Warstein. Seit einem knappen halben Jahr ist Catharina Cramer alleinige Geschäftsführerin der Warsteiner Brauerei. In einem Exklusiv-Interview mit der WAZ Mediengruppe redet sie über den Tod ihres Vaters, die Zukunft der Brauerei, ihre Rolle als Unternehmensleiterin und die bevorstehende Geburt ihres ersten Kindes. Das Gespräch führte Hans-Albert Limbrock.

Catharina Cramer (35) steht als alleinige Geschäftsführerin der Warsteiner Brauerei seit Ende vergangenen Jahres ihren Mann. Wie hat sie den Tod ihres Vaters Albert verkraftet, wo sieht Sie die Zukunft des Unternehmens und wird ihr bald erwartetes Kind ein Mädchen oder ein Junge? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Catharina Cramer im Interview.

Waren Sie nach dem Tod Ihres Vaters ausreichend darauf vorbereitet, die alleinige Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen?

Catharina Cramer: Ja, eigentlich schon. Im Grunde genommen hat mein Vater schon sehr früh angefangen, sich Gedanken über die Unternehmensnachfolge zu machen und wie es weitergehen soll, wenn er nicht mehr da ist. Dafür hat er die Weichen früh gestellt und hat mich darin auch immer involviert. Deshalb konnte ich schon frühzeitig in meine Aufgaben hineinwachsen. Das war jetzt kein direkter Sprung ins kalte Wasser.

Das heißt, Ihr Vater hat frühzeitig loslassen können?

Cramer: Ja, absolut. Er hat sich in den letzten Jahren immer mehr aus bestimmten Themen zurückgezogen und hat mir bestimmte Verantwortungen überlassen.

Was ist der deutlichste Unterschied zu der Zeit, als Ihr Vater noch verantwortlich war?

Vater Albert Cramer "fehlt total"

Cramer: Dass ich ihn total vermisse. Er war immer mein Fels in der Brandung. Er war immer derjenige, zu dem ich noch einmal hingehen konnte, um mich abzustimmen. Das geht jetzt nicht mehr, deshalb fehlt er mir total.

Gibt es Menschen, bei denen Sie sich Rat holen können?

Cramer: Das machen wir ja ohnehin gemeinsam im Team. Aber das haben wir schon immer so gemacht. Das hat sich jetzt nicht verändert. Das ist auch Teil meines Führungsstils: Ich möchte, dass die anderen an den Entscheidungen mitwirken und hinter ihnen stehen.

Cramer: Doch, die gibt es. Natürlich. Ich kannte ja meinen Vater sehr, sehr gut und deshalb weiß ich oft, er hätte jetzt dies und das gemacht. Und das ist gut für mich zu wissen.

Welche Eigenschaft an Ihrem Vater haben Sie besonders geschätzt und hätten Sie diese Eigenschaft selbst gerne?

Cramer: Dass er die Menschen so in seinen Bann ziehen konnte. Ich fand das immer so toll, wenn mein Vater sich irgendwo hingestellt hat und die Menschen klebten an seinen Lippen.

"Ich bin anders"

Ist das etwas, woran Sie noch arbeiten müssen oder arbeiten wollen?

Cramer: Nein. Das war das Besondere, was er so hatte. Ich bin anders. Ich kann auch gut auf Menschen zugehen; aber eben anders.

Worin unterscheiden sich AC und CC am deutlichsten?

Cramer: Das ist eine gute Frage. Das habe ich mich so noch nie gefragt. Ich glaube, dass er in seinen Entscheidungen ein bisschen radikaler gewesen ist. Wenn mein Vater eine Idee hatte und von dieser hundertprozentig überzeugt war, dann war es ihm egal, was andere davon hielten. Dann hat er gesagt: „So wird es gemacht.“ - Ohne auf die Meinungen von anderen weiter einzugehen. So bin ich halt nicht.

Sie hat viel Spaß an der Arbeit. Dabei legt Brauerei-Chefin Catharina Cramer auch Wert auf den Rat und die Meinung anderer aus ihrem Unternehmen. Foto: Tim Cordes
Sie hat viel Spaß an der Arbeit. Dabei legt Brauerei-Chefin Catharina Cramer auch Wert auf den Rat und die Meinung anderer aus ihrem Unternehmen. Foto: Tim Cordes © WP | WP

Sondern?

Cramer: Ich bin da mehr der Teamplayer und lege viel Wert auf die Meinung und den Rat anderer. Dafür bezahlen wir ja unsere Mitarbeiter. Das sind alles gute und fachkompetente Leute in ihren Bereichen.

Hat sich Ihr Führungsstil in diesen ersten sechs Monaten schon geändert, mussten Sie sich anpassen?

Cramer: Eigentlich nicht.

Sie haben mal bei unserem Talk am Turm gesagt, dass Sie im Umgang mit den Mitarbeitern vor allem auf gegenseitiges Vertrauen setzen. Ist das immer noch so?

Cramer: Natürlich. Eigentlich fast noch mehr als vorher.

Keine Probleme als erfolgreiche Frau

Die Brauerei-Landschaft ist sehr männerdominiert. Haben Sie Schwierigkeiten, dort ausreichend ernst genommen zu werden?

Cramer: Ich nehme bisher nicht wahr, dass ich da Schwierigkeiten hätte, mich irgendwie durchzusetzen. Ich versuche aber auch, mich sehr zu engagieren, und das wissen die Kollegen auch zu schätzen.

Noch vor einigen Jahren wäre eine Frau an der Spitze einer der erfolgreichsten Brauereien vermutlich weniger denkbar gewesen. Da hat sich offenbar einiges gewandelt.

Als Frau einer der Spitze einer erfolgreichen Brauerei: Catharina Cramer liebt ihren Beruf. Foto: Tim Cordes
Als Frau einer der Spitze einer erfolgreichen Brauerei: Catharina Cramer liebt ihren Beruf. Foto: Tim Cordes © Tim Cordes/WP | WP

Cramer: Das weiß ich nicht und sehe es eigentlich anders. Meine Großmutter hat ja auch eine Zeit lang das Geschäft übernommen, als mein Großvater krank war. Historisch gesehen ist Bierbrauen und Brotbacken ja ohnehin Frauensache gewesen. Dann haben die Männer gesehen, dass man damit Geld verdienen kann und haben gesagt: „Lass mich das mal machen.“

In der Bierbranche gibt es ja bekanntermaßen kaum noch Wachstum. Sie haben in einem Interview mal gesagt, dass sie vor allem auf das internationale Geschäft setzen wollen. Wie sieht diese Strategie aus?

Cramer: Für uns ist es wichtig, die Märkte, in denen wir stark sind, auszubauen und gleichzeitig neue Märkte zu erschließen. Mein Vater hat ja schon in den 80er Jahren - also sehr früh - damit begonnen, das internationale Geschäft aufzubauen. Dadurch ist unsere Marke im internationalen Geschäft anders etabliert als vielleicht andere Marken. Das ist natürlich ein Vorteil, den wir haben. Auf dieser Grundlage wollen wir unsere Internationalität weiter ausbauen.

Stichwort Rauchverbot. Stichwort Nichtraucherschutzgesetz. Das gilt ja nun seit dem 1. Mai. Rechnen Sie mit Umsatzeinbußen?

Cramer: Ja, natürlich. Darunter werden besonders die Eckkneipen und klassischen Wirtschaften leiden. Das tut mir richtig leid für die Betreiber.

Das heißt, Sie hätten sich vom Gesetzgeber in dieser Beziehung mehr Toleranz gewünscht?

Cramer: Absolut. Gerade bei solchen Raucherkneipen sollte doch jeder selbst entscheiden dürfen, ob er da reingeht oder nicht. Jetzt bleiben viele vermutlich zu Hause und damit geht dann ja auch wieder ein Stück Kneipenkultur verloren. Das ist bedauerlich.

Spannend ist in diesem Zusammenhang sicher auch die Frage, wie es bei den Schützenfesten, die gerade begonnen haben, funktioniert?

Cramer: Das wird vermutlich nicht so sehr ein Problem, zumindest wenn die Sonne scheint. Da kann man ja ganz gut nach draußen gehen.

Brauerei-Chefin will die Marke Warsteiner international weiter etablieren

Im zweiten Teil des Exklusiv-Interviews spricht Brauerei-Chefin Catharina Cramer über die neue Sorte „Warsteiner Herb“, den bevorstehenden Brauerei-Geburtstag, worin sich ihre Rolle in der Stadtpolitik von der ihres Vaters unterscheidet - und natürlich über den Nachwuchs, der im Juli erwartet wird.

Die neue Sorte „Warsteiner Herb“ ist offenbar gut aus den Startlöchern gekommen, wie zufrieden sind Sie mit der Markteinführung?

Cramer: Sehr zufrieden. Die Erwartungen sind erfüllt. Ich habe mich in diesem Zusammenhang besonders über die positive Resonanz aus unseren Kernmärkten und auch hier direkt in Warstein gefreut. Da war ich mir nicht so sicher, ob das funktionieren wird. Viele finden, dass das eine supertolle Ergänzung ist. Wir haben bisher kaum Kritik und praktisch keinen Gegenwind bekommen. Das zeigt einfach auch, dass wir gute Bierbrauer sind und ein gutes Bier brauen können.

Herb etabliert, Fassbrause kein Thema

Ermutigt das, über andere Sorten nachzudenken; einfach mehr auszuprobieren?

Cramer: Wir denken immer über neue Dinge nach. Aktuell gibt es keine Überlegungen. Wir wollen das „Herb“ jetzt erst einmal gut etablieren.

Hat die Warsteiner Brauerei in den vergangenen Jahren auch schon einmal einen Trend verschlafen? Ich denke da zum Beispiel an die Fassbrause, mit der Ihre Mitbewerber zum Teil recht erfolgreich unterwegs sind.

Catharina Cramer folgt mit der Warsteiner Brauerei nicht jedem Branchen-Trend:
Catharina Cramer folgt mit der Warsteiner Brauerei nicht jedem Branchen-Trend: "Mit Fassbrause haben wir uns absichtlich nicht intensiver beschäftigt." Foto: Tim Cordes © Tim Cordes/WP | WP

Cramer: Mit Fassbrause haben wir uns absichtlich nicht intensiver beschäftigt, weil wir ja unsere natürlichen Limonaden unter der Marke Aloha und alkoholfreies Warsteiner Radler haben, die mit den sog. Fassbrausen vergleichbar sind.

In der Vergangenheit wurde uns manchmal vorgeworfen, dass wir den Trend zu den Biermischgetränken verpasst haben. Aber das war damals eine Entscheidung von meinem Vater, der sich damit ein bisschen Zeit gelassen hat. Wir haben uns dann auf die Klassiker wie Warsteiner Radler konzentriert. Morgen zum Beispiel ein Warsteiner Energy auf den Markt zu bringen - das würde irgendwie nicht zu uns passen. Da fahren wir bewusst eine andere Strategie, aber das finde ich in Ordnung. In der Branche ist es ja häufig so, dass immer alle auf denselben Zug aufspringen.

Wichtige Rolle spielen bis zum 275-jährigen Jubiläum

In diesem Jahr feiert die Brauerei den 260. Geburtstag. In 15 Jahren steht also wieder ein richtiges Jubiläum an: 275 Jahre. Was wird sich in diesen 15 Jahren alles geändert haben?

Cramer: Wenn ich Ihnen das heute sagen könnte, wäre das super. Mein Vater hat schon vor zehn Jahren gesagt: „In den nächsten Jahren wird sich der Biermarkt in Deutschland konsolidieren.“ Aber eigentlich tut sich nichts. Die Brauereien sind fast immer noch inhabergeführt in Deutschland. Das ist schön und soll auch so sein. Ich hoffe, dass wir es in den fünfzehn Jahren schaffen, unsere Marke international weiter zu etablieren und in Deutschland eine wichtige Rolle zu spielen.

Und die Warsteiner Brauerei ist dann immer noch eigenständig?

Cramer: Natürlich. Überhaupt keine Frage.

Welche Entwicklung in der bundesdeutschen Bier-Landschaft macht Ihnen im Moment am meisten Sorge - außer dem Rauchverbot?

Cramer: Diese ganzen politischen Regulierungen. Das sind Themen, die uns alle sehr beschäftigen.

Eine nachdenkliche Catharina Cramer. Der Tod ihres Vaters Albert wiegt schwer:
Eine nachdenkliche Catharina Cramer. Der Tod ihres Vaters Albert wiegt schwer: "Er war immer mein Fels in der Brandung." Foto: Tim Cordes © Tim Cordes/WP | WP

Ein anderes Problem ist aktuell die Auseinandersetzung mit dem Kartellamt, weil sich die Warsteiner - wie viele andere deutsche Brauereien auch - an Preisabsprachen beteiligt haben soll. Können Sie da etwas zum aktuellen Stand sagen?

Cramer: Mit mir hat noch keiner persönlich gesprochen. Deshalb kann ich dazu auch nichts sagen. Wir wissen ja nicht einmal, was man uns genau vorwirft. Ich hoffe nur, dass sich das bald klären wird. Man möchte irgendwann ja auch einfach wieder Ruhe haben. Das ist ja auch für unsere Mitarbeiter eine unangenehme Diskussion.

Anderes Thema: Wie schmerzhaft war die Diskussion um die Grabgestaltung?

Cramer: Ich finde es ein bisschen schade, dass die Themen so miteinander vermischt werden.

Letzten Wunsch von Albert Cramer erfüllt

Wie kam es denn eigentlich zu dieser eher ungewöhnlichen Gestaltung?

Cramer: Ich wusste, dass mein Vater das gerne so haben wollte. Diesen Wunsch hatte er schon zu Lebzeiten geäußert. Es war so etwas wie sein letzter Wille. Darüber habe ich dann mit dem Bürgermeister gesprochen und bin sehr dankbar, dass die Stadt uns diese Möglichkeit gegeben hat. Aber wir haben ganz bestimmt niemanden unter Druck gesetzt. Und ich finde, nach Warstein passt es irgendwie.

„Das passt zu Warstein“ ist ein gutes Stichwort: Ihr Vater hat sich mehr oder weniger aktiv in die Stadtpolitik eingebracht. Ist eine solche Rolle auch für Sie denkbar?

Cramer: Ich denke, es geht hier nicht darum eine Rolle zu übernehmen, sondern die Schnittstellen zwischen der Stadt und unserem Unternehmen zu diskutieren, die uns als bedeutender Arbeitgeber in Warstein besonders am Herzen liegen.

Jetzt müssen wir uns zum Ende unseres Gesprächs noch dem Baby widmen. Wissen Sie schon, ob es ein Junge oder Mädchen wird?

Cramer: Es wird ein Junge. Das ist kein Geheimnis.

Wollen Sie in der Erziehung etwas anders machen als Ihre Eltern?

Cramer: Nein, gar nichts. Ich hatte eine Super-Kindheit.

Obwohl Ihr Vater zwangsläufig für Sie und Ihre beiden älteren Geschwister weniger Zeit hatte als andere Väter.

Cramer: Das stimmt. Aber er hat sich trotzdem immer wieder die Zeit für uns genommen. Wenn wir Urlaub gemacht haben, dann sind wir meist mit dem Wohnmobil gefahren. Da waren wir dann ein paar Wochen gemeinsam auf kleinstem Raum. Da haben wir praktisch die Zeit wieder gut gemacht, die wir sonst vielleicht nicht hatten. Das war total schön.

Leidenschaftlicher Fußball-Fan

Ganz zum Schluss. Wie sieht es mit Ihrer Begeisterung für Fußball aus - speziell für das Champions-League-Finale?

Cramer: Bei großen, besonders internationalen Spielen bin ich leidenschaftlicher Fußball-Fan. Und das Finale wird uns alle faszinieren.

Und wem drücken Sie die Daumen?

Cramer: Beide sind Spitzenmannschaften, der BVB und der FC Bayern, und ich freue mich am meisten darüber, dass ein deutsches Team die Champions League gewinnt wird.