Kirchhundem. Vor fünf Jahren sprach Kanzlerin Merkel ihren berühmten Satz „Wir schaffen das“. Seit fünf Jahren ist Bärbel Aßmann-Bals Flüchtlingshelferin.
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am 31. August 2015, heute vor fünf Jahren, auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise ihren berühmten Satz „Wir schaffen das“ sprach, saß Bärbel Aßmann-Bals vor dem Fernseher und sagte sich: „Da helfe ich mit.“ Bis heute lässt die 63-Jährige als Motor der Flüchtlingshilfe Kirchhundem ihren Worten Taten folgen.
Seit fünf Jahren sei sie fast in Vollzeit als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin beschäftigt, sagt Bärbel Aßmann-Bals und lacht herzhaft. Als die Kinder ins Studium gingen, suchte die ausgebildete Hebamme eine Aufgabe – und fand so etwas wie eine Berufung.
Eine Herzensangelegenheit
Mindestens eine Herzensangelegenheit. „Ich habe selbst einige Jahre im Ausland gelebt, bin mit Gastarbeitern im Ruhrgebiet aufgewachsen. Fremde Kulturen sind mir also nicht fern.“ Sie lebt heute gerne im Sauerland, muss sich aber wundern, dass so mancher Mitbürger nach wie vor Berührungsängste gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen hat. „Wenn es aber um eine Urlaubsreise geht, scheint der andere Kulturkreis plötzlich nicht mehr so fremd.“
Bärbel Aßmann-Bals kann sich gut daran erinnern, als 2015 die ersten syrischen Flüchtlinge eine Wohnung in ihrem Dorf bezogen. „Einer konnte Englisch, mit den anderen habe ich mich mit Händen und Füßen unterhalten.“
Schwer traumatisiert von Flucht und Vertreibung
Es seien höfliche, fleißige und gebildete Männer gewesen, aber schwer traumatisiert von Flucht und Vertreibung. „Was sie mir über Krieg, Terror und Gewalt in ihrer Heimat erzählten, hat mir das Blut in den Adern gefrieren lassen. Als sie nach Deutschland kamen, standen sie vor dem Nichts“
Die Männer wurden vom Assad-Regime, von der Terrororganisation Islamischer Staat oder von Rebellen verfolgt, sie waren ihres Lebens nicht mehr sicher, riskierten auf der Flucht Kopf und Kragen, um in Europa Zuflucht zu finden. „Und diese Menschen, die aus purer Not und Verzweiflung zu uns gekommen sind, müssen dann mitbekommen, dass manche vorwurfsvoll auf sie herabblicken – die Nase rümpfen mit der Frage: Wie kann man nur Frau und Kinder im Krieg zurücklassen?“
Die Flüchtlingshelferin wurde nicht müde zu sagen, dass in erster Linie Männern nach dem Leben getrachtet wurde und ihre Frauen Zuflucht in ihren Großfamilien fanden. „Ich musste daran erinnern, dass auch diese Menschen eine Würde haben.“
Ein Stück des Glücks weitergegeben
Die Schilderungen der drei Flüchtlinge berührten Bärbel Aßmann-Bals damals tief. „Was geht es uns doch gut, habe ich gedacht.“ Die Wahl-Sauerländerin wollte ein Stück ihres Glücks weitergeben und gründete mit anderen die Flüchtlingshilfe Kirchhundem. Bis heute bildet sie mit Li Müller und Ulrike Vollmer-Münker den harten Kern.
Im Laufe der Zeit sind Ehrenamtliche abgesprungen. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Möbeln und Kleidung wie am Anfang der Flüchtlingswelle sei weggefallen, erklärt Bärbel Aßmann-Bals, heute gehe es mehr um Wohnungs- und Arbeitssuche, um Teilhabe und Integration, um Orientierung im Dickicht der deutschen Bürokratie. „Viele mögliche Helfer wollen sich nicht den lieben langen Tag mit dem Ausfüllen von Anträgen oder sonstigen Behördenkontakten beschäftigen.“
Ihr Pkw bringt es auf die Jahres-Kilometer-Leistung eines Außendienstmitarbeiters. Das Sauerland ist nun mal auch das Land der tausend Wege. Die 63-Jährige bringt Flüchtlinge zum Jobcenter in Lennestadt, zum Rathaus nach Kirchhundem oder zur Ausländerbehörde nach Olpe – oder sitzt viel zu oft, wie sie sagt, am Schreibtisch und organisiert zum Beispiel Briefverkehr zu Botschaften. „Die Bürokratie macht einen großen Teil meiner Arbeit aus. Ich wünschte mir, dass ich mehr Zeit für den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen hätte.“
Es fehlen Treffpunkte für Flüchtlinge
Denn der bleibt nach wie vor ein Knackpunkt einer Integration. Insbesondere auf dem Land. „In Syrien spielen sich das Leben und die Sozialkontakte auf der Straße ab. Wenn hier Flüchtlinge am späten Nachmittag von der Arbeit kommen, fragen sie sich, wo die Menschen sind. Es fehlen Treffpunkte.“ Dezentrales Wohnen, aber auch Probleme der Mobilität auf dem Land können Integration erschweren.
Bärbel Aßmann-Bals sieht sich als Anwalt der Flüchtlinge: „Ich verteidige diese Menschen.“ Das gehe aber nur mit professioneller Distanz: „Sonst kann man nicht helfen.“
Anfeindungen ausgesetzt
Nicht jeder kann ihre Tätigkeit nachvollziehen. „Ich erlebe auch Anfeindungen“, sagt die Frau aus Kirchhundem. Das krasseste Beispiel kam ihr bei einer Wohnungssuche unter. Der Vermieter weigerte sich, Flüchtlingen Räume zur Verfügung zu stellen: „Das seien alles Wirtschafts-Flüchtlinge, sagte er zu mir. Und dass es unanständig sei, dass ich denen zur Seite stehe.“
Ein anderer Vermieter betonte, dass er „keine Schwatten“ nehme. Bärbel Aßmann-Bals hat beiden die Meinung gesagt. „Bei Alltagsrassismus kann ich meinen Mund nicht halten. Am Anfang wollte ich nur helfen. Ich bin mit der Zeit politisch geworden.“
Die Flüchtlingshelferin weiß sehr wohl, dass es wie in jeder Gesellschaft auch unter Flüchtlingen schwarze Schafe gibt. „Ich kann aber guten Gewissens sagen, dass ich bislang keine negativen Erfahrungen gemacht habe.“ Auch nach fünf Jahren Flüchtlingsarbeit zeigt Bärbel Aßmann-Bals keine Ermüdungserscheinungen. „Ich kann nicht damit aufhören. Es kommt so viel zurück.“