Düsseldorf. NRW will künftig 1000 Meter Mindestabstand zwischen Bebauung und Windräder. „Eine energiepolitische Geisterfahrt“, findet Experte Priggen.
Das Land Nordrhein-Westfalen will beim Windkraftausbau weiter auf deutliche Abstände zu Wohnbebauungen setzen und künftig eine Mindestabstandsgrenze von 1000 Metern festschreiben. Ein entsprechender Gesetzesentwurf sollte nach Informationen dieser Zeitung am Montag im Kabinett der Landesregierung beschlossen werden.
Damit würde Nordrhein-Westfalen die von der Großen Koalition im Bund vorgegebene maximal mögliche Mindestabstandsregelung anwenden, die im Sommer dieses Jahres beschlossen wurde. Dieser Beschluss lässt den Bundesländern durchaus Spielraum bei den Abständen zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauungen – allerdings nach unten. Einige Länder wollen dies auch nutzen, um den zuletzt erlahmten Windkraftausbau an Land wieder beschleunigen zu können.
Söders Sonderweg
Allein Bayern beharrt auf einer Sonderregelung. Hier gilt seit 2014 eine Regel, nach der der Abstand das Zehnfache der Nabenhöhe betragen muss. Bei immer größer werdenden Windkrafträdern können dies also durchaus auch 2000 Meter sein.
NRW wendet bislang eine Regelung aus dem Landesentwicklungsplan an. Hier lautet die Empfehlung: 1500 Meter Abstand zur nächsten Wohnbebauung. Ein Gesetz ist dies nicht. Genauer beschrieben werden soll offenbar auch, ab wann die Regelung im Baugesetzbuch greifen soll. Demnach heißt es, dass ab einer Bebauung von zehn Gebäuden die entsprechende Abstandsregelung greifen soll. Wobei es sich auch um Mischgebäude handeln darf, die nur zum Teil zu Wohnzwecken genutzt werden. Bislang war unklar, ob nicht sogar zu einzelnen Höfen ein entsprechender Abstand eingehalten werden muss.
Die CDU/FDP-Landesregierung hatte es sich nach eigenen Angaben schnell nach dem Amtsantritt im Jahr 2017 zum Ziel gesetzt, die Akzeptanz für Erneuerbare Energien aus Windkraft und eine entsprechende Bebauung mit Anlagen an Land zu erhalten. Mit der Empfehlung im LEP von 1500 Meter Abstand bremste man damit aus Sicht der Windkraftbranche den weiteren Ausbau aus. Es herrscht seitdem Verunsicherung bei Investoren wie Kommunen, wie ein weiterer Ausbau rechtssicher möglich ist.
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Der Kabinettsbeschluss kurz vor Weihnachten sollte mehr Klarheit schaffen. Der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW, Reiner Priggen sieht genau das Gegenteil erreicht: „Die Landesregierung schummelt der Windenergie-Branche hier ein vergiftetes Paket unter den Weihnachtsbaum: Diese Regelung wird viele Planungen im nächsten Jahr kaputt machen und zu einem Einbruch des Ausbaus führen. Und das Ganze bei gleichzeitiger Abschaltung von 5,6 Gigawatt Kohle-Leistung in den kommenden zwei Jahren. Das ist eine energiepolitische Geisterfahrt dieser Landesregierung.“
Tatsächlich ist der Ausbau der Windkraft in NRW in den vergangenen drei Jahren nachweislich deutlich gesunken. Laut Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) wurden 2017 noch 323 Anlagen mit rund 900 Megawatt Leistung in NRW in Betrieb genommen. 2018 waren es laut LEE nur noch 115 neue Anlagen mit 355 Megawatt Leistung. Im vergangenen Jahr sogar nur 37 (125 MW) und im ersten Halbjahr dieses Jahres lediglich 28 (73 MW).
LEE sieht weiter Rechtsunsicherheit
Dass sich dies mit der neuen Gesetzesregelung ändern wird, glaubt LEE-Vorstand Priggen nicht: „Keine rechtssicheren Regelungen, schwammige und auslegbare Formulierungen. Diejenigen, die unter dieser Landesregierung überhaupt noch den Mut haben, in Windkraftanlagen zu investieren, werden wieder vor die Gerichte geschickt, statt dass ihnen klare Perspektiven geboten werden.“
Durch die Regelungen würden unnötigerweise Flächenpotenziale blockiert und weitere Rechtsunsicherheiten geschaffen. Ob sich damit die Minimalziele der Landesregierung erreichen ließen, sei schon fraglich, sicher aber nicht die Ziele, die für einen wirksamen Klimaschutz tatsächlich notwendig seien. „Es ist nicht zu verstehen. Dafür hat die Regierung des Bürokratieabbaus nun fast vier Jahre gebraucht?“, fragt der LEE-Vorsitzende Reiner Priggen.