
Zudem liegt im Verantwortungsbereich der Kommunen, wie sie mit Veranstaltungen umgehen, zu denen weniger als 1000 Menschen erwartet werden. Jacobi hat dafür die Losung ausgegeben, „dass wir mindestens drei volle Werktage vor der Veranstaltung entscheiden. Grundlage der Entscheidung sind die im Erlass genannten Parameter.“ Zum Beispiel zur Art der Veranstaltung, zu den Räumlichkeiten, zum erwarteten Publikum.
„Manches sind Einzelfall-Entscheidungen, die mit Augenmaß getroffen werden müssen. Schließlich ist es auch nicht im Sinne aller, wenn das gesamte öffentliche Leben zum Stillstand kommt. Panik und Angst könnten entstehen – und die sind auch ein gefährliches Virus“, sagt Jacobi. „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen jetzt gerade einfach Entscheidungen wollen, selbst wenn diese in dem einen oder anderen Fall nicht schön sind. Sie sind bereit, die Entscheidungen mitzutragen.“
Der Schütze
Alexander Pusch, Bundesjugendsprecher des Sauerländer Schützenbundes, ist auf die Medien nicht gut zu sprechen: „Die Berichterstattung über das Coronavirus nimmt überhand. Das schürt Angst.“ Der Appell des 26 Jahre alte Arnsbergers: „Eine sachlichere Darbietung ist zurzeit geboten.“ Vor allem in den Boulevardzeitungen. Das Thema verfolge ihn überall: Selbst dort, wo gemütliches Beisammensein Ablenkung bewirken sollte, sei das Virus und seine Auswirkungen in fast allen Gesprächen präsent.
Einige Kreis-Delegiertenversammlungen seien bereits abgesagt worden. „Leider.“ Nach seinem Kenntnisstand werde die nächste Zusammenkunft in Arnsberg-Sichtigvor stattfinden. Viele Veranstaltungen der Schützen im Sauerland stünden aber davor, abgesagt zu werden. „Das finanzielle Risiko ist einfach zu groß.“ Auch die Bundesversammlung am 25. April sei in Gefahr. Sollte es entsprechende Empfehlungen geben, „dann werden wir uns natürlich daran halten. Aber es würde mich traurig stimmen.“
Immerhin freue er sich schon das ganze Jahr auf Tambourkorps, Musik und mehr. „Eben auf all das, was die Vorfreude auf die anstehende Schützen-Saison weckt.“
Die Schausteller
Nach den Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums und der Anordnung der Landesregierung sorgen sich die Schausteller, dass die Osterkirmessen abgesagt werden könnten.
Wenn von der „1000er-Grenze“ auch Volksfeste in Nordrhein-Westfalen betroffen sein sollten, bedeute dies für die Schausteller einen existenzbedrohenden Totalausfall.