Meschede. Wer kennt den Spruch noch? „Wir führen Gutes im Schilde“. Das war die Bier-Werbung der Brauerei Veltins. Wir gewähren Einblicke in deren Archiv.
Beim Anblick der Reklameschilder im Veltins-Archiv, die 50 und mehr Jahre auf dem Buckel haben, kann man schon ins Schwärmen geraten. Slogans wie „Wir führen Gutes im Schilde“ erinnern an Zeiten, in denen auf Werbung noch keine Warnung vor Alkoholmissbrauch stand. Stattdessen pure Nostalgie auf 400 Quadratmetern in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bier-Produktionsstätte in Meschede-Grevenstein. Hunderte von Dokumenten, die vom Aufstieg der kleinen Landbrauerei C. & A. Veltins erzählen, die im 20. Jahrhundert der übermächtigen Konkurrenz aus Dortmund den Rang abläuft.
„Das Archiv ist nicht für die Öffentlichkeit gedacht“, berichtet Firmensprecher Ulrich Biene. Vielmehr soll es den eigenen Mitarbeitern Werte und Tradition vermitteln. Nebenbei können jung-kreative Angestellte bei Werbe-Agenturen, die weder eine Lochkarte noch einen Stammtisch-Aschenbecher kennen, lernen, dass der Blick in die Vergangenheit eines 1824 gegründeten Unternehmens für ihre Arbeit durchaus Vorteile haben kann.
Irrtümer des Zeitgeistes
Elke Kenter arbeitet seit fünf Jahren an dem Archiv. Sie blickt auf Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen Produktionsgebäude zu sehen sind, die eher an Baracken erinnern. „Alles hat klein angefangen“, erzählt sie und präsentiert Exponate, die darauf hindeuten, wie überschaubar in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Werbemittel für die Sauerländer waren. Vor allem im Vergleich zu den dominanten Brauereien in der Ruhrmetropole. „Die Dortmunder Union Brauerei hat 1953 als erste Brauerei in Deutschland die Ein-Million-Hektoliter-Grenze durchbrochen", ergänzt Ulrich Biene. „Davon konnten wir nur träumen.“
Im Archiv entdeckt man aufgereihte Gläser und Pokale aus den 30er Jahren, verschiedene Kelchformen, die im Laufe der Jahrzehnte immer schlanker werden. Darunter auch Irrtümer des Zeitgeistes wie Luigi Colanis Bierglas mit Griffmulde. Auch das in den 60er Jahren beliebte, mit Rissnetzen versehene Craquelé-Glas springt ins Auge.
In einem Raum des auf zwei Etagen untergebrachten Archivs rahmt eine alte Schaltwarte mit analoger Relaistechnik, mit der in den 70er Jahren der Brauereiprozess gesteuert wurde, Exponate ein. Bunte Edelstahl-Theken aus den Nullerjahren folgen wie eine Sammlung von Etiketten mit verschnörkelten Schriftzügen unter dem Veltins-Emblem mit der Krone. Bierdeckel mit ungewöhnlicher Dicke von 4,0 Millimetern (heute 1,2 Millimeter) wechseln sich ab mit alten Stempelkarten. Eine Etage tiefer stapeln sich Holzfässer.
Flyer aus den 50ern mit der Aufschrift „Das ist die Masche… in der Einwegflasche“ mit passendem Versandkarton stehen für die Reise zur Verfügung. Ganz in der Nähe: bunte, bleiverglaste Fenster mit vom Zigarren- und Zigarettenrauch vergilbten Rahmen.
Zentrales Thema des Archivs ist die Werbung im Wandel der Zeit. Emailleschilder, die die Fassaden der Gasthäuser in den 50er und 60er Jahren beherrschten, kann sich zu dieser Zeit C. & A. Veltins nicht leisten. Die Firma setzt auf eine nicht so teure Alternative: auf Imoglasschilder, einem Kunststoff-Überzugsmittel wie man es von Thermometern kennt. Die Imitation von echten Glasschildern, hergestellt von einer Wuppertaler Firma, weist zu dieser Zeit Biertrinkern im Sauerland den Weg.
„Mit jedem Umzug im Laufe der Jahrzehnte ist Archivmaterial verloren gegangen“, sagt Biene. Das bedeutet viel Arbeit für Elke Kenter. 1500 Artikel hat die Archivarin bisher akribisch zusammengestellt, inklusive der einstündigen Interviews von Veltins-Mitarbeitern, die vor laufender Kamera über die Braukunst vor 40 und mehr Jahren erzählen. Vieles ist noch in Kisten verstaut, wartet darauf, ausgepackt zu werden.
Der Erfolg des Landbieres
Was spricht für ein aufwendig zu unterhaltendes Archiv? „Zum Beispiel“, so Ulrich Biene, „der Erfolg des Grevensteiner Landbiers.“ 2014 wurde es von Veltins nach historischem Vorbild hergestellt und in Zeiten rückläufigen Pils-Ausstoßes für die Brauerei zu einem der größten Erfolge der vergangenen Jahre. Mit der Rückbesinnung auf Vergangenes, auf Tradition und auf Heimat habe man den Nerv der Zeit getroffen, sagt der Firmensprecher.
Und das dokumentiere eben auch der historische Briefkopf auf dem Etikett des Landbieres. Man habe bewusst keine Design-Agentur beauftragt. Stattdessen ziert der Briefkopf eines Schreibens von 1928 – zufällig im Archiv der Bezirksregierung Arnsberg entdeckt – als Etikett die Flasche. „Die Asymmetrie macht sie auf den ersten Blick anders und authentisch.“ Biene zufolge sehnen sich nachwachsende Konsumgenerationen nach Produkten, die eine Geschichte erzählen. „So wie die des Landbieres, deren Zuwachsraten zweistellig sind.“
2024 feiert Veltins sein 200-Jahr- Jubiläum. Bis dahin soll laut Ulrich Biene das Archiv „so lückenlos wie möglich“ die Geschichte der Firma erfahrbar machen. Auch die, wie eine Landbrauerei mit 17 Mitarbeitern und 12.000-Hektoliter-Ausstoß 1953 von einem Trend profitierte, der in Dortmund verpasst wurde. Im Ruhrgebiet stiegen die Brauereien zu spät von Export auf Pils um.