Düsseldorf/Hagen.. Im Streit um verschärften Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen sind die Fronten verhärtet. Viele Schützenvereine und Karnevalsgesellschaften fürchten um den Bestand der Tradition und das Aus für ihr Brauchtum. Ärzte und Gesundheitsverbände lehnten dagegen in einer NRW-Landtagsanhörung jedwede Ausnahmen vom Rauchverbot ab.

Die 1,2 Millionen Schützenbrüder in NRW stehen auf den Zinnen. Der rot-grüne Entwurf des neuen Nichtraucherschutzgesetzes sieht ein totales Rauchverbot in Kneipen und Festzelten vor. „Dann gehen Schützenfeste reihenweise den Bach runter“, warnt Schützen-Präsident Klaus Stallmann. Kein Ehrenamtlicher wolle persönlich haften für Bußgelder von 2500 Euro, wenn trotz Verbots geraucht werde. Zudem droht Ärger mit Anwohnern, wenn Raucher vor der Tür qualmen und quatschen.

Die Karnevalsvereine erwarten einen Besucherschwund, wenn die NRW-Landesregierung keine Ausnahmen vom Rauchverbot in der Gastronomie zulässt. „Dann kann man gleich dicht machen“, glaubt Rolf Peter Hohn vom Bund Deutscher Karneval. Erst höhere Gema-Gebühren, dann teure Brandschutzauflagen. Und nun das drohende Rauchverbot. „Kleine Vereine können sich das nicht leisten.“

Rauchverbot beschleunigt das Kneipensterben

Während Brauchtumsvereine weiter auf Ausnahmen vom Rauchverbot für geschlossene Veranstaltungen und private Feiern hoffen, sieht es für die kleine Eckkneipe nicht gut aus. Klaus Hübenthal vom NRW-Gaststättenverband Dehoga erwartet ein beschleunigtes Kneipensterben. Jede fünfte der 9200 Kneipen in NRW sei gefährdet, wenn der Umsatz nach einem Rauchverbot wie in Bayern um 20 Prozent sinke.

Ärzte und Gesundheitsverbände drängen aber auf eine ausnahmslos „kippenfreie“ Kneipenlandschaft. Heute sind 25 Prozent der Bürger Passivrauch ausgesetzt, rechnet Kurt Rasche von den NRW-Ärztekammern vor. Dass auch Kinder in Festzelten und im Karneval dem Qualm hilflos ausgesetzt sind, hält die Verbotsverfechter für nicht länger hinnehmbar. Schützen-Präsident Stallmann lenkt ein. Künftig sollen Kinder besser vor Qualmschwaden geschützt werden.

Gute Erfahrungen mit dem Rauchverbot in Bayern

Joseph Kuhn vom bayerischen Gesundheitsministerium verweist derweil auf gute Erfahrungen mit dem strikten Rauchverbot. Die Belastung durch Passivrauch ist rückläufig. Aber Bayern hat ein Schlupfloch geöffnet: Bei geschlossenen, privaten Familienfeiern und Festen mit persönlicher Einladung greift das totale Rauchverbot nicht.

Brauereiverband NRW drängt beim Nichtraucherschutz auf "Wahlfreiheit"

Der Brauereiverband NRW drängt darauf, beim Nichtraucherschutz „die Kirche im Dorf zu lassen und Wahlfreiheit“ zu geben. Stephan Keller, Düsseldorfer Ordnungsamtsleiter, hält die Behörden aber für überfordert, ein Rauchverbot mit Ausnahmen in Kneipen zu kontrollieren. Dass Rot-Grün auch ein striktes Rauchverbot auf Kinderspielplätzen plant, verschärft das Vollzugsproblem. Grundsätzlich aber halten die Kommunen einen umfassenden Nichtraucherschutz für richtig. Der Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Steffens (Grüne) sieht ein totales Rauchverbot in der Gastronomie vor. Das lehnen CDU, FDP, Piraten und Teile der SPD ab.

SPD-Politiker könnte sich Volksentscheid vorstellen

In Südwestfalen mit seinen vielen Schützenvereinen werden die Pläne zu mehr Nichtraucherschutz besonders emotional diskutiert. Dirk Wiese, Unterbezirksvorsitzender der SPD im Hochsauerlandkreis, hält sich beim Thema Volksentscheid bedeckt. Er begrüße es, wenn es endlich eine rechtssichere Regelung ohne juristisch bedenkliche Ausnahmen gebe, sagte er der WAZ-Mediengruppe. Davon gebe es aktuell zu viele, „und das kann nicht in unserem Interesse sein.“

Darüber hinaus ist ein Volksentscheid nach Ansicht Wieses ein begrüßenswerter Beitrag zu mehr direkter Demokratie: „Im Sauerland wird heftig diskutiert, jeder hat dazu seine Meinung. Was spricht dagegen, die Bürger mehr zu beteiligen?“ Was am Ende dabei herauskomme, ob strikter Nichtraucherschutz oder Beibehaltung des Status Quo, sei doch zweitrangig, meinte der Unterbezirkschef.

Schützen im Sauerland fürchten um ihre Tradition

Zum Stimmungsbild in der Region äußerte sich Wiese betont vorsichtig. „Man merkt an einigen Stellen, dass eine Ausweitung des Nichtraucherschutzes auf Schützenfeste und Eckkneipen kritisch gesehen wird“, aber die gleiche Debatte gebe es im Rheinland mit dem Karneval. Deutlicher werden die Schützen im Sauerland. „Wir fürchten um die Tradition“, sagte der stellvertretende Bundesoberst Addi Grooten aus Meschede. Viele Vereine lägen finanziell am Boden. „Es fallen Einnahmen weg, wenn in den Festzelten nicht mehr geraucht werden darf“, so Grooten. „Man sollte es bei der derzeitigen Regelung belassen.“