Hagen. Die Sägeindustrie musste bei ihrem Rechtsstreit gegen mehrere Bundesländer eine erste Schlappe einstecken. Kann sich NRW jetzt Hoffnungen machen?
Die erste Schadenersatzklage der Sägeindustrie im Kartellstreit mit mehreren Bundesländern ist gescheitert. Das Landgericht Stuttgart hat eine rund 450 Millionen Euro schwere Forderung der Branche gegen das Land Baden-Württemberg abgewiesen. Auch NRW wird verklagt – auf 183 Millionen Euro. Die Landesregierung hofft nun ebenfalls auf eine aus ihrer Sicht positive Entscheidung vor Gericht.
Hintergrund: Die Sägeindustrie wirft auch NRW Verstöße gegen das Kartellrecht beim Holzverkauf vor. Das Land soll zwischen 2005 und 2019 gemeinsam mit kommunalen und privaten Waldbesitzern ein Rundholzsyndikat unterhalten und das Holz überteuert an die Sägewerke verkauft haben. Die Branche klagt aber nicht selbst, sondern hat den Streit an einen US-Prozessfinanzierer verkauft. Er trägt das finanzielle Risiko bei einer Niederlage und erhält im Erfolgsfall einen Teil des Schadensersatzes.
Konstrukt kritisiert
Genau dieses Konstrukt kritisiert das Landgericht Stuttgart. Die extra für dieses Verfahren gegründete Ausgleichsgesellschaft der Sägeunternehmen sei gar nicht berechtigt, Ansprüche geltend zu machen, heißt es. Die Konstruktion eines sogenannten Sammelklagen-Inkassos sei im Kartellrecht nicht zulässig. Die GmbH überschreite quasi als Inkasso-Dienstleisterin ihre Kompetenzen. Darüber hinaus sei die massenhafte Bündelung der Ansprüche zahlreicher Sägewerke geeignet, „die Pflicht der Klägerin zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung gegenüber jedem einzelnen Sägewerk zu beeinträchtigen“. Zudem sieht das Gericht die Gefahr, dass sich das Modell sogar zum Nachteil der klagenden Sägewerke auswirken könnte, weil die vereinbarte Vergütung „Anreize für eine kostenintensive Prozessführung zu Lasten der Sägewerke“ setze. Im Klartext: je komplizierter das Verfahren, desto höher der Gewinn des Finanzierers. Ob den Sägewerken Schadenersatz zusteht oder nicht, war gar nicht Thema.
Der Anwalt des Prozesskostenfinanzierers gibt sich gelassen: „Es war nicht zu erwarten, dass ein Verfahren mit solchen Ausmaßen in der ersten Instanz endgültig entschieden wird“, sagte Rüdiger Lahme dieser Zeitung. Er kündigte an, in Rechtsmittel zu gehen, wenn nötig bis zum Bundesgerichtshof. Das Argument des Gerichts, kartellrechtliche Ansprüche dürften nicht gebündelt werden, stehe „im direkten Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers“.
Anwalt: Begründung des Gerichts „äußerst schwach“
Kein einzelnes Sägewerk hätte sich wegen der hohen Kosten und möglicher „Vergeltungsmaßnahmen“ der Politik ein eigenes Verfahren erlauben können. Deshalb habe ein Prozesskostenfinanzierer in Erscheinung treten müssen. Interessenkonflikte zum Nachteil der Säger hält er für abwegig: Der Geldgeber dürfte sich nicht unredlich verhalten, „schließlich hat er einen Ruf zu verlieren“. Insgesamt sei die Begründung „äußerst schwach“.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sieht das Urteil positiv. „Wir haben mit Spannung nach Stuttgart geschaut“, sagte sie. Welche Auswirkungen es auf NRW habe, bleibe abzuwarten.
Das Verfahren dürfte sich noch einige Jahre hinziehen. Schon jetzt umfassen die Akten im Ministerium rund 4000 Seiten.